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Wie die Zeit vergeht

Das »Museum der Danziger Wissenschaft« in der St. Katharinenkirche

Der drin­gen­de Rat »Zeit ist Geld«, den Ben­ja­min Frank­lin (1706–1790) jun­gen Kauf­leu­ten gab, bil­det mit der strik­ten Öko­no­mi­sie­rung der Zeit erst eine sehr spä­te, aber beson­ders ein­präg­sa­me For­mu­lie­rung einer fun­da­men­ta­len Erfah­rung; denn dass »Zeit« eine knap­pe, kaum greif­ba­re und rasch ver­ge­hen­de Res­sour­ce ist, war Men­schen schon stets in allen Kul­tu­ren bewusst. Neben der phi­lo­so­phi­schen Dimen­si­on des Zeit­er­le­bens ver­weist Fran­k­lins Mah­nung frei­lich zugleich auf die wirt­schaft­li­che und sozia­le Bedeu­tung, die der Zeit­mes­sung prag­ma­tisch zukommt: Sie ist uner­läss­lich, um eine geleis­te­te Arbeit abschät­zen bzw. bewer­ten sowie die kom­ple­xen Pro­zes­se einer arbeits­tei­li­gen Gesell­schaft – und deren Zusam­men­le­ben ins­ge­samt – koor­di­nie­ren und steu­ern zu können.

Seit dem spä­ten Mit­tel­al­ter wur­de es im Abend­land mög­lich, zu die­sen Zwe­cken auf­wän­di­ge mecha­ni­sche Uhr­wer­ke zu kon­stru­ie­ren, die zunächst als all­ge­mei­ne Takt­ge­ber des gemein­schaft­li­chen Lebens in Kirch­tür­me ein­ge­baut, spä­ter­hin dann für Wohl­ha­ben­de frei­lich auch zur indi­vi­du­el­len Nut­zung ver­füg­bar gemacht wur­den. Die hier ein­set­zen­de Geschich­te der Uhren­bau­kunst sowie der ent­spre­chen­den Stra­te­gien der Zeit­mes­sung erzählt das »Muse­um der Dan­zi­ger Wis­sen­schaft«, das vor allem seit sei­ner Wie­der­eröff­nung im Jah­re 2013 in der Kul­tur­land­schaft des unte­ren Weich­sel­lan­des eine weit­hin sicht­ba­re Land­mar­ke bildet.

Vom »Turmuhren-Atelier« zum »Museum der Danziger Wissenschaft«

Das heu­ti­ge »Muse­um der Dan­zi­ger Wis­sen­schaft« wur­de 1996 unter dem Namen »Turmuhren-Atelier« als Abtei­lung des His­to­ri­schen Muse­ums der Stadt Dan­zig gegrün­det. Haupt­in­itia­tor die­ser Ein­rich­tung war Dr. Grze­gorz Szych­liń­ski, ein 1955 gebo­re­ner Maschi­nen­bau­in­ge­nieur und her­aus­ra­gen­der Spe­zia­list für alle Fra­gen der Uhren­bau­kunst. In den 1980er Jah­ren hat­te er zu dem Exper­ten­team gehört, das die – in den Jah­ren 1464 bis 1470 von Hans Dürin­ger geschaf­fe­ne – astro­no­mi­sche Uhr in der Dan­zi­ger Mari­en­kir­che restau­riert bzw. rekon­stru­iert hat. Die Samm­lung an alten Uhr­wer­ken, die Szych­liń­ski bereits pri­vat zusam­men­ge­tra­gen hat­te, wuchs wei­ter an, und da es ihm gelang, die dama­li­ge Direk­ti­on des His­to­ri­schen Muse­ums für das Pro­jekt eines Uhren­mu­se­ums zu inter­es­sie­ren, begann eine gemein­sa­me Aus­schau nach einem geeig­ne­ten Ort, an dem die wert­vol­len Stü­cke der Öffent­lich­keit prä­sen­tiert wer­den könnten.

An die­sem Punkt kam der Pri­or des Kar­me­li­ter­or­dens ins Spiel, in des­sen Obhut die St. Katha­ri­nen­kir­che seit 1945 stand: Szych­liń­ski hat­te 1991 die War­tung und Pfle­ge des dor­ti­gen Glo­cken­spiel­werks über­nom­men. (Zu die­ser Zeit ver­füg­te das Instru­ment noch nicht über die Min­dest­zahl von 23 Glo­cken, von der an es als »Caril­lon« bezeich­net wer­den darf.) Dank die­sen Kon­tak­ten erhielt der pas­sio­nier­te Uhren­samm­ler die Erlaub­nis, die ers­te Eta­ge des mas­si­ven Kirch­turms für sein Vor­ha­ben zu nut­zen und konn­te dort 1996 das »Ate­lier« eröffnen.

