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Zum guten Schluss

Was macht eine jun­ge, anmu­ti­ge Frau zu einem Fluss? Die­se Fra­ge mag sich ein Spa­zier­gän­ger stel­len, der in Berlin-Kreuzberg von der Urban­stra­ße aus die Grün­an­la­ge der Grimm­stra­ße betritt und dort den – nach sei­nem Haupt­stif­ter benann­ten – Wrangel­brunnen betrach­tet. Kul­tu­rel­le Erfah­run­gen mit Per­so­ni­fi­ka­tio­nen und Vierströme-Brunnen sowie Bei­gaben lie­gen­der Krü­ge und die Asso­zia­tio­nen von ­„Jugend“, „Frucht­bar­keit“ oder dem „Was­ser des Lebens“ wer­den den Schluss nahe­le­gen, dass die Skulp­tu­ren Flüs­se reprä­sen­tie­ren. Da der Fla­neur auf sei­nem Wege zunächst eine männ­li­che, wehr­haft mit einem Schwert aus­ge­stat­te­te Figur wahr­ge­nom­men hat und nun des­sen drei Beglei­te­rin­nen erblickt, wird er das Ensem­ble sodann als Alle­go­rie der vier mäch­ti­gen Strö­me Preu­ßens iden­ti­fi­zie­ren. Für solch eine natio­na­le Pro­gram­ma­tik zeugt auch die Ent­ste­hungs­zeit der Anla­ge, die in den 1860er Jah­ren vom Bild­hau­er Hugo Hagen (1818–1871) ent­wor­fen wurde.

Neu­gie­rig gewor­den, könn­te sich der Betrach­ter zusätz­lich fra­gen, wel­che weib­li­chen Figu­ren – neben dem „Vater Rhein“ – jeweils die drei ande­ren Flüs­se per­so­ni­fi­zie­ren. Hier ver­mö­gen ledig­lich die alle­go­ri­schen Attri­bu­te wei­ter­zu­hel­fen: Der Rad­damp­fer auf der rech­ten Sei­te unse­rer Auf­nah­me könn­te die Dampfschiff-Fabrikation in Buckau und damit die Elbe kenn­zeich­nen, wäh­rend lin­ker­hand mög­li­cher­wei­se die Weich­sel mit dem Schiff­fahrts­sym­bol des Ruders und en face die Oder mit der Minia­tur des Ein­gangs zur Fes­tung Küs­trin aus­ge­stat­tet sind. Die­se plau­si­ble Inter­pre­ta­ti­on muss aber nicht unwi­der­spro­chen blei­ben; denn min­des­tens eben­so wahr­schein­lich dürf­te es sein, dass hier das Modell von Stüh­lers Por­tal der – 1857 als her­aus­ra­gen­des Doku­ment deut­scher Ingenieurs- und Bau­kunst eröff­ne­ten – Dir­schau­er Brü­cke ein­ge­fügt wor­den ist und folg­lich die Weich­sel ver­sinn­bild­licht. Somit erklär­te sich schließ­lich auch, war­um der West­preu­ße genau die­se Blick­rich­tung aus­ge­wählt hat.

Text: Erik Fischer
Foto: Soe­ren Schulz/Alamy Stock Foto