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Felix Dueball aus Jastrow in Westpreußen (1880–1970) 

Die Geschichte eines Go-Pioniers und ‑Meisters

Von Günter Cießow und Erik Fischer

Das Go-Spiel, Japan und das Renommee des »Dr. Dueball«

Das Go-Spiel ist in Westpreußen nicht heimisch gewesen, und auch heute steht es – unabhängig von den durchaus erfolg­reichen Bemühungen des Deutschen Go-Bundes – gewiss nicht im Zentrum der öffent­lichen Aufmerk­samkeit. Einiges inter­na­tio­nales Aufsehen erregte dieses Strategie-Brettspiel aller­dings durch einen Vorgang, der sich Ende der 2010er Jahre vollzogen hat und der heute wie ein Vorspiel zur aktuell heftig aufbran­denden Diskussion über »Künst­liche Intel­ligenz« (KI) anmutet: 2016 trat der junge, gerade 33 Jahre alte Koreaner Lee Sedol, zu dieser Zeit einer der weltbesten Go-Spieler, in einem spekta­ku­lären Wettkampf gegen das von DeepMind entwi­ckelte Computer-Programm AlphaGo an, und während er zunächst noch angekündigt hatte, in diesem Schau­kampf eines Menschen gegen einen Rechner »haushoch« zu gewinnen, gelang es ihm lediglich, eine der fünf angesetzten Partien für sich zu entscheiden.

Drei Jahre später hatte die Selbst­op­ti­mierung künst­licher neuro­naler Netze derartige Fortschritte gemacht, dass das neue KI-Programm AlphaZero schon als unschlagbar galt – und die bemer­kens­werte Konse­quenz zeitigte, dass sich Lee Sedol vom Go-Sport völlig zurückzog. – Diese Geschichte lässt deutlich werden, dass Go, das in der Spiel­kultur Ostasiens offenbar eine erheblich größere allge­meine Wertschätzung genießt als in der westlichen Hemisphäre, um ein Vielfaches komplexer und vertrackter ist als Schach. Immerhin war es dem Schach­com­puter DeepBlue bereits 1996 gelungen, erstmals in einer Partie mit einer regulären Zeitkon­trolle gegen einen amtie­renden Weltmeister – Garri Kasparow – zu obsiegen.

Einen ersten, inten­siven Eindruck von Go und dessen Einbettung speziell in die japanische Kultur vermag ein halbdo­ku­men­ta­ri­scher Roman zu vermitteln, dessen Handlungskern im Grunde von einem einzigen Go-Spiel gebildet wird. Es handelt sich um die legendäre Partie zwischen dem älteren Hon’inbō Shūsai, dem letzten Träger des persön­lichen Hon’inbō-Titels, und dem um 35 Jahre jüngeren Kitani Minoru, die an fünfzehn Spiel­tagen zwischen dem 26. Juni und dem 4. Dezember 1938 ausge­tragen worden ist und in der letztlich der ehrwürdige alte Meister, der »Meijin«, als Reprä­sentant eines tiefen, philo­so­phisch veran­kerten Spiel­ver­ständ­nisses dem Vertreter einer neuen Generation von hochpro­fes­sio­nellen Spielern unter­liegt. Meijin1 lautet auch der Titel dieses Romans. Er wurde im Jahr 1954 von Kawabata Yasunari veröf­fent­licht, der späterhin (1968) als erster Japaner mit dem Litera­tur­no­bel­preis ausge­zeichnet worden ist. 

