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Die Kulturstiftung Westpreußen

Das erste Jahr mit dem »neuen« Museum

»Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen«? Wer sich hin­ter die­sem Namen ver­birgt, war vor weni­gen Jah­ren noch weit­ge­hend unbe­kannt. Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer an der Bun­des­ver­samm­lung der Lands­mann­schaft West­preu­ßen beka­men zwar einen jähr­li­chen Bericht, der über Vor­stands­sit­zun­gen sowie über Vor­gän­ge und Arbei­ten im West­preu­ßi­schen Lan­des­mu­se­um (WLM) und sei­ner insti­tu­tio­nel­len Außen­stel­le, dem Muse­um in Kroc­kow, Aus­kunft gaben, – ein Ver­such, sich über die­se Orga­ni­sa­ti­on genau­er kun­dig zu machen, schei­ter­te aber sehr bald: Es gab kei­ne frei zugäng­li­chen schrift­lichen Infor­ma­tio­nen, und auf der Home­page der Lands­mann­schaft waren ledig­lich die ers­ten bei­den Arti­kel der Stif­tungs­sat­zung einzusehen.

Ihre ein wenig nebu­lö­se Exis­tenz und die Ver­mu­tung, dass die Kul­tur­stif­tung dann wohl »irgend­et­was« mit den bei­den Muse­en zu tun haben müs­se, ver­deck­ten weit­ge­hend, dass die Kul­tur­stif­tung einen brei­ten, kei­nes­wegs auf die Museums­arbeit ein­ge­schränk­ten Auf­ga­ben­be­reich zu ver­se­hen hat. Sie bemüht sich zwar nach­drück­lich um die För­de­rung von Kunst und Kul­tur, indem sie ding­li­ches Kul­tur­gut aus dem Land an der unte­ren Weich­sel sam­melt, erhält, inven­ta­ri­siert und erforscht; und zu die­sem Zweck betreibt sie das WLM, das eben­so wie das Muse­um in Kroc­kow vor­nehm­lich von der Bundes­republik Deutsch­land geför­dert wird. Dar­über hin­aus sam­melt und erschließt sie aber auch imma­te­ri­el­les Kul­tur­gut und hat sowohl die Westpreußen-Bibliothek als auch das west­preu­ßi­sche Bild-Archiv in ihrer Obhut, zwei Berei­che, die neben dem Kultur- und Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum West­preu­ßen (dem spä­te­ren WLM) schon seit 1975 stets eigen­stän­di­ge Tätig­keits­fel­der aus­ge­macht haben. (Der Auf­bau eines damals bereits geplan­ten Film-Archivs soll jetzt eben­falls in Angriff genom­men werden.)

Dar­über hin­aus gehö­ren zu den Auf­ga­ben der Stiftung:

  • wis­sen­schaft­li­che For­schun­gen zur west­preu­ßi­schen Geschich­te und Kul­tur zu för­dern, indem ein­schlä­gi­ge Pro­jek­te, ins­be­son­de­re von  Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen bzw. Nach­wuchs­wis­sen­schaft­lern, unter­stützt werden;
  • die Beschäf­ti­gung mit West­preu­ßen als einem Fak­tor des kom­mu­ni­ka­ti­ven und kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses zu för­dern und die Geschich­te der Regi­on sowie das Schick­sal ihrer Bewoh­ner als inte­grierenden Teil der deut­schen und euro­päi­schen Geschich­te im öffent­li­chen Bewusst­sein wach­zu­hal­ten, indem wis­sen­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen inner­halb und außer­halb des WLM durch­ge­führt werden;
  • die inter­na­tio­na­le Ver­stän­di­gung zu för­dern und Bei­trä­ge zur part­ner­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit mit kul­tu­rel­len Ver­ei­ni­gun­gen, ins­be­son­de­re in der Repu­blik Polen, zu leis­ten, indem vor allem die Koope­ra­ti­on mit der Partner­stiftung in Kroc­kow gepflegt und bestän­dig aus­ge­baut wird.

