Panorama 2024/2025

Ein unent­behr­licher Beitrag zur deutschen Erinne­rungs­kultur. Das Westpreu­ßische Landes­museum konnte sein 50-jähriges Bestehen feiern
(Erik Fischer, 3/2025, S. 6ff.)

Filmar­chäo­logie statt Geschichtsdoku. Hermann Pölkings Kinofilm Ostpreußen – Entschwundene Welt. Die Jahre 1912 bis 1945
(Alexander Klein­schrodt, 3/2025, S. 9f.)

Das Pompeji von Thorn
(Zuzanna Foss, 3/2025, S. 10f.)


»Eine ganz andere Klientel im Haus als sonst« – Seit April 2024 leitet Martin Koschny kommis­sa­risch das Westpreu­ßische Landes­museum
(Die Fragen im Interview mit Martin Koschny stellte Alexander Klein­schrodt, 2/2025, S. 6f.)

Begegnung mit dem Danziger Auerochsen. Die früheren Wehran­lagen laden zu erhol­samen Spazier­gängen ein
(Ursula Enke, 2/2025, S. 8ff.)


Der Lech-Wałęsa-Flughafen Danzig. Eine Gratu­lation zum 50-jährigen Bestehen
(Peter Neumann, 4/2024, S. 5)

Geburts­tagsfest in der Kleinen Dreistadt – Rahmel feiert sein 800. Stadt­ju­biläum
(Magdalena Pasewicz-Rybacka, 3/2024, S. 7f.)


Westpreußen-Medaille 2024
(Ursula Enke, 3/2024, S. 6f.)


Eine Botschaft von Conrad Stein­brecht – Zeitkapsel im Marien­burger Alten Rathaus entdeckt
(WP-Redaktion, 2/2024, S. 8f.)

Eine faszi­nie­rende Reise mit der Zeitma­schine. Thorn – am 20. April 1924
(Zuzanna Foss, 2/2024, S. 6f.)


Endlich in ruhigerem Fahrwasser. Das Westpreu­ßische Landes­museum in Warendorf erhält eine kommis­sa­rische Leitung
(WP-Redaktion, 1/2024, S. 5)


Notizen aus …

Regel­mäßig berichten Korre­spon­den­tinnen und Korre­spon­denten aus der Dreistadt und den größeren Städten – neben Danzig, Zoppot und Gdingen werden dabei Elbing, Marienburg, Graudenz, Thorn und Bromberg berück­sichtigt. Die „Notizen“ infor­mieren somit in bunter Folge und breit gestreut über aktuelle Vorgänge in der Region.

Notizen aus …

… der Dreistadt

Sensa­ti­onsfund Auf dem Gelände der Deutsch­or­densburg in Danzig, die zwischen 1335 und 1341 errichtet und 1454 von den Bürgern der Stadt zerstört worden war, wurden im Juli ein Grab und die Überreste eines Sarges entdeckt. Dort fanden Archäo­logen ein nahezu vollstän­diges mensch­liches Skelett. Erste Unter­su­chungen ergaben, dass es zu einem kräftigen Mann von etwa 40 Jahren gehört hatte, der etwa 180 cm groß war und somit über einen für damalige Zeiten beein­dru­ckenden Körperbau verfügte. Er hatte zudem mehr als 700 Jahre lang unter einer etwa 150 cm langen Grabplatte geruht, auf der sich die Relief-Darstellung eines Ritters in voller Rüstung – mit Kettenhemd, Helm, Schild und Schwert – befand.
Die Platte konnte geborgen werden. Sie wies freilich Beschä­di­gungen auf und wurde in vier Fragmenten ins Archäo­lo­gische Museum gebracht, wo sie nun restau­riert, mit avancierter 3D-Software inven­ta­ri­siert, wissen­schaftlich erschlossen und möglichst detail­getreu rekon­struiert werden soll. Nach ersten Analysen stammt sie aus der Zeit des frühen 14. Jahrhun­derts, in der eine solch aufwändige Grabplatte ein Zeichen von hohem sozialem Rang war. Die Archäo­login Sylwia Kurzyńska erklärte, dass die Darstellung eines Ritters mit erhobenem Schwert und in aufrechter Haltung vermutlich auf einen Anführer, in jedem Falle aber auf eine besonders angesehene Persön­lichkeit hindeutet.
Die Identität des Ritters ist noch unbekannt; die Forscher werden sich aller­dings bemühen, Genaueres über seinen Status und seine Lebens­um­stände zu erfahren. Solange keine weiteren Details bekannt sind, wird er aufgrund der Außer­ge­wöhn­lichkeit dieses Fundes von den Wissen­schaftlern jetzt zunächst als »Ritter von Danzig« bezeichnet.