Sofern sich ein westlicher Leser, selbst wenn er mit dem Go-Spiel kaum vertraut ist, auf die Lektüre dieses Buches einlässt, wird ihn die sensible und fein diffe­ren­zie­rende Schil­derung einer von Tradi­tionen, Hierar­chien, hohen morali­schen Werten und strengen Verhal­tens­normen bestimmten Welt bald in ihren Bann schlagen. Überdies wird ihm auf seinem Wege eine nicht-fiktive Person begegnen, die eine enge Verbindung zwischen dem Go-Spiel und der japani­schen Kultur und Gesell­schaft der späten 1930er einer­seits und – einem Westpreußen anderer­seits deutlich werden lässt: Felix Dueball aus Jastrow (dem der Autor Kawabata respektvoll, aber fälsch­li­cher­weise einen Doktor­titel zuerkannt hat). Die erste Erwähnung, die sich im 22. Kapitel findet, lautet (S. 79):

Dr. Felix Dueball, der sich in Japan [im] Go [weiter­ge­bildet] hatte, nach Deutschland zurück­ge­gangen und als der »Deutsche Honinbo« bekannt war, sandte dem Meijin ein Glück­wunsch­te­le­gramm zum Anlass seiner letzten Partie. In der Morgen­ausgabe der Nichi­nichi war ein Foto der beiden Spieler, wie sie das Telegramm lasen.

Späterhin – im 28. Kapitel – spricht der Erzähler von dem wachsenden Interesse, das Go in Europa und sogar in Amerika inzwi­schen entge­gen­ge­bracht würde, und hebt dabei anerkennend hervor, »dass es in Dr. Dueballs Deutschland mehr als fünftausend Anhänger des Spiels« gebe (S. 99).

Diese beiden Hinweise auf einen Deutschen, dem in Kawabatas Go-Roman eines­teils die ehrwürdige Auszeichnung eines überra­genden Go-Meisters – »Hon’inbō« – zugesprochen wird und dem es andern­teils gelungen ist, das Spiel bei seinen Lands­leuten nicht nur bekannt zu machen, sondern auch erfolg­reich zu verbreiten, zeugen von dem (immer noch fortwäh­renden) hohen Renommee, das Felix Dueball in Japan erworben hatte. Aufgrund dieses Sachver­halts erscheint es geradezu überfällig, dass das Leben und die Karriere eines Mannes, der nicht zuletzt im Wikipedia-Eintrag »Jastrowie« als bedeu­tender Sohn seiner Heimat­stadt genannt wird, auch im Westpreußen ausführ­licher gewürdigt werden.

Von Jastrow nach Berlin 

Felix Dueball wurde am 20. 3. 1880 in Jastrow geboren. Der Vater war in dieser Stadt Beamter im Gerichts­wesen. Noch im selben Jahr zog die Familie in die Kreis­stadt Deutsch-Krone, und nach Verset­zungen des Vaters ging die Familie zunächst 1883 nach Schwerin an der Warthe und dann, im Oktober 1888, nach Wongrowitz in der Provinz Posen. Dort bestand Felix Dueball 1901 das Abitur, bezog im Anschluss – nach einem neuer­lichen Umzug der Familie – die Univer­sität Berlin und legte im April 1906 das Staats­examen für das höhere Lehramt ab. 

Nach dem Referen­dariat, das ihn nach Tremessen, Bromberg und Posen führte, wurde er im April 1908 zum »König­lichen Oberlehrer« ernannt und erhielt seine erste Stelle in Gnesen. Danach folgte 1911, ebenfalls in der Provinz Posen gelegen, die Stadt Rawitsch, bis eine Bewerbung um eine Anstellung in Charlot­tenburg Erfolg hatte und die Familie von Felix Dueball im April 1919 dorthin zog – in eine Wohnung, in der er nun volle 50 Jahre lang lebte. Hier traf ihn 1925 mit dem Tode seiner erst 40-jährigen Frau ein schwerer Schick­sals­schlag; da er inzwi­schen drei Kinder zu versorgen hatte, ging er noch im gleichen Jahr eine zweite Ehe ein.

Als Student war Felix Dueball, ebenso wie sein Kommi­litone und Freund Max Lange, ein eifriger und starker Schach­spieler. Nachdem Max Lange 1904 eher zufäl­li­ger­weise in Velhagen & ­Klasings Monats­heften einen Artikel über ostasia­tische Brett­spiele gelesen hatte, nahmen die beiden Freunde diese Spur auf, sammelten weitere, nur spärlich verfügbare Infor­ma­tionen und bastelten aus einem Pappbrett und Brief­ver­schluss­marken ein Spiel­brett. Andere Freunde kamen hinzu und bildeten einen ersten kleinen Kreis von begeis­terten Go-Spielern.

