Die Geschichte eines Go-Pioniers und ‑Meisters
Von Günter Cießow und Erik Fischer
Das Go-Spiel, Japan und das Renommee des »Dr. Dueball«
Das Go-Spiel ist in Westpreußen nicht heimisch gewesen, und auch heute steht es – unabhängig von den durchaus erfolgreichen Bemühungen des Deutschen Go-Bundes – gewiss nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Einiges internationales Aufsehen erregte dieses Strategie-Brettspiel allerdings durch einen Vorgang, der sich Ende der 2010er Jahre vollzogen hat und der heute wie ein Vorspiel zur aktuell heftig aufbrandenden Diskussion über »Künstliche Intelligenz« (KI) anmutet: 2016 trat der junge, gerade 33 Jahre alte Koreaner Lee Sedol, zu dieser Zeit einer der weltbesten Go-Spieler, in einem spektakulären Wettkampf gegen das von DeepMind entwickelte Computer-Programm AlphaGo an, und während er zunächst noch angekündigt hatte, in diesem Schaukampf eines Menschen gegen einen Rechner »haushoch« zu gewinnen, gelang es ihm lediglich, eine der fünf angesetzten Partien für sich zu entscheiden.
Drei Jahre später hatte die Selbstoptimierung künstlicher neuronaler Netze derartige Fortschritte gemacht, dass das neue KI-Programm AlphaZero schon als unschlagbar galt – und die bemerkenswerte Konsequenz zeitigte, dass sich Lee Sedol vom Go-Sport völlig zurückzog. – Diese Geschichte lässt deutlich werden, dass Go, das in der Spielkultur Ostasiens offenbar eine erheblich größere allgemeine Wertschätzung genießt als in der westlichen Hemisphäre, um ein Vielfaches komplexer und vertrackter ist als Schach. Immerhin war es dem Schachcomputer DeepBlue bereits 1996 gelungen, erstmals in einer Partie mit einer regulären Zeitkontrolle gegen einen amtierenden Weltmeister – Garri Kasparow – zu obsiegen.
Einen ersten, intensiven Eindruck von Go und dessen Einbettung speziell in die japanische Kultur vermag ein halbdokumentarischer Roman zu vermitteln, dessen Handlungskern im Grunde von einem einzigen Go-Spiel gebildet wird. Es handelt sich um die legendäre Partie zwischen dem älteren Hon’inbō Shūsai, dem letzten Träger des persönlichen Hon’inbō-Titels, und dem um 35 Jahre jüngeren Kitani Minoru, die an fünfzehn Spieltagen zwischen dem 26. Juni und dem 4. Dezember 1938 ausgetragen worden ist und in der letztlich der ehrwürdige alte Meister, der »Meijin«, als Repräsentant eines tiefen, philosophisch verankerten Spielverständnisses dem Vertreter einer neuen Generation von hochprofessionellen Spielern unterliegt. Meijin1 lautet auch der Titel dieses Romans. Er wurde im Jahr 1954 von Kawabata Yasunari veröffentlicht, der späterhin (1968) als erster Japaner mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden ist.
Sofern sich ein westlicher Leser, selbst wenn er mit dem Go-Spiel kaum vertraut ist, auf die Lektüre dieses Buches einlässt, wird ihn die sensible und fein differenzierende Schilderung einer von Traditionen, Hierarchien, hohen moralischen Werten und strengen Verhaltensnormen bestimmten Welt bald in ihren Bann schlagen. Überdies wird ihm auf seinem Wege eine nicht-fiktive Person begegnen, die eine enge Verbindung zwischen dem Go-Spiel und der japanischen Kultur und Gesellschaft der späten 1930er einerseits und – einem Westpreußen andererseits deutlich werden lässt: Felix Dueball aus Jastrow (dem der Autor Kawabata respektvoll, aber fälschlicherweise einen Doktortitel zuerkannt hat). Die erste Erwähnung, die sich im 22. Kapitel findet, lautet (S. 79):
Dr. Felix Dueball, der sich in Japan [im] Go [weitergebildet] hatte, nach Deutschland zurückgegangen und als der »Deutsche Honinbo« bekannt war, sandte dem Meijin ein Glückwunschtelegramm zum Anlass seiner letzten Partie. In der Morgenausgabe der Nichinichi war ein Foto der beiden Spieler, wie sie das Telegramm lasen.
