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Zum guten Schluss

Die Kunst­ma­le­rin Ire­na Pikiel-Samorewicz war im April 1945 von Wil­na nach Brom­berg gekom­men, und kur­ze Zeit spä­ter griff das Kul­tur­mi­nis­te­ri­um einen von ihr ent­wi­ckelt Vor­schlag auf und beauf­trag­te sie, das ers­te Pup­pen­thea­ter in Pom­me­rel­len zu grün­den. Es wur­de offi­zi­ell Baj Pomor­ski [Pom­mer­scher Mär­chen­er­zäh­ler] genannt und erhielt Räum­lich­kei­ten in einem Gebäu­de des ehe­ma­li­gen Schlacht­hau­ses, in dem wäh­rend des Krie­ges ein deut­sches Pup­pen­thea­ter behei­ma­tet gewe­sen war. Dort fand schon am 28. Okto­ber 1945 die ers­te Auf­füh­rung für Kin­der statt. Die Arbeits­be­din­gun­gen waren aber kei­nes­wegs zufrie­den­stel­lend. Des­halb akzep­tier­te Ire­na Pikiel-Samorewicz das Ange­bot, ihr Domi­zil in Thorn zu neh­men, und zwar in dem nahe der Deutsch­or­dens­burg gele­ge­nen Haus in der ul. Pier­ni­kars­ka (Brau­er­gas­se) Nr. 9. An die­sem Ort war übri­gens am 16. Sep­tem­ber 1923 in Anwe­sen­heit von etwa 3.000 Bür­gern das Deut­sche Heim, das Kul­tur­haus für die nach 1920 in Thorn und der Umge­bung ver­blie­be­nen Deut­schen, ein­ge­weiht wor­den. – Die ers­ten Pup­pen­spie­ler waren Stu­den­ten der neu gegrün­de­ten Nikolaus-­Kopernikus-Universität. Unter der Anlei­tung erfah­re­ner pol­ni­scher Inter­pre­ten und Regis­seu­re mach­ten sie sich mit den Geheim­nis­sen die­ser beson­de­ren Form des Thea­ters ver­traut. Die Arbeits­be­din­gun­gen waren auch in Thorn nicht leicht. Trotz­dem gab das Thea­ter vie­le Auf­füh­run­gen vor Ort und gas­tier­te sogar in ande­ren pol­ni­schen Regio­nen. Bald stell­ten sich ers­te Erfol­ge und Prei­se ein, und dar­aus folgt wie­der­um, dass das Thor­ner Pup­pen­thea­ter 1950 zu einer staat­li­chen Insti­tu­ti­on wur­de :  Die finan­zi­el­le Sicher­heit wur­de somit durch eine hohe Abhän­gig­keit von der Kul­tur­po­li­tik des Lan­des erkauft. Immer­hin wur­de das Haus jetzt tief­grei­fend moder­ni­siert. Damals rea­li­sier­te es auch die ers­te Auf­füh­rung für Erwach­se­ne, und zwar Shake­speares Som­mer­nachts­traum. Die 1960er Jah­re führ­ten mit dem Bemü­hen um neue Aus­drucks­for­men zu einer kri­ti­schen Distanz gegen­über dem tra­di­tio­nel­len Pup­pen­thea­ter. Dar­auf­hin kam es zur Zusam­men­ar­beit mit aus­län­di­schen Thea­tern (ins­be­son­de­re auch mit dem­je­ni­gen in der Part­ner­stadt Göt­tin­gen), und die­se Ten­denz ver­stärk­te sich erst recht nach der 1989 ein­set­zen­den poli­ti­schen Wen­de in Euro­pa. Das inzwi­schen wie­der von der Stadt über­nom­me­ne Thea­ter ist seit 1999 Gast­ge­ber des renom­mier­ten Inter­na­tio­na­len Thor­ner Puppentheater-Festivals, das die gesamt Palet­te der künst­le­ri­schen For­men und Mög­lich­kei­ten – bis in höchst expe­ri­men­tel­le Ansät­ze hin­ein – berück­sich­tigt. Für die Stadt ist das Teatr Baj Pomor­ski mit sei­nen viel­fäl­ti­gen, offe­nen Ange­bo­ten für Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­se­ne eine kul­tu­rel­le Attrak­ti­on son­der­glei­chen. Die­se gro­ße Bedeu­tung unter­streicht nun auch das neue (auf unse­rem Foto abge­bil­de­te) Gebäu­de, das von Elż­bieta und Mate­usz Gro­choc­cy ent­wor­fen und am 5. Novem­ber 2006 ein­ge­weiht wor­den ist. Mit sei­ner ori­gi­nel­len Fas­sa­de, die an einen magi­schen Kas­ten erin­nert und von Märchen- und Sagen-Helden bevöl­kert wird, ist es zum archi­tek­to­nisch ori­gi­nells­ten und moderns­ten Thea­ter­ge­bäu­de in Polen geworden.

Text und Foto: Piotr Olecki