Da seine beruf­liche Tätigkeit Dueball lange Jahre von Berlin fernhielt und die Bemühungen, andere Menschen für dieses Spiel zu inter­es­sieren, fehlschlugen, musste er sich auf Fernpartien beschränken. Erst mit seinem Umzug nach Charlot­tenburg (das kurz darauf zu einem Teil von Groß-Berlin wurde) trat eine Wende ein. Auf sein Betreiben trafen sich die Go-Freunde jeden Diens­tag­abend im Schachsaal verschie­dener Cafés. Nur ganz besondere Umstände wie Urlaub, Krankheit oder Feiertage konnten ihn veran­lassen, einen Go-Abend auszulassen.

Unermüdlich bemühte er sich weiterhin, Go populärer zu machen und auch Anfänger in das Spiel einzu­führen, wobei er stets darauf achtete, sie nicht zu überfordern, sondern ihre Spiel­stärke und die Freude am Spiel zu fördern. Als »ungekrönter König« dieses Kreises hielt er die anderen Spieler an, sich in gleicher Weise für den Nachwuchs zu engagieren. Ein beson­deres Vergnügen bereitete es ihm schließlich, japanische Go-Freunde einladen und bei diesen Gelegen­heiten auch einmal auf stärkere Gegner treffen zu können.

Japan – und eine telegraphische Fernpartie

Der zuneh­mende Kontakt mit japani­schen Spielern brachte es mit sich, dass auch in der Presse ihres Heimat­landes über das Go-Spiel in Deutschland und über den jahrzehn­telang unange­fochten stärksten deutschen Go-Spieler – Felix Dueball – berichtet wurde. So bildete sich halb scherz‑, halb ernsthaft die Bezeichnung ­Doitsu Hon’inbō, der »Deutsche Großmeister«, heraus. Auf diese Weise wiederum wurden weitere japanische Go-Spieler auf die entspre­chende Szene in Deutschland aufmerksam und nahmen, wenn sie Deutschland besuchten, häufig Kontakt mit Felix Dueball auf. 

Einer der großen Förderer des Go-Spiels, Baron Ôkura, lud schließlich Felix Dueball mit seiner Frau für ein Jahr nach Japan ein. Damit ging der Traum seines Lebens in Erfüllung: Am 3. April 1930 verließ das Ehepaar Berlin und traf nach längerer Reise mit der Hakozaki-Maru am 20. Mai 1930 in Tokyo ein. 

Ein unver­gess­liches Jahr folgte: Viele ehrende Einla­dungen, das Wieder­sehen alter wie das Kennen­lernen neuer japani­scher Freunde, herrliche Reisen zu Japans Natur­schön­heiten und für Felix Dueball das Spielen im Nihon Ki-in, der japani­schen Go-Akademie, mit Berufs­meistern und – als Krönung dieser faszi­nie­renden Erleb­nisse – ein Spiel mit Hon’inbō Shūsai, dem Meijin. Gegen Ende seines Aufent­haltes, am 1. Mai 1931 erhielt Felix Dueball das Diplom über den Shodan, den Anfangsrang der Fortge­schrit­tenen – und Meister­grade. – Am 16. 5. 1931 verließ das Ehepaar dann, von vielen Freunden verab­schiedet, Tokyo wieder und kehrte, nach mehreren Reise­un­ter­bre­chungen, am 16. 6. 1931 nach Berlin zurück. 

