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Das Neue Jerusalem auf drei Hügeln der Kaschubei

Der Kalvarienberg von Neustadt

Von Magdalena Pasewicz-Rybacka

Auf dem Gebiet der früheren Provinz Westpreußen gibt es eine Reihe mittelgroßer Städte, die sich durch eine jahrhundertealte Geschichte und bedeutende Bauwerke auszeichnen. Einer dieser Orte ist Neustadt, eine Stadt, die gut 50 Kilometer nordwestlich von Danzig liegt.

Die spirituelle Hauptstadt der Kaschubei

Neustadt ist ein dynami­sches Wirtschafts­zentrum, beher­bergt die Kreis­ver­waltung und bildet im Einzugs­gebiet der Dreistadt eine attraktive Traban­ten­stadt. Zugleich ist Neustadt auch bei Touristen beliebt. Reisende können hier beispiels­weise das im 18. Jahrhundert errichtete und späterhin umgestaltete Schloss der Familien Przeben­dowski bzw. Keyser­lingk besich­tigen, das heute das Museum für Kaschubisch-­Pommersche Literatur und Musik beher­bergt, sowie den maleri­schen Aleksander-Majkowski-­Park oder den reprä­sen­ta­tiven Markt­platz besuchen. Diese Sehens­wür­dig­keiten werden in ihrer Strahl­kraft aber noch deutlich von dem Kalva­ri­enberg übertroffen, der sich mit seinen 25 Kapellen auf den bewal­deten Hügeln rund um das histo­rische Zentrum befindet.

Kalva­ri­en­berge, auf denen Kapellen oder Kirchen die Passi­ons­sta­tionen reprä­sen­tieren, wurden ab dem 15. Jahrhundert in ganz Europa errichtet. Dabei wurde darauf geachtet, dass ihre Lage so weit wie möglich Örtlich­keiten in Jerusalem ähnelten, die aus der Bibel vertraut waren; denn die Pilger­fahrt zu einem Kalva­ri­enberg war im spiri­tu­ellen Sinne ein Ersatz für eine Pilger­fahrt nach Jerusalem – vor allem in einer Zeit, in der der Zugang zur „heiligen Stadt“ aus verschie­denen Gründen unmöglich war.

In Europa sind knapp 2.000 solcher Anlagen gebaut worden. Die meisten in Deutschland, Öster­reich, Ungarn und Polen. Der älteste polnische Kalva­ri­enberg wurde 1602 von dem Krakauer Woiwoden Mikołaj Zebrzy­dowski gegründet und bildete die Keimzelle der südpolni­schen Klein­stadt Kalwaria Zebrzy­dowska. Die Anlage in Neustadt folgte nur ein halbes Jahrhundert später; ihre ersten Kapellen entstanden Mitte des 17. Jahrhun­derts. Der Initiator war einer der bedeu­tendsten Vertreter des hinter­pom­mer­schen Adels: Jakob von Weier (Jakub Wejher).

Die Erfüllung eines Schwurs

Jakob Weiher wurde 1609 als Sohn des Kulmer Woiwoden Jan Weiher und Anna Szcza­wińskas, der Tochter eines Starosten, geboren. Der Stammsitz der Familie befand sich ursprünglich in der Nähe von Würzburg, aber schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun­derts siedelten sich die Vorfahren in Pommern an. Der Großvater, Ernest Weiher (1517–1598), war 1560 in den Dienst des polni­schen Königs getreten. Unter Sigismund August, aber auch nach dem Tod des letzten Jagiel­lonen hatte er sich zahlreiche militä­rische Verdienste erworben. So nahm er z. B. an Stephan Báthorys 1579 begin­nenden Feldzügen gegen Russland teil. Diese Erfolge brachten ihm auch irdische Güter ein, so dass er in nur wenigen Jahrzehnten zu einem der reichsten Magnaten im König­lichen Preußen aufstieg. Gegen Ende seines Lebens entsagte er schließlich dem Protes­tan­tismus und konver­tierte zum katho­li­schen Glauben.

Mit seiner unver­brüch­lichen Loyalität gegenüber den polni­schen Königen sowie mit seinem Katho­li­zismus hatte Ernest Weiher den nachfol­genden Genera­tionen unmiss­ver­ständ­liche Orien­tie­rungs­punkte vorge­geben, die auch für seinen Enkel gültig blieben. Jakob ging in seinen jungen Jahren nach Mittel­europa und sammelte hier in Diensten der Katho­li­schen Liga – beispiels­weise in der Streit­macht Albrechts von Wallen­stein – vielfältige militä­rische Erfah­rungen. Dabei gelangte er auch nach Malta, wo er zum Ritter des Johan­ni­ter­ordens geschlagen wurde. Aus diesem Grund nahm er das Malte­s­er­kreuz in sein Wappen – sowie späterhin auch in dasjenige von Neustadt – auf.