Im Rah­men die­ser Grund­ori­en­tie­run­gen hat die Neu­eröff­nung des WLM in Waren­dorf man­nig­fa­che Mög­lich­kei­ten gebo­ten, im Jah­re 2015 ent­spre­chen­de Tätig­kei­ten der Kul­tur­stif­tung zu ent­fal­ten. Zum einen konn­te das Muse­um selbst in der Start­pha­se ent­schei­dend und nach­drück­lich unter­stützt wer­den. Es galt, eine soli­de, auf spe­zi­fi­sche The­men und Inter­es­sen aus­ge­rich­te­te Adressen-Datenbank zu erstel­len und eine regel­mä­ßi­ge Presse-Arbeit zu ent­wi­ckeln. Zur För­de­rung der Infra­struk­tur über­nahm die Kul­tur­stif­tung zudem die Auf­ga­be, die gesam­te Home­page des ­Muse­ums vom Ent­wurf des dif­fe­ren­zier­ten, mehr­spra­chi­gen Auf­baus bis zum Ver­fas­sen sämt­li­cher deut­schen Tex­te (und deren Über­set­zung ins Pol­ni­sche) zu rea­li­sie­ren (DW 6/2015). Dar­über hin­aus wur­de die Dau­er­aus­stel­lung in über­grei­fen­de the­ma­ti­sche Ein­hei­ten geglie­dert und auf die­ser Grund­la­ge ein hilf­rei­cher Über­sichts­plan kon­zi­piert und ent­wor­fen (DW7 und 9/2015). Die­se bei­den Vor­ha­ben konn­ten ver­wirk­licht wer­den, weil sich Alex­an­der Klein­schrodt, den die Stif­tung als frei­en Mit­ar­bei­ter hat­te gewin­nen kön­nen, maß­geb­lich und höchst ideen­reich dar­an betei­lig­te. Schließ­lich initi­ier­te die Stif­tung die Ver­öf­fent­li­chung einer Map­pe mit vier Kar­ten zur jün­ge­ren Ter­ri­to­ri­al­ge­schich­te West­preu­ßens (DW 1/2016).

Zum ande­ren wand­te sich der Stif­tungs­vor­stand dem Auf­ga­ben­be­reich der Westpreußen-Bibliothek und des Bild-Archivs zu und ver­schaff­te sich bei einer aus­führ­li­chen Bege­hung einen Über­blick über den Stand der Arbei­ten und die Per­spek­ti­ven der wei­te­ren Entwicklung.

Zur För­de­rung wis­sen­schaft­li­cher Refle­xi­on und For­schung wur­de – drit­tens – zum »Geburts­tag« von Muse­um und Kul­tur­stif­tung unter dem Titel »Eine Zukunft für ›West­preu­ßen‹« ein Sym­po­si­on ver­an­stal­tet; und zudem konn­te mit einem Teil-Stipendium eine jun­ge pol­ni­sche Wis­sen­schaft­le­rin unter­stützt wer­den, die dadurch für vier Wochen im WLM über die museo­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lung »West­preu­ßen als Muse­ums­the­ma in Nordrhein-Westfalen« arbei­ten konnte.