Drei Jah­re spä­ter erhielt die­se neue Abtei­lung des His­to­ri­schen Muse­ums für ihre Aus­stel­lung »Das Phä­no­men der Zeit« die Sybil­la, den bedeu­tends­ten pol­ni­schen Muse­ums­preis. Nun wur­de sie offi­zi­ell als »Turm­uh­ren­mu­se­um« eta­bliert, und Grze­gorz Szych­liń­ski über­nahm die Stel­le des Direk­tors, die er bis 2020 inne­hat­te. Eine Koope­ra­ti­on mit der Dan­zi­ger Kunst­aka­de­mie ver­schaff­te der Uhren-­Ausstellung bald eine noch grö­ße­re Bekannt­heit und Attrak­ti­vi­tät, denn sie führ­te im Jahr 2000 zur Ein­rich­tung einer »Gale­rie auf dem Turm«. Schon 2006 wur­den die Akti­vi­tä­ten des Muse­ums zum zwei­ten Male mit einer Sybil­la prä­miert, und im Juni die­ses Jah­res soll­te in enger Ver­bin­dung mit dem erneu­er­ten Glo­cken­spiel der St. Katha­ri­nen­kir­che – das auf­grund des Dan­zi­ger Jubi­lä­ums­jahr 1997 noch um die »Mill­en­ni­ums­ok­ta­ve« erwei­tert wor­den war – der ers­te Inter­na­tio­na­le Carillon-Kongress statt­fin­den. – Ein Groß­brand aber mach­te am 22. Mai die meis­ten Plä­ne zunichte.

Die­ser Unglücks­tag war einer der dun­kels­ten in der Geschich­te des Got­tes­hau­ses. Im Lau­fe von Repa­ra­tur­ar­bei­ten auf dem Dach brach ein Feu­er aus, das bald die gesam­te Dach­flä­che erfass­te und droh­te, auf den Turm mit sei­ner sorg­fäl­tig rekon­stru­ier­ten Turm­spit­ze und dem kost­ba­ren, nun­mehr 49 Glo­cken umfas­sen­den Caril­lon über­zu­grei­fen. Die Muse­ums­an­ge­stell­ten, deren Büro sich über der Süd­ka­pel­le befin­det, hat­ten die­ses Gesche­hen zunächst gar nicht wahr­ge­nom­men und wun­der­ten sich ledig­lich über die Lösch­zü­ge, die unten auf der Stra­ße hiel­ten. Wenig spä­ter kam dann jedoch unmiss­ver­ständ­lich die Auf­for­de­rung, das Gebäu­de schnellst­mög­lich zu verlassen.

Das Kir­chen­dach war zwar völ­lig zer­stört, glück­li­cher­wei­se kamen aber kei­ne Per­so­nen zu Scha­den, und den Kirch­turm konn­te die Feu­er­wehr noch recht­zei­tig ret­ten. Aller­dings waren dort alle kost­ba­ren Aus­stel­lungs­stü­cke unter Was­ser gesetzt wor­den. Das Caril­lon muss­te zunächst ver­stum­men, weil die Lösch­ar­bei­ten eine Trak­tur und den Steue­rungs­com­pu­ter in Mit­lei­den­schaft gezo­gen hat­ten. Die­se Pro­ble­me konn­ten aber ver­hält­nis­mä­ßig rasch beho­ben wer­den, und auch wenn der Brand ver­hin­der­te, dass die kurz zuvor ange­kom­me­ne »Katar­zy­na«, die größ­te (und dann 50.) Glo­cke des Caril­lons noch im Turm ange­hängt wur­de – dies geschah dann erst im Jah­re 2013 –, konn­te der Inter­na­tio­na­le Kon­gress durch­ge­führt wer­den und wur­de zu einem vol­len Erfolg. 