Späterhin – im 28. Kapitel – spricht der Erzähler von dem wachsenden Interesse, das Go in Europa und sogar in Amerika inzwischen entgegengebracht würde, und hebt dabei anerkennend hervor, »dass es in Dr. Dueballs Deutschland mehr als fünftausend Anhänger des Spiels« gebe (S. 99).
Diese beiden Hinweise auf einen Deutschen, dem in Kawabatas Go-Roman einesteils die ehrwürdige Auszeichnung eines überragenden Go-Meisters – »Hon’inbō« – zugesprochen wird und dem es andernteils gelungen ist, das Spiel bei seinen Landsleuten nicht nur bekannt zu machen, sondern auch erfolgreich zu verbreiten, zeugen von dem (immer noch fortwährenden) hohen Renommee, das Felix Dueball in Japan erworben hatte. Aufgrund dieses Sachverhalts erscheint es geradezu überfällig, dass das Leben und die Karriere eines Mannes, der nicht zuletzt im Wikipedia-Eintrag »Jastrowie« als bedeutender Sohn seiner Heimatstadt genannt wird, auch im Westpreußen ausführlicher gewürdigt werden.
Von Jastrow nach Berlin
Felix Dueball wurde am 20. 3. 1880 in Jastrow geboren. Der Vater war in dieser Stadt Beamter im Gerichtswesen. Noch im selben Jahr zog die Familie in die Kreisstadt Deutsch-Krone, und nach Versetzungen des Vaters ging die Familie zunächst 1883 nach Schwerin an der Warthe und dann, im Oktober 1888, nach Wongrowitz in der Provinz Posen. Dort bestand Felix Dueball 1901 das Abitur, bezog im Anschluss – nach einem neuerlichen Umzug der Familie – die Universität Berlin und legte im April 1906 das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab.
Nach dem Referendariat, das ihn nach Tremessen, Bromberg und Posen führte, wurde er im April 1908 zum »Königlichen Oberlehrer« ernannt und erhielt seine erste Stelle in Gnesen. Danach folgte 1911, ebenfalls in der Provinz Posen gelegen, die Stadt Rawitsch, bis eine Bewerbung um eine Anstellung in Charlottenburg Erfolg hatte und die Familie von Felix Dueball im April 1919 dorthin zog – in eine Wohnung, in der er nun volle 50 Jahre lang lebte. Hier traf ihn 1925 mit dem Tode seiner erst 40-jährigen Frau ein schwerer Schicksalsschlag; da er inzwischen drei Kinder zu versorgen hatte, ging er noch im gleichen Jahr eine zweite Ehe ein.
Als Student war Felix Dueball, ebenso wie sein Kommilitone und Freund Max Lange, ein eifriger und starker Schachspieler. Nachdem Max Lange 1904 eher zufälligerweise in Velhagen & Klasings Monatsheften einen Artikel über ostasiatische Brettspiele gelesen hatte, nahmen die beiden Freunde diese Spur auf, sammelten weitere, nur spärlich verfügbare Informationen und bastelten aus einem Pappbrett und Briefverschlussmarken ein Spielbrett. Andere Freunde kamen hinzu und bildeten einen ersten kleinen Kreis von begeisterten Go-Spielern.
Da seine berufliche Tätigkeit Dueball lange Jahre von Berlin fernhielt und die Bemühungen, andere Menschen für dieses Spiel zu interessieren, fehlschlugen, musste er sich auf Fernpartien beschränken. Erst mit seinem Umzug nach Charlottenburg (das kurz darauf zu einem Teil von Groß-Berlin wurde) trat eine Wende ein. Auf sein Betreiben trafen sich die Go-Freunde jeden Dienstagabend im Schachsaal verschiedener Cafés. Nur ganz besondere Umstände wie Urlaub, Krankheit oder Feiertage konnten ihn veranlassen, einen Go-Abend auszulassen.
Unermüdlich bemühte er sich weiterhin, Go populärer zu machen und auch Anfänger in das Spiel einzuführen, wobei er stets darauf achtete, sie nicht zu überfordern, sondern ihre Spielstärke und die Freude am Spiel zu fördern. Als »ungekrönter König« dieses Kreises hielt er die anderen Spieler an, sich in gleicher Weise für den Nachwuchs zu engagieren. Ein besonderes Vergnügen bereitete es ihm schließlich, japanische Go-Freunde einladen und bei diesen Gelegenheiten auch einmal auf stärkere Gegner treffen zu können.