Dieser Ankunftstag in Berlin war ein Dienstag, und so war es für Felix Dueball selbst­ver­ständlich, gleich zu seinem Go-Abend zu gehen. Ein Go-Abend in der Woche erschien ihm nun aber als zu wenig. Deshalb bot er jeweils sonnabends in seiner Wohnung einen weiteren regel­mä­ßigen Termin an. Besonders gern gesehene Gäste waren Herren der japani­schen Kolonie. Sie luden im Gegenzug auch ihrer­seits deutsche Go-Spieler zu Spiel­abenden in ihre Häuser oder in den japani­schen Club ein, der sich an der Ecke Kaiser­allee / Trauten­au­straße befand.

Dieser intensive Kultur­aus­tausch rückte in den Blick einer breiteren Öffent­lichkeit, als zwei japanische Zeitungen – Tokyo nichi-nichi und Osaka mai-nichi – sowie der Völkische Beobachter 1936 überein­kamen, eine telegra­phische Fernpartie zwischen Japan und Deutschland zu finan­zieren. Dabei trat der frühere japanische Kultus­mi­nister Hatoyama Ichirō, ein starker Amateur­spieler und späterer Minis­ter­prä­sident seines Landes, gegen den amtie­renden Europa­meister Felix Dueball an. Zug um Zug wurde über diese Partie berichtet. Sie begann im September und endete nach 50 Spiel­tagen im November mit einem knappen Sieg von Exzellenz Hatoyama.

Dieser »ferndrahtlich ausge­tragene Wettkampf im ›GO‹« hatte, wie ein Zeitungs­ar­tikel aus dem Jahr 1937 berichtete, »so viel Anteil­nahme gefunden, dass der Gau Berlin der NS-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹ sich entschlossen hat, im kommenden Jahr in Berlin zwanzig Go-Lehrkurse zu veran­stalten«. Diese Entscheidung der KdF-Funktionäre war der Popula­ri­sierung des Go sicherlich höchst förderlich; sie zeigt zugleich aber unmiss­ver­ständlich, wie nachdrücklich sich die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­haber jetzt dieses Spiels bemäch­tigten und die Zirkel der Go-Enthusiasten für ihre Zwecke funktio­na­li­sierten: Die macht­po­li­tisch begründete Allianz zwischen dem Deutschen Reich und dem Japani­schen Kaiser­reich, die im November 1936 den Antikom­in­ternpakt unter­zeichnet hatten, ließ sich durch das Zusam­men­finden der einander »fremden« Länder im Go zu einer auch kultu­rellen Nähe beider Völker überhöhen.

Aus den regel­mä­ßigen Kontakten zwischen den Spielern beider Nationen ragte der Aufenthalt des japani­schen Profi­meisters Fukuda Masayoshi hervor, der ebenfalls Schüler von Hon’inbō Shūsai gewesen war, späterhin den Rang 6 Dan erreichte und bei seinen Reisen durch Europa und Amerika länger als ein Jahr, von 1937 bis 1939, in Deutschland auftrat. Im Jahr 1937 erhielt das reichs­weite Go-Spiel schließlich feste organi­sa­to­rische Struk­turen: Der Deutsche Go-Bund wurde gegründet – und ernannte Felix Dueball zu seinem Ehrenpräsidenten.

Ein wohlbestelltes Haus und hohe Ehrungen

Der katastro­phische Ausgang des Zweiten Weltkrieges brachte die Entwicklung des Go-Spiels und der deutsch-japanischen Partner­schaften zeitweilig zum Erliegen. Privat lud Felix Dueball aller­dings schon bald wieder zu Go-Abenden in seine unzer­stört gebliebene Wohnung ein, und selbst während der Berlin-Blockade – bei Notbe­leuchtung – wurden die regel­mä­ßigen Treffen nicht mehr unter­brochen. Dieser Passion konnte sich Felix Dueball nach dem Erreichen des Pensi­ons­alters aller­dings nicht unein­ge­schränkt widmen: Der allge­meine Lehrer­mangel in der frühen Nachkriegszeit führte dazu, dass er weiterhin im Schul­dienst tätig bleiben musste und erst 1949 in den wohlver­dienten Ruhestand gehen konnte.