Das Turm­uh­ren­mu­se­um hin­ge­gen muss­te über sie­ben lan­ge Jah­re geschlos­sen blei­ben, weil der Wie­der­auf­bau der Kir­che so viel Zeit in Anspruch nahm. Wäh­rend­des­sen wur­den sämt­li­che Expo­na­te und ande­re Objek­te im Maga­zin des His­to­ri­schen Muse­ums der Stadt Dan­zig zwi­schen­ge­la­gert. Am 1. Juli 2013 konn­te dann end­lich die fei­er­li­che Wie­der­eröff­nung statt­fin­den, wobei das Muse­um nun noch zusätz­li­chen Aus­stel­lungs­raum hin­zu­ge­won­nen hat­te, denn ihm stan­den von jetzt an nicht nur alle Eta­gen des Turms, son­dern auch das Dach­ge­schoss des Kir­chen­schiffs zur Verfügung. 

In die­ser Zeit des Zuwar­tens schärf­te das Muse­um sein Pro­fil, indem es span­nen­de wis­sen­schaft­li­che Akti­vi­tä­ten ent­fal­te­te und Pro­jek­te ent­wi­ckel­te, die in Polen und auch euro­pa­weit Auf­merk­sam­keit erreg­ten. Dazu gehört vor­nehm­lich die Pulsar-Uhr Heve­li­us 2011. Sie war ab 2010 von einem Spezialisten-Team kon­zi­piert wor­den, das unter der Lei­tung von Grze­gorz Szych­liń­ski sowie von Euge­ni­usz Paz­der­ski (1946–2014) vom Astronomie-Zentrum der Uni­ver­si­tät Thorn stand, und wur­de am Katha­ri­nen­tag des nach­fol­gen­den Jah­res – in dem sich der Geburts­tag des Dan­zi­ger Astro­noms Johan­nes Heve­li­us zum 400. Male gejährt hat­te – der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt: Für den Emp­fang der pul­sa­ren Takt­si­gna­le war zwi­schen zwei Dächern des Pres­by­te­ri­ums eine Stahl­kon­struk­ti­on mit 16 Anten­nen errich­tet wor­den; der Kon­troll­raum befand sich im Dach­ge­schoss des Kir­chen­schiffs. Zum Zeit­punkt der Instal­la­ti­on war dies die ers­te Uhr, die den Lauf der Zeit anhand einer außer­ir­di­schen Signal­quel­le bestimm­te. Dadurch gelang es, die Genau­ig­keit von Atom­uh­ren um das Neun­fa­che zu erhö­hen. – Die­se außer­or­dent­li­che Leis­tung trug wesent­lich dazu bei, dass das Turm­uh­ren­mu­se­um 2016 den neu­en, anspruchs­vol­len Namen »Muse­um der Dan­zi­ger Wis­sen­schaft« (Muze­um Nau­ki Gdańs­kiej) erhielt.

Raritäten, Schätze und Rekorde 

Bevor der Rund­gang durch die Aus­stel­lung begin­nen kann, muss zunächst ein Auf­stieg bis zur ers­ten Platt­form bewäl­tigt wer­den. Die­ser Weg ist kei­nes­wegs bar­rie­re­frei, denn die Bau­for­men der goti­schen Archi­tek­tur las­sen sich in die­sem Fal­le nicht mehr nach­träg­lich modi­fi­zie­ren. Vom Sei­ten­ein­gang des Kirch­turms aus ist das Muse­um allein über eine Wen­del­trep­pe erreich­bar, die über­dies nur jeweils von einer ein­zel­nen Per­son pas­siert wer­den kann. Der Wech­sel­ver­kehr zwi­schen Auf- und Abstieg muss des­halb genau regu­liert wer­den, und die­se Auf­ga­be über­nimmt wie bei Eng­stel­len im Stra­ßen­ver­kehr eine regel­rech­te Signalampel.

Sobald der Zugang zum Muse­um erreicht ist, betre­ten die Besu­cher einen abge­dun­kel­ten Raum, der vom Far­ben­spiel eines effekt­vol­len, gleich­sam thea­tra­li­schen Licht­de­signs erhellt wird, und sie umhüllt sogleich eine akus­ti­sche Wol­ke, die das asyn­chro­ne Ticken von zahl­rei­chen, jeweils ihrem eige­nen Rhyth­mus fol­gen­den Uhren ent­ste­hen lässt.