Japan – und eine telegraphische Fernpartie
Der zunehmende Kontakt mit japanischen Spielern brachte es mit sich, dass auch in der Presse ihres Heimatlandes über das Go-Spiel in Deutschland und über den jahrzehntelang unangefochten stärksten deutschen Go-Spieler – Felix Dueball – berichtet wurde. So bildete sich halb scherz‑, halb ernsthaft die Bezeichnung Doitsu Hon’inbō, der »Deutsche Großmeister«, heraus. Auf diese Weise wiederum wurden weitere japanische Go-Spieler auf die entsprechende Szene in Deutschland aufmerksam und nahmen, wenn sie Deutschland besuchten, häufig Kontakt mit Felix Dueball auf.
Einer der großen Förderer des Go-Spiels, Baron Ôkura, lud schließlich Felix Dueball mit seiner Frau für ein Jahr nach Japan ein. Damit ging der Traum seines Lebens in Erfüllung: Am 3. April 1930 verließ das Ehepaar Berlin und traf nach längerer Reise mit der Hakozaki-Maru am 20. Mai 1930 in Tokyo ein.
Ein unvergessliches Jahr folgte: Viele ehrende Einladungen, das Wiedersehen alter wie das Kennenlernen neuer japanischer Freunde, herrliche Reisen zu Japans Naturschönheiten und für Felix Dueball das Spielen im Nihon Ki-in, der japanischen Go-Akademie, mit Berufsmeistern und – als Krönung dieser faszinierenden Erlebnisse – ein Spiel mit Hon’inbō Shūsai, dem Meijin. Gegen Ende seines Aufenthaltes, am 1. Mai 1931 erhielt Felix Dueball das Diplom über den Shodan, den Anfangsrang der Fortgeschrittenen – und Meistergrade. – Am 16. 5. 1931 verließ das Ehepaar dann, von vielen Freunden verabschiedet, Tokyo wieder und kehrte, nach mehreren Reiseunterbrechungen, am 16. 6. 1931 nach Berlin zurück.
Dieser Ankunftstag in Berlin war ein Dienstag, und so war es für Felix Dueball selbstverständlich, gleich zu seinem Go-Abend zu gehen. Ein Go-Abend in der Woche erschien ihm nun aber als zu wenig. Deshalb bot er jeweils sonnabends in seiner Wohnung einen weiteren regelmäßigen Termin an. Besonders gern gesehene Gäste waren Herren der japanischen Kolonie. Sie luden im Gegenzug auch ihrerseits deutsche Go-Spieler zu Spielabenden in ihre Häuser oder in den japanischen Club ein, der sich an der Ecke Kaiserallee / Trautenaustraße befand.
Dieser intensive Kulturaustausch rückte in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit, als zwei japanische Zeitungen – Tokyo nichi-nichi und Osaka mai-nichi – sowie der Völkische Beobachter 1936 übereinkamen, eine telegraphische Fernpartie zwischen Japan und Deutschland zu finanzieren. Dabei trat der frühere japanische Kultusminister Hatoyama Ichirō, ein starker Amateurspieler und späterer Ministerpräsident seines Landes, gegen den amtierenden Europameister Felix Dueball an. Zug um Zug wurde über diese Partie berichtet. Sie begann im September und endete nach 50 Spieltagen im November mit einem knappen Sieg von Exzellenz Hatoyama.
Dieser »ferndrahtlich ausgetragene Wettkampf im ›GO‹« hatte, wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1937 berichtete, »so viel Anteilnahme gefunden, dass der Gau Berlin der NS-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹ sich entschlossen hat, im kommenden Jahr in Berlin zwanzig Go-Lehrkurse zu veranstalten«. Diese Entscheidung der KdF-Funktionäre war der Popularisierung des Go sicherlich höchst förderlich; sie zeigt zugleich aber unmissverständlich, wie nachdrücklich sich die nationalsozialistischen Machthaber jetzt dieses Spiels bemächtigten und die Zirkel der Go-Enthusiasten für ihre Zwecke funktionalisierten: Die machtpolitisch begründete Allianz zwischen dem Deutschen Reich und dem Japanischen Kaiserreich, die im November 1936 den Antikominternpakt unterzeichnet hatten, ließ sich durch das Zusammenfinden der einander »fremden« Länder im Go zu einer auch kulturellen Nähe beider Völker überhöhen.