Ehrung eines Mäzens Danzig hat mit Karl Friedrich Freiherr von Conradi (1742–1798) feierlich einen seiner bedeu­tenden Bürger des 18. Jahrhun­derts geehrt: Am Mittwoch, dem 25. Juni, wurde an der Fassade des Hauses Jopen­gasse 3/4, in dem Conradi gelebt hatte, eine Gedenk­tafel enthüllt. Damit gehört der Stifter des Conra­dinums jetzt zu den – inzwi­schen 41 – Persön­lich­keiten bzw. histo­ri­schen Ereig­nissen, an die die Stadt seit 2018 mit einheitlich gestal­teten Tafeln im öffent­lichen Raum erinnert.
Trotz regne­ri­schen Wetters versam­melten sich zahlreiche Gäste, darunter Lehrer, unifor­mierte Schüler und das Fahnen­trä­ger­korps des heutigen Conra­dinums, einer Schifffahrts- und Allge­mein­bil­denden Schule (Szkoły Okrętowe i Ogólnoksz­tałcące), sowie Vertreter der Stadt und Anwohner. Schul­leiter Andrzej Butowski betonte in seiner Ansprache Conradis außer­ge­wöhn­liches Engagement für die Bildung der jungen Generation und gelobte, dass das Kollegium weiterhin darum bemüht sei, jedem jungen Menschen »in den Mauern unserer Schule« eine gute Ausbildung wie auch die Möglichkeit zu geben, seine Persön­lichkeit zu entfalten. Die Schule ist seit dem Jahr 1900 als Realschule im Stadtteil Langfuhr ansässig und feiert in diesem Jahr somit ihr 125-jähriges Bestehen; sie gilt als eine der angese­hensten techni­schen Schulen der Region.
Conradi, ein gebil­deter und weitge­reister Mann, lebte trotz seines hohen sozialen Status – er hatte von seiner Mutter neun Dörfer und zahlreiche Häuser in Danzig geerbt – gesell­schaftlich sehr zurück­ge­zogen und verfügte in seinem Testament von 1794, dass sein gesamtes Vermögen (von rund 600.000 Talern) zur Gründung eines Schul- und Erzie­hungs­in­stituts, des Conra­dinums, einge­setzt werden sollte. Damit wollte der Erblasser begabten Schülern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft einen Zugang zur humanis­ti­schen Bildung eröffnen. Wenn auch mit einer anderen Zielrichtung, lebt sein Vermächtnis bis heute fort. 

Adrian Wojta­szewski

 … Elbing

Hochwas­ser­alarm! Am Montag, dem 28. Juli, kam es in ganz Polen zu langen und inten­siven Regen­fällen. Dies führte zu erheb­lichen Überschwem­mungen. So ergoss sich das Wasser über die St. Johannis-Straße im Zentrum von Tolkemit als breiter Strom, der erheb­liche Schäden verur­sachte, und auch in Succase liefen viele Keller voll, so dass die Feuerwehr an beiden Orten zu etlichen Einsätzen ausrücken musste.
 Am nächsten Tag verwan­delte das von der Elbinger Höhe abflie­ßende Wasser die sonst ruhige, kleine Hommel am frühen Morgen in einen reißenden Fluss. Sie trat in der Nähe der Große-Zahler-Straße, der Petri-Straße und der Tannenberger-Allee über die Ufer und überschwemmte die dichte Bebauung in der Umgebung. Die Schäden werden auf mehrere Millionen Złoty geschätzt. Obwohl kein Alarm ausgelöst worden war, gelang es den Rettungs­kräften zumindest, die direkt an der Hommel gelegene Klinik (das ehemalige Diakonissen-Krankenhaus) vor dem anstei­genden Wasser zu schützen.
 Solch eine Katastrophe hatte sich in fast gleicher Weise schon im September 2017 ereignet. Vor diesem Horizont wurde nun deutlich, dass damals gefasste Pläne nicht reali­siert worden sind: In unmit­tel­barer Nähe des kommu­nalen Waldes »Vogelsang« sollte zur Minderung der Gefähr­dungen ein großes Rückhal­te­becken entstehen. Das dafür vorge­sehene Gelände wurde aber planiert. Unter dem Eindruck der aktuellen Probleme bemüht sich die Stadt nun darum, dieses frühere Vorhaben unver­züglich ins Werk zu setzen.
 Die Regen­mengen haben dann einen weiteren Tag später, am 30. Juli, zu einer massiven Überlastung des Hochwas­ser­schutz­systems der Elbinger Niederung geführt. Die Deiche wurden zu weiten Teilen durch­nässt und brachen am Fluss Sorge sogar an einigen Stellen. Etliche Acker­flächen wurden überflutet, und einer der Deiche ließ sich im unweg­samen Gebiet erst wieder schließen, nachdem ein Helikopter zu Hilfe gekommen war. Bartosz Skop