Heu­te umfas­sen die Samm­lungs­be­stän­de über 150 Objek­te: Uhren, Wer­ke und Frag­men­te his­to­ri­scher Kirch­turm­uh­ren sowie auch Glo­cken. Zu den beson­ders wert­vol­len Expo­na­ten gehö­ren Uhr­wer­ke mit einem Foli­ot, einem Gang­reg­ler, der in frü­hen mecha­ni­schen Räder­uh­ren einen halb­wegs gleich­mä­ßi­gen Gang zu bewir­ken ver­moch­te, wenn­gleich der Tole­ranz­be­reich der Gang­ge­nau­ig­keit noch eine Abwei­chung von ca. 15 Minu­ten pro Tag umfass­te. Nach­dem Chris­tia­an Huy­gens in der zwei­ten Hälf­te des 17. Jahr­hun­derts das Schwer­epen­del zur Regu­lie­rung von Uhren nutz­bar gemacht hat­te, wur­den die meis­ten älte­ren Uhr­wer­ke umge­baut, so dass nur noch weni­ge mit einem authen­ti­schen Foli­ot erhal­ten blie­ben. Im Muse­um befin­den sich ein frü­hes Exem­plar aus dem 14./15. Jahr­hun­dert mit unge­wis­ser Her­kunft sowie ein spä­te­res aus dem 17. Jahr­hun­dert, das die Kirch­turm­uhr von Sub­kau (Sub­ko­wy), Kr. Dir­schau, antrieb und deren Zei­ger bewegte.

In die­sem Aus­stel­lungs­be­reich zieht bei­spiels­wei­se das 1789 erbau­te Uhr­werk aus der König­li­chen Resi­denz im War­schau­er »Park der Bäder« (Łazienki-Park) eben­so die Bli­cke auf sich wie die Schmie­de, die unter­halb des Trep­pen­auf­gangs ein­ge­rich­tet ist und dank der Illu­mi­na­ti­on den Ein­druck erweckt, als war­te sie betriebs­be­reit nur auf den Meis­ter. Gera­de­zu spek­ta­ku­lär frei­lich wirkt hier ein gewal­ti­ger Pen­del­kör­per, des­sen Auf­hän­gung sich in einem obe­ren Stock­werk befin­den muss. Er gehört zu einem Pro­jekt, des­sen Abkür­zung »P‑31M« ein Pen­dulum (lat. für Pen­del) mit einer Län­ge von min­des­tens 31 Meter bezeich­net. Die­ses gera­de­zu gigan­ti­sche Pen­del ist das Ergeb­nis eines erfolg­rei­chen Rekordversuchs.

Über lan­ge Zeit ver­füg­te das Hotel Cor­na­vin in Genf über die größ­te mecha­ni­sche Uhr der Welt, die eine Gesamt­län­ge von 30,05 Metern auf­weist und vom neun­ten Stock bis zum Erd­ge­schoss hin­un­ter­reicht. Die­ses Maß galt es zu über­tref­fen, und so wur­de für die St. Katha­ri­nen­kir­che ein Pen­del kon­zi­piert, das von der Höhe des Caril­lons und der Zif­fer­blät­ter bis zum ers­ten Stock des Turms her­ab­hängt und nun auf eine Län­ge von 31,25 Meter kommt. Es schwingt jeweils zehn Sekun­den lang in eine Rich­tung, und das Gewicht beträgt 300 kg. Es wur­de Ende 2016 in Gang gesetzt, und seit­dem kön­nen sich die Besu­cher nur schwer dem außer­ge­wöhn­li­chen Ein­druck die­ser gleich­mä­ßi­gen majes­tä­ti­schen Bewe­gung ent­zie­hen, in der sich die Zeit zu deh­nen scheint. Dass das Dan­zi­ger Muse­um nun über das längs­te Pen­del der Welt ver­fügt, ist am 18. August 2023 auch offi­zi­ell fest­ge­stellt und im Guinness-World-Records-Buch ver­merkt worden. 