Nach der Gründung der Bundes­re­publik norma­li­sierten und stabi­li­sierten sich die Verhält­nisse zunehmend. Dazu gehörte auch die Wieder­auf­nahme von inter­na­tio­nalen Kontakten, denn nun konnte Felix Dueball auch wieder japanische Gäste begrüßen, und der ­Nihon Ki-in begann, seinem hohen Respekt vor dem Nestor des Go-Spiels in Deutschland durch die Verleihung weiterer Dan-Grade (des zweiten bis fünften) Ausdruck zu verleihen: 1951 erhielt Felix Dueball das Nidan‑, 1954 das Sandan- und 1958 das Yondan-Diplom, dem am 20. März 1960 – zum 80. Geburtstag – der Godan-Rang folgte. 

Als Ehren­prä­sident des 1952 wieder­ge­grün­deten Deutschen Go-Bundes konnte er die organi­sa­to­rische Arbeit jüngeren Kräften überlassen. Zudem fanden an vielen Orten etliche Go-Abende statt, so dass er Gäste nur noch zu beson­deren Anlässen zu sich nach Hause einlud. Obwohl er in den späteren Jahren schwere Partien, die er als zu anstrengend empfand, mied, war er doch unermüdlich darum bemüht, das Go-Spiel zu verbreiten und schwä­chere Spieler durch Lehrpartien zu fördern. Es war ihm eine Freude, die weitere Verbreitung des Go nicht nur in Deutschland, sondern auch in ­Europa zu erleben: Bis 1965 nahm er (mit Ausnahme des Jahres 1958) an jedem jährlich statt­fin­denden ­Europäi­schen Go-Kongress teil.

1963 erhielt Felix Dueball für sich und seine Frau eine Einladung, anlässlich des ersten inter­na­tio­nalen Go-Turniers im Oktober dieses Jahres für einen Monat nach Tokyo zu reisen. Dort gab es ein freudiges Wieder­sehen mit vielen alten Freunden. – 1964 zeichnete die Go-Akademie ihn mit der Baron-Ôkura-Nadel aus, und im gleichen Jahr übersandte man ihm als Reprä­sen­tanten des Deutschen Go-Bundes fünf Schrift­rollen mit kalli­gra­phisch gestal­teten Sinnsprüchen, die jeweils von einem der großen Go-Meister dieser Zeit verfasst worden waren. Dieses Präsent hatten die Frau und die Kinder des 1960 plötzlich verstor­benen Unter­nehmers und Go-Enthusiasten Yoshio Bannai zur Erinnerung an ihren Mann bzw. Vater für Felix Dueball anfer­tigen lassen.

Der vielfach Geehrte konnte seinen 90. Geburtstag noch im Kreise der Familie feiern. Einige Monate später ist er nach kurzem Kranken­lager am 8. Oktober 1970 verstorben. Auf diesen Tag datierte der Nihon Ki-in die Urkunde, durch die er Felix Dueball den sechsten Dan-Grad, den Rokudan, ehren­halber zuerkannte; und ebenfalls postum verlieh ihm Seine Majestät, der Kaiser von Japan, zeitgleich die fünfte Klasse des Ordens zum heiligen Schatz.


Bis 1940 war Felix Dueball unange­fochten der stärkste deutsche Go-Spieler. Dann begann aller­dings sein ältester Sohn, ihm diesen Rang streitig zu machen. Dr. Fritz Dueball hatte – wie auch seine beiden jüngeren Geschwister – das Go-Spiel von Kindes­beinen an gelernt und konnte bereits 1938 die erste überhaupt ausge­tragene Europa­meis­ter­schaft für sich entscheiden. Seitdem war er für lange Zeit einer der stärksten deutschen Spieler. Auch Jürgen Dueball, der Sohn von Fritz, spielte etwa 4 Dan und stand bei seinem Tode im Jahre 2002 zudem im Schach-Spiel kurz vor dem Rang eines Großmeisters. So fiel die Begabung von Felix Dueball, seine Begeis­terung für das Go erfolg­reich weiter­ver­mitteln zu können, sogar in seiner ­eigenen Familie auf frucht­baren Boden. 