Bartosz Skop

… Thorn

Thorn unter der Sonne Italiens Am 18. Mai 1944 endeten nach vier Monaten die Schlachten am Monte Cassino. Aus diesem Anlass richtete die Stiftung des Militär­his­to­ri­schen Museums am 17. Mai eine Veran­staltung aus, die an diese für beide Seiten höchst verlust­reichen Kämpfe erinnerte. Die Feier­lich­keiten, die unter der Schirm­herr­schaft des Marschall­amtes der Woiwod­schaft Kujawien-Pommern sowie der Stadt standen, begannen in der Garni­sons­kirche von Thorn mit einer Kranz­nie­der­legung an der Gedenk­tafel für die Helden von Monte Cassino und dem Entzünden eines symbo­li­schen Lichts.
 Danach wurde auf dem Neustädter Markt­platz eine Freiluft­aus­stellung eröffnet, die detail­liert die Geschichte des 2. Polni­schen Korps und seiner Komman­deure in Italien präsen­tierte. Dabei wurden auch histo­rische Militär­fahr­zeuge, Origi­nal­waffen der polni­schen und deutschen Streit­kräfte sowie Uniformen und strate­gische Karten aus dieser Zeit gezeigt. Für eine Weile verwan­delte sich dieser Bereich Thorns nahezu in eine kleine italie­nische Stadt während der Kriegszeit. In dieser Atmosphäre konnten die Besucher vor einem spezi­ellen Monte-Cassino-Diorama Erinne­rungs­fotos aufnehmen und Militär­uni­formen und Helme anpro­bieren; und nicht zuletzt vermochten Kinder bei einem Malwett­bewerb Preise zu gewinnen.
 Den Höhepunkt des Tages bildete eine Parade durch die Straßen der Altstadt. Dabei wurden die Militär­märsche vom Ensemble Częstochowa Pipes & Drums intoniert, einem renom­mierten polni­schen Dudelsack-Orchester aus Tschen­stochau, das sich der Pflege der schot­ti­schen Musik­tra­dition verschrieben hat.

Festungsfest Am Wochenende des 31. Mai und 1. Juni fand – nun schon zum dritten Male  – das »Fest der Thorner Festung« (III Święto Twierdzy Toruń) statt. Am Samstag konnten bevorzugt die Festungs­bauten auf dem rechten Weich­selufer (I, IV, VI, VII und VIII) sowie das Militär­his­to­rische Museum und das Thorner Festungs­museum (Muzeum Twierdzy Toruń) besichtigt werden. An diesem Tag wurde zudem ein buntes Unter­hal­tungs­pro­gramm mit einer Festungs­rallye, einem Picknick, Ausstel­lungen heutiger und histo­ri­scher Waffen­systeme, Übungen im Luftgewehr- oder Bogen­schießen, einer Lebkuchen-Bäckerei und einem abend­lichen Lager­feuer angeboten. Am Sonntag standen dann die Festungen am gegen­über­lie­genden Ufer des Flusses (XII, XIV und XV) sowie das »Museum der Panzer­bat­terie« (Muzeum Forty­fi­kacji Pancernej) im Mittel­punkt. 
 Die regel­mäßige Organi­sation dieses Festes eröffnet den Einhei­mi­schen und Touristen eine seltene Gelegenheit, die sonst unzugäng­lichen Festungs­bauten zu erkunden, und schärft das Bewusstsein für das regionale Kulturerbe, zu dem wesentlich auch die Militär­ge­schichte von Thorn gehört. Die gesamte Anlage entstand zwischen 1872 und 1894, als es dem Generalstab des Deutschen Reichs notwendig schien, an der Ostgrenze zu Russland über ein mächtiges Vertei­di­gungs­system verfügen zu können. Damals wurden dafür über 60 Millionen Mark verausgabt, und der Bau, an dem etwa 25 % der Einwohner beteiligt waren, gab der wirtschaft­lichen Entwicklung Thorns nachhaltige Impulse. Ungeachtet aller Inves­ti­tionen spielte die Festung im Ersten Weltkrieg aller­dings keine nennens­werte Rolle. Im Zweiten Weltkrieg richteten die deutschen Behörden dann im Fort VII ein Polizei­ge­fängnis ein, während andere Anlagen für das Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager Stalag XXA Thorn genutzt wurden, das polnische, britische, franzö­sische, austra­lische und sowje­tische Soldaten aufnahm.
 Das Engagement für die Thorner Festungen soll schließlich auch die öffent­liche Aufmerk­samkeit darauf lenken, dass sich viele dieser Bauwerke in einem erbar­mungs­wür­digen Zustand befinden – überwu­chert von Vegetation, mit bröckelnden Ziegeln, fehlenden Metall­teilen und oft als Unter­schlupf für Obdachlose genutzt. Bedeu­tende Teile gehören privaten Besitzern, was in diesem Fall selten Gutes verheißt, denn es bedeutet oft, dass nichts zur Rettung der Bausub­stanz unter­nommen wird. Einige der Eigen­tümer lehnen sogar explizite Angebote von ehren­amt­lichen Vereinen ab, sie bei notwen­digen Restau­rie­rungs­ar­beiten zu unter­stützen – und sind zuweilen nicht einmal bereit, überhaupt Inter­es­senten den Zugang zu gewähren.

Zuzanna Foss