Als junger, aber politisch und militä­risch bereits sehr erfah­rener Mann kehrte Jakob Weiher 1633 nach Polen zurück und zog sogleich – ganz wie Jahrzehnte zuvor sein Großvater – in einen Krieg gegen Moskau, diesmal aber im Rahmen des Russisch-­Polnischen Krieges (1632–1634), und der Feldherr hieß nunmehr Władysław IV. Wasa. Während der Belagerung einer kleinen Festung namens Biała (im heutigen Belarus) wurde er im März 1634 bei der Explosion einer Petarde unter Trümmern und Erdreich verschüttet. In dieser verzwei­felten Situation gelobte er, dass er, falls er überleben würde, zu Ehren des heiligen Franziskus und der heiligen Dreifal­tigkeit eine Kirche zu bauen. Offen­sichtlich traf dieses Versprechen des jungen Adligen auf Wohlge­fallen, denn er wurde aus der tödlichen Gefahr errettet.

Seinen Eid vergaß er nicht – 1643, in dem Jahr, in dem er auch das Amt des Woiwoden von Marienburg übernahm, gründete er, auf seinen hinter­pom­mer­schen Besit­zungen eine Stadt, die ursprünglich Nowa Wola Wejhe­rowska hieß, und errichtete dort die Pfarr­kirche zur Hl. Dreifal­tigkeit. Nahebei erbaute er zudem ein Kloster für den Franziskaner-Orden. Von der Passion Christi ergriffen, beschloss er schließlich, in seiner Stadt einen Kalva­ri­enberg anzulegen und ihn mit aufwändig gestal­teten Stati­ons­ka­pellen auszu­statten. Die ersten dieser barocken Bauwerke, von denen einige im 18. Jahrhundert im Stile des Rokoko umgestaltet wurden, entstanden 1649 – und damit begann die Geschichte eines kaschu­bi­schen Wallfahrts­ortes, die bis heute fortge­schrieben wird.

Das Neue Jerusalem

Die meisten der insgesamt 25 Kapellen wurden zu Jakob Weihers Lebzeiten oder kurz nach seinem frühen Tod im Jahre 1657 errichtet. Die Stifter waren neben dem Initiator auch Famili­en­an­ge­hörige und einige seiner Freunde. Manche Kapellen sind in ihrer Form einfach gehalten, andere dürfen archi­tek­to­nische Schmuck­stücke genannt werden.

Gemeinsam liegen sie an einem ausge­dehnten Passi­onsweg, der sich nicht auf den „Kalva­ri­enberg“ im engeren Sinne beschränkt: Der Calvariae locus [Ort des Schädels] bildet die latei­nische Übersetzung der aramäi­schen Ortsbe­zeichnung „Golgota“, so dass ein „Kalva­ri­enberg“ in der Regel die bis zu 15 Stationen des Kreuzwegs, von der Verur­teilung Christi bis zu seinem Tode am Kreuz bzw. bis zur Grablegung, umfasst. Jakob Weiher entwirft aber einen Weg, der über drei Hügel verläuft, und zwar – im Sinne der Topographie Jerusalems – über den Öl- und den Zionsberg und erst dann zum Kalva­ri­enberg. Selbst das Flüsschen, das aus dem Wispauer See (Jezioro Wyspowo) gespeist wird, die Stadt in nördlicher Richtung durch­quert und dann in die Rheda einmündet, trägt den Namen „Cedron“: Es verläuft zwischen dem ersten und dem zweiten Hügel und vermag dadurch schlüssig an das Tal des Baches Kidron (oder Kedron) zu erinnern, das die Jerusa­lemer Altstadt im Westen vom östlich gelegenen Ölberg trennt. Folge­richtig heißt die sechste Wegstation, die die Pilger nach der Überquerung des Flüss­chens Cedron erreichen, auch „Osttor Jerusalems“.

Die Weitläu­figkeit der Neustädter Anlage lädt jenseits der Wallfahrten auch Wanderer oder Spazier­gänger dazu ein, neben den Kapellen die Schönheit der Natur zu genießen. Die Route führt durch Wälder voller Buchen, Eichen, Eschen, Kiefern, Linden, Erlen und Hainbuchen, die im Verbund mit den in die Landschaft integrierten histo­ri­schen Gebäuden sehr eindrucks­volle, je nach Jahreszeit wechselnde pitto­reske Bilder entstehen lassen.

Zu den archi­tek­to­nisch besonders bemer­kenswerten Kapellen gehört diejenige, die den „Begeg­nungen mit der Mutter“ (Spotkania z Matką) gewidmet ist. Ihre Stifterin war Jakob Weihers Ehefrau Anna Elisabeth, die aus dem Uradels­ge­schlecht der von Schaff­gotsch stammte. Aller­dings erlebte sie die Fertig­stellung der Kapelle nicht, weil sie schon am 8. April 1650 bei einer Entbindung starb. Auch ihr Kind überlebte die Geburt nur für wenige Monate. Einge­weiht wurde die Kapelle erst am 20. Juni 1654. Die Messe wurde von Pater Atanazy Kartoszyn gehalten, während Jakob Weiher selbst das Amt des Liturgen übernahm. Bei der Betrachtung des Gebäudes fällt sogleich die aufwändig ausge­staltete Fassade ins Auge, dabei insbe­sondere die mit Rosen-Motiven reich verzierten Pilastern. Damit wird auf die Laure­ta­ni­schen Litanei (den hl. Rosen­kranz) Bezug genommen, in der Maria als „geheim­nis­volle Rose“ verklärt wird. So verwundert es nicht