Von die­sem ers­ten Raum aus führt ein Durch­gang auf den Dach­bo­den der Katha­ri­nen­kir­che. Hier ist eine umfang­rei­che und wert­vol­le Samm­lung von »Werder-Uhren« zu betrach­ten, die der nam­haf­te Bild­hau­er und Gold­schmied Paweł Fiet­kie­wicz (1930–2015) zusam­men­ge­tra­gen und dem Muse­um ver­macht hat. Die­se Uhren sind tech­nisch nicht all­zu auf­wän­dig gefer­tigt und mit einem oder mit zwei Zei­gern aus­ge­stat­tet. Sie wur­den von Men­no­ni­ten her­ge­stellt, die sich im spä­ten 17. Jahr­hun­dert mit der Uhren­bau­kunst ver­traut gemacht hat­ten und ihre Fer­tig­kei­ten und Ver­fah­rens­wei­sen von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ga­ben. Sehr bekannt war z. B. die Fami­lie Kroe­ger, die ihre Pro­duk­ti­on bereits in der Weich­sel­nie­de­rung auf­ge­nom­men hat­te und sie, nach­dem sie wie vie­le ihrer Glaubens­brüder aus West­preu­ßen aus­ge­wan­dert war, seit dem Ende des 18. Jahr­hun­derts auf dem Gebiet der heu­ti­gen Ukrai­ne fort­setz­te. Die Zif­fer­blät­ter sind aus Blech her­ge­stellt und male­risch reich deko­riert. Dadurch sind die­se Expo­na­te in dem pri­mär an der Tech­nik ori­en­tier­ten Muse­um die ästhe­tisch am meis­ten anspre­chen­den Uhren.

Zudem fin­det sich in die­sem Raum eine eige­ne Ausstellungs­sektion über einen der bedeu­tends­ten Dan­zi­ger Wis­sen­schaft­ler, den schon genann­ten Johan­nes Heve­li­us (1611–1687). Die­ser berühm­te Astro­nom beschäf­tig­te sich natur­ge­mäß auch mit der Uhren­bau­kunst, und des­halb wer­den hier Rekon­struk­tio­nen sei­ner Ent­wür­fe und Pro­to­ty­pen gezeigt. Über­dies wird ein Modell der drei Häu­ser gezeigt, auf deren Dächern Heve­li­us einst sei­ne Stern­war­te ein­ge­rich­tet hatte.

Schließ­lich ist eigens auf eine Kurio­si­tät hin­zu­wei­sen: auf eine ­Astro­no­mi­sche Uhr en minia­tu­re, die ein Józef Koz­lon­ski in den Jah­ren von 1905 bis 1911 in Groß Lonk (Pol­skie Łąki), Kr. Schwetz, kon­stru­iert hat. Sie ist im neu­go­ti­schen Stil gehal­ten und folgt im Auf­bau den gro­ßen astro­no­mi­schen Uhren in Dan­zig, Straß­burg oder Prag. Sie zeigt die Mona­te, Wochen­ta­ge, Stun­den, Minu­ten, Mond­pha­sen und Tier­kreis­zei­chen an, und selbst­ver­ständ­li­cher­wei­se ist im unte­ren Teil auch ein astro­no­mi­scher Kalen­der berück­sich­tigt. Er setzt im Jah­re 1911 ein und reicht bis ins Jahr 2036. Über der Kalen­der­schei­be und der im mitt­le­ren Teil ange­brach­ten Uhr­schei­be wird das Gehäu­se von einem »Thea­ter­teil« gekrönt, in dem Chris­tus und die zwölf Apos­tel erschei­nen. Die Mecha­nik die­ser Uhr wur­de kürz­lich durch­ge­se­hen und funk­tio­niert seit­dem wie­der völ­lig einwandfrei.

Wir keh­ren zum Turm zurück und stei­gen die – nun brei­te­re – Trep­pe zum nächs­ten Stock­werk hin­auf. Auf dem Wege begeg­nen die Besu­cher einer 2013 ein­ge­rich­te­ten Instal­la­ti­on frei im Raum schwe­ben­der Glo­cken. Dabei han­delt es sich um die Relik­te des Glo­cken­spiels, das 1939 in der Dan­zi­ger Werft gegos­sen und dann im Uhren­turm der Jugend­her­ber­ge Paul Bene­ke auf dem Bischofs­berg ange­bracht wor­den waren. Auf der Eta­ge selbst sind Uhr­wer­ke aus dem 19. und 20. Jahr­hun­dert aus­ge­stellt. Sie stam­men von Fir­men wie C. F. Roch­litz aus Ber­lin, Johann Fried­rich Weu­le aus dem nie­der­säch­si­schen Bocke­nem oder G. & F. Cope Ltd. aus Not­ting­ham. Dar­über hin­aus ist z. B. eine Turm­uhr mit einem auto­ma­ti­schen Glo­cken­spiel beach­tens­wert, die 1926 in Buer bei Mel­le von der Fabrik Edu­ard Korf­ha­ge & Söh­ne her­ge­stellt wor­den ist – von jener Fir­ma, die 1910 die Kirch­turm­uhr von St. Katha­ri­nen gelie­fert hat­te; des­glei­chen soll noch auf das Uhr­werk hin­ge­wie­sen wer­den, das die von Michał Mię­so­wicz (1864–1938) gegrün­de­te »Ers­te Natio­na­le Turmuhren­fabrik« in Kros­no gebaut und dabei das Pen­del ori­gi­nel­ler­wei­se in der Form einer Flam­me gestal­tet hat.