Aus den regelmäßigen Kontakten zwischen den Spielern beider Nationen ragte der Aufenthalt des japanischen Profimeisters Fukuda Masayoshi hervor, der ebenfalls Schüler von Hon’inbō Shūsai gewesen war, späterhin den Rang 6 Dan erreichte und bei seinen Reisen durch Europa und Amerika länger als ein Jahr, von 1937 bis 1939, in Deutschland auftrat. Im Jahr 1937 erhielt das reichsweite Go-Spiel schließlich feste organisatorische Strukturen: Der Deutsche Go-Bund wurde gegründet – und ernannte Felix Dueball zu seinem Ehrenpräsidenten.
Ein wohlbestelltes Haus und hohe Ehrungen
Der katastrophische Ausgang des Zweiten Weltkrieges brachte die Entwicklung des Go-Spiels und der deutsch-japanischen Partnerschaften zeitweilig zum Erliegen. Privat lud Felix Dueball allerdings schon bald wieder zu Go-Abenden in seine unzerstört gebliebene Wohnung ein, und selbst während der Berlin-Blockade – bei Notbeleuchtung – wurden die regelmäßigen Treffen nicht mehr unterbrochen. Dieser Passion konnte sich Felix Dueball nach dem Erreichen des Pensionsalters allerdings nicht uneingeschränkt widmen: Der allgemeine Lehrermangel in der frühen Nachkriegszeit führte dazu, dass er weiterhin im Schuldienst tätig bleiben musste und erst 1949 in den wohlverdienten Ruhestand gehen konnte.
Nach der Gründung der Bundesrepublik normalisierten und stabilisierten sich die Verhältnisse zunehmend. Dazu gehörte auch die Wiederaufnahme von internationalen Kontakten, denn nun konnte Felix Dueball auch wieder japanische Gäste begrüßen, und der Nihon Ki-in begann, seinem hohen Respekt vor dem Nestor des Go-Spiels in Deutschland durch die Verleihung weiterer Dan-Grade (des zweiten bis fünften) Ausdruck zu verleihen: 1951 erhielt Felix Dueball das Nidan‑, 1954 das Sandan- und 1958 das Yondan-Diplom, dem am 20. März 1960 – zum 80. Geburtstag – der Godan-Rang folgte.
Als Ehrenpräsident des 1952 wiedergegründeten Deutschen Go-Bundes konnte er die organisatorische Arbeit jüngeren Kräften überlassen. Zudem fanden an vielen Orten etliche Go-Abende statt, so dass er Gäste nur noch zu besonderen Anlässen zu sich nach Hause einlud. Obwohl er in den späteren Jahren schwere Partien, die er als zu anstrengend empfand, mied, war er doch unermüdlich darum bemüht, das Go-Spiel zu verbreiten und schwächere Spieler durch Lehrpartien zu fördern. Es war ihm eine Freude, die weitere Verbreitung des Go nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa zu erleben: Bis 1965 nahm er (mit Ausnahme des Jahres 1958) an jedem jährlich stattfindenden Europäischen Go-Kongress teil.
1963 erhielt Felix Dueball für sich und seine Frau eine Einladung, anlässlich des ersten internationalen Go-Turniers im Oktober dieses Jahres für einen Monat nach Tokyo zu reisen. Dort gab es ein freudiges Wiedersehen mit vielen alten Freunden. – 1964 zeichnete die Go-Akademie ihn mit der Baron-Ôkura-Nadel aus, und im gleichen Jahr übersandte man ihm als Repräsentanten des Deutschen Go-Bundes fünf Schriftrollen mit kalligraphisch gestalteten Sinnsprüchen, die jeweils von einem der großen Go-Meister dieser Zeit verfasst worden waren. Dieses Präsent hatten die Frau und die Kinder des 1960 plötzlich verstorbenen Unternehmers und Go-Enthusiasten Yoshio Bannai zur Erinnerung an ihren Mann bzw. Vater für Felix Dueball anfertigen lassen.
Der vielfach Geehrte konnte seinen 90. Geburtstag noch im Kreise der Familie feiern. Einige Monate später ist er nach kurzem Krankenlager am 8. Oktober 1970 verstorben. Auf diesen Tag datierte der Nihon Ki-in die Urkunde, durch die er Felix Dueball den sechsten Dan-Grad, den Rokudan, ehrenhalber zuerkannte; und ebenfalls postum verlieh ihm Seine Majestät, der Kaiser von Japan, zeitgleich die fünfte Klasse des Ordens zum heiligen Schatz.