»Go« höher als »Schach«

Felix Dueball war in seiner Jugend ein eifriger Schach­spieler und gehörte der Schach­gruppe der Berliner »Finken­schaft« an. Aufgrund dieser Kennt­nisse und Erfah­rungen hat er dieses Spiel späterhin immer wieder kennt­nis­x­reich mit dem Go verglichen. Dabei hat er den Unter­schied zwischen dem in Deutschland vertrauten Schach und dem noch kaum bekannten Go häufig struk­turell erläutert. Darüber hinaus hat er die Differenz aber des Öfteren auch quali­tativ bewertet. Auf diese Weise bemühte er sich, andere Menschen für das Go-Spiel zu gewinnen, indem er ihnen z. B. in Bezug auf die Komple­xität oder die Varia­bi­lität der Spiel­ab­läufe dessen Überle­genheit vor Augen führte.

Diesen Stand­punkt entfaltet Felix Dueball in seinem Artikel »Go höher als Schach«, der hier auszugs­weise zitiert wird:

Wer sowohl das Schach- wie auch das Go-Spiel einge­hender kennt, räumt diesem vor jenem ganz entschieden in Bezug auf die Fülle, Tiefe und den Reiz der Kombi­na­tionen den ersten Platz ein. Wie schwierig das Spiel sein muß, kann man schon ganz mecha­nisch aus der Zeitdauer schließen, die den Meistern höheren Grades für die Beendigung einer Partie zugebilligt wird: In gewöhn­lichen Turnieren 11 + 11 = 22 Stunden, in ernsten Wettkämpfen noch mehr. Wenn wir also als Durch­schnitts­menge einer Schach­partie 40 Doppelzüge annehmen und dem Meister für je 20 Züge eine Stunde zubil­ligen, so würde die Turnier­schach­partie durch­schnittlich vier Stunden dauern. Während bei Schach für die Bewegung der Figuren ziemlich willkür­liche Regeln, wie z. B. die Rochade, Gang des Springers, Aufstellung der Figuren, festge­setzt sind, folgen beim Go-Spiel aus den beiden Grund­regeln, dem Setzen und dem Einschließen, alle anderen mit mathe­ma­ti­scher Notwen­digkeit. Ein weiterer Vorzug des Go-Spiels ist, dass bei ihm das Unent­schieden in weniger als ein Tausendstel aller Fälle vorkommt, während man schon von dem sogenannten Remis-Tod des Schachs spricht. Beim letzten Weltmeister-Wettkampf war die Zahl der Unent­schieden viel größer als der entschie­denen Partien. […]

Der Verfasser hatte, obgleich er nur ein schwacher Go-Spieler ist, das große Glück, von einem Mäzen auf ein ganzes Jahr nach Tokyo einge­laden zu werden, um dieses herrliche Spiel an der Quelle, dem Nihon Kiin [der japani­schen Go-Akademie], studieren zu können. Jeden­falls ist das Go-Spiel eines der schönsten Geschenke, das Europa der ostasia­ti­schen Kultur verdankt.

Felix Dueball: »›Go‹ höher als ›Schach‹«. In: Nippon – Zeitschrift für Japano­logie, Jg. 1936, S. 98f.

Einige Zeit nach den ersten Vorbe­rei­tungen dieses Beitrags stellte sich heraus, dass Felix Dueball jüngst auch in seiner Heimat­stadt wieder Beachtung findet: Eine Gruppe von Go-Spielern hat sich das Ziel gesetzt, neuerlich an diesen bedeu­tenden Sohn Jastrows zu erinnern und die heutigen Bewohner für sein Leben und Wirken zu inter­es­sieren. Deshalb fand am 13. und 14. Mai dieses Jahres als 1. Felix Dueball Memorial ein Turnier statt, über das wir im Panorama der nächsten Ausgabe ausführ­licher berichten werden.

Die DW-Redaktion