Die nächs­te – nun­mehr drit­te – Eta­ge beher­bergt das berühm­te Caril­lon, das nicht mehr in der Turm­la­ter­ne, son­dern – seit dem Abschluss der ers­ten Erneue­rungs­pha­se im Jah­re 1989 – im Inne­ren des mas­si­ven Glo­cken­turms unter­ge­bracht ist. Dort kann es jetzt in Gän­ze besich­tigt wer­den. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit wird dabei stets der bereits erwähn­ten impo­san­ten »Katar­zy­na« geschenkt, die 2.835 kg wiegt und auf den Ton B gestimmt ist. Die­se per­fek­te Abrun­dung des Caril­lons wur­de vom Lei­ter des Turm­uh­ren­mu­se­ums ange­regt und ließ sich letzt­lich durch die groß­zü­gi­ge För­de­rung des Pro­jekts durch die Stadt und ihren Bür­ger­meis­ter Paweł Ada­mo­wicz (1965–2019) rea­li­sie­ren: So wur­de die »Katar­zy­na« im Jah­re 2006 von der Kon­in­kli­jke Eijs­bouts im nie­der­län­di­schen Asten gegossen. 

Die Bewun­de­rung für die­ses groß­di­men­sio­nier­te Musik­in­stru­ment ver­mag zuwei­len sogar noch wei­ter gestei­gert zu wer­den: wenn die Besu­cher einem Caril­lo­neur oder einer Caril­lo­neu­rin durch die Glas­wän­de der Kabi­ne hin­durch beim Spie­len zuse­hen und mit eige­nen Augen beob­ach­ten kön­nen, wie kraft­voll und zugleich vir­tu­os die Glo­cken zum Erklin­gen gebracht werden.

Die letz­te Sta­ti­on unse­res Rund­gangs bil­det die Aus­sichts­platt­form unter­halb der Turm­la­ter­ne, von wo aus sich ein fas­zi­nie­ren­der wei­ter Blick über die gesam­te Dan­zi­ger Innen­stadt eröff­net und alle, die bis hier­hin her­auf­ge­stie­gen sind, über­reich für ihre Mühe entlohnt.

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Wer bei sei­nem Besuch die Gele­gen­heit ergreift, die man­nig­fa­chen Expo­na­te im »Muse­um der Dan­zi­ger Wis­sen­schaft« ein­ge­hend zu betrach­ten, gewinnt sicher­lich einen ver­tief­ten Ein­blick in die Geschich­te der Uhren­bau­kunst wie auch in die grund­sätz­li­chen Bemü­hun­gen und aus­ge­klü­gel­ten Mög­lich­kei­ten, die phy­si­ka­li­sche Zeit zu mes­sen. Aller­dings wer­den sich ihm die tech­ni­schen Geheim­nis­se und indi­vi­du­el­len Merk­ma­le der gro­ßen und klei­nen tech­ni­schen Wun­der­wer­ke kaum aus­nahms­los erschlie­ßen. Dies ist aber kein Scha­den, denn statt­des­sen soll­te er sich häu­fi­ger den Ein­drü­cken über­las­sen, die ihm in der »akus­ti­schen Wol­ke« ver­mit­telt wer­den: Das all­ge­gen­wär­ti­ge viel­stim­mi­ge asyn­chro­ne Ticken so vie­ler Uhren ver­mag ihn dazu anzu­re­gen, jen­seits aller Prä­zi­si­on der Appa­ra­tu­ren noch ein­mal genau­er über das Wesen der Zeit nach­zu­den­ken – und ver­mut­lich erscheint auch ihm dann die Erfah­rung und Ein­sicht plau­si­bel, die der Kir­chen­va­ter Augus­ti­nus von Hip­po (354–430) einst im elf­ten Kapi­tel sei­ner Con­fes­sio­nes fest­ge­hal­ten hat: »Was also ist die Zeit? Wenn mich nie­mand danach fragt, weiß ich es. Wenn ich es einem erklä­ren will, der danach fragt, weiß ich es nicht.«

Bar­to­sz Skop