Zum vier­ten bemüh­te sich die Stif­tung um ein abwechs­lungs­rei­ches und attrak­ti­ves Ver­an­stal­tungs­pro­gramm. Dabei beschränk­te sich die Pla­nung nicht auf eine Fol­ge von wis­sen­schaft­li­chen Vor­trä­gen oder auf Sonder-Führungen mit einer spe­zi­el­len Fokus­sie­rung der Dau­er­aus­stel­lung. Viel­mehr wur­de West­preu­ßen auch in ande­ren Ver­an­stal­tungs­for­ma­ten »zur Spra­che« gebracht. Zur Eröff­nung der Aus­stel­lung »Das West­preu­ßi­sche Lan­des­mu­se­um 1975–2015. 40 Jah­re West­preu­ßen in West­fa­len«, an deren Zustan­de­kom­men die Stif­tung wesent­li­chen Anteil hat­te, hielt Prof. Dr. Klaus Hänsch, Prä­si­dent des Euro­päischen Par­la­ments a. D., einen viel­be­ach­te­ten Fest­vor­trag über »Das Geden­ken an Flucht und Ver­trei­bung in ­einem geein­ten Euro­pa«. Des Wei­te­ren wur­de an einem Abend der Film »Weder hier noch dort« von Mar­git Eschen­bach vor­ge­führt, an einem ande­ren las Sa­brina Janesch aus ihrem Roman »Ambra«. Beson­de­res Inter­es­se fand schließ­lich auch eine Podi­ums­dis­kus­si­on, die im Rah­men der Son­der­aus­stel­lung »Ange­kom­men« in der Klos­ter­kir­che ver­an­stal­tet wur­de und die Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne aus der Nach­kriegs­zeit und der unmit­tel­ba­ren Gegen­wart mit­ein­an­der ins Gespräch brach­te. – Die­se man­nig­fa­chen Programm-Beiträge konn­ten zum Teil aus den groß­zü­gi­gen Zuwen­dun­gen finan­ziert wer­den, die der Stif­tung auf­grund eines Spen­den­auf­rufs zuge­flos­sen sind, zum Teil lie­ßen sich auch Spon­so­ren gewin­nen, die ein­zel­ne Ver­an­stal­tun­gen unter­stütz­ten. In jedem Fal­le belas­te­ten die Ange­bo­te, die das öffent­li­che Erschei­nungs­bild des Muse­ums wesent­lich berei­cher­ten, in kei­ner Wei­se des­sen Etat.

Zum fünf­ten hat sich die Stif­tung bemüht, das Muse­um an sei­nem neu­en Stand­ort noch bekann­ter zu machen und bestehen­de Kon­tak­te zu kul­tu­rel­len Insti­tu­tio­nen und zur Poli­tik und Wirt­schaft zu pfle­gen bzw. neu zu ent­wi­ckeln. Nicht zuletzt hat der Vor­stand – zum sechs­ten – eine Initia­ti­ve zur För­de­rung der museumspäda­gogischen Brei­ten­ar­beit ergrif­fen, indem er Zeit­zeu­gen­ge­sprä­che für Schul­klas­sen ange­bo­ten und in einem Pilot-Projekte fes­te, cur­ri­cu­lar nutz­ba­re Kurs-Einheiten zum Geschichts­un­ter­richt ent­wi­ckelt hat.

Neben die­sen unter­schied­lichs­ten Fel­dern, auf denen die Stif­tung 2015 Akti­vi­tä­ten ent­fal­te­te, gab es eine zen­tra­le Auf­ga­be, die beson­de­re Anstren­gun­gen erfor­dert hat: Die Kon­zep­ti­on einer ­eige­nen Home­page, die nun schon seit meh­re­ren Mona­ten im Netz ver­füg­bar ist und bereits vie­le, auch inter­na­tio­na­le Besu­cher ver­zeich­net (www​.kul​tur​stif​tung​-west​preus​sen​.de). Sie wird von Beginn an zwei­spra­chig, d. h. in Deutsch und Pol­nisch, ange­bo­ten und gewährt einen Über­blick über die Struk­tu­ren der Stif­tung, ihre Ent­schei­dungs­trä­ger und – vor allem – über sämt­li­che Ver­an­stal­tun­gen und Pro­jek­te. Damit nutzt die Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen jetzt die Chan­ce, auch in der brei­te­ren Öffent­lich­keit Auf­merk­sam­keit zu fin­den und damit dem Haupt­ziel näher zu kom­men, das ihr die Stif­ter vor 40 Jah­ren gesetzt haben: eine star­ke und zukunfts­fä­hi­ge »Lob­by für West­preu­ßen« zu bilden.

Erik Fischer und Sieg­fried Sieg / KSW