Bis 1940 war Felix Dueball unangefochten der stärkste deutsche Go-Spieler. Dann begann allerdings sein ältester Sohn, ihm diesen Rang streitig zu machen. Dr. Fritz Dueball hatte – wie auch seine beiden jüngeren Geschwister – das Go-Spiel von Kindesbeinen an gelernt und konnte bereits 1938 die erste überhaupt ausgetragene Europameisterschaft für sich entscheiden. Seitdem war er für lange Zeit einer der stärksten deutschen Spieler. Auch Jürgen Dueball, der Sohn von Fritz, spielte etwa 4 Dan und stand bei seinem Tode im Jahre 2002 zudem im Schach-Spiel kurz vor dem Rang eines Großmeisters. So fiel die Begabung von Felix Dueball, seine Begeisterung für das Go erfolgreich weitervermitteln zu können, sogar in seiner eigenen Familie auf fruchtbaren Boden.
»Go« höher als »Schach«
Felix Dueball war in seiner Jugend ein eifriger Schachspieler und gehörte der Schachgruppe der Berliner »Finkenschaft« an. Aufgrund dieser Kenntnisse und Erfahrungen hat er dieses Spiel späterhin immer wieder kenntnisxreich mit dem Go verglichen. Dabei hat er den Unterschied zwischen dem in Deutschland vertrauten Schach und dem noch kaum bekannten Go häufig strukturell erläutert. Darüber hinaus hat er die Differenz aber des Öfteren auch qualitativ bewertet. Auf diese Weise bemühte er sich, andere Menschen für das Go-Spiel zu gewinnen, indem er ihnen z. B. in Bezug auf die Komplexität oder die Variabilität der Spielabläufe dessen Überlegenheit vor Augen führte.
Diesen Standpunkt entfaltet Felix Dueball in seinem Artikel »Go höher als Schach«, der hier auszugsweise zitiert wird:
Wer sowohl das Schach- wie auch das Go-Spiel eingehender kennt, räumt diesem vor jenem ganz entschieden in Bezug auf die Fülle, Tiefe und den Reiz der Kombinationen den ersten Platz ein. Wie schwierig das Spiel sein muß, kann man schon ganz mechanisch aus der Zeitdauer schließen, die den Meistern höheren Grades für die Beendigung einer Partie zugebilligt wird: In gewöhnlichen Turnieren 11 + 11 = 22 Stunden, in ernsten Wettkämpfen noch mehr. Wenn wir also als Durchschnittsmenge einer Schachpartie 40 Doppelzüge annehmen und dem Meister für je 20 Züge eine Stunde zubilligen, so würde die Turnierschachpartie durchschnittlich vier Stunden dauern. Während bei Schach für die Bewegung der Figuren ziemlich willkürliche Regeln, wie z. B. die Rochade, Gang des Springers, Aufstellung der Figuren, festgesetzt sind, folgen beim Go-Spiel aus den beiden Grundregeln, dem Setzen und dem Einschließen, alle anderen mit mathematischer Notwendigkeit. Ein weiterer Vorzug des Go-Spiels ist, dass bei ihm das Unentschieden in weniger als ein Tausendstel aller Fälle vorkommt, während man schon von dem sogenannten Remis-Tod des Schachs spricht. Beim letzten Weltmeister-Wettkampf war die Zahl der Unentschieden viel größer als der entschiedenen Partien. […]
Der Verfasser hatte, obgleich er nur ein schwacher Go-Spieler ist, das große Glück, von einem Mäzen auf ein ganzes Jahr nach Tokyo eingeladen zu werden, um dieses herrliche Spiel an der Quelle, dem Nihon Kiin [der japanischen Go-Akademie], studieren zu können. Jedenfalls ist das Go-Spiel eines der schönsten Geschenke, das Europa der ostasiatischen Kultur verdankt.
Felix Dueball: »›Go‹ höher als ›Schach‹«. In: Nippon – Zeitschrift für Japanologie, Jg. 1936, S. 98f.
Einige Zeit nach den ersten Vorbereitungen dieses Beitrags stellte sich heraus, dass Felix Dueball jüngst auch in seiner Heimatstadt wieder Beachtung findet: Eine Gruppe von Go-Spielern hat sich das Ziel gesetzt, neuerlich an diesen bedeutenden Sohn Jastrows zu erinnern und die heutigen Bewohner für sein Leben und Wirken zu interessieren. Deshalb fand am 13. und 14. Mai dieses Jahres als 1. Felix Dueball Memorial ein Turnier statt, über das wir im Panorama der nächsten Ausgabe ausführlicher berichten werden.
Die DW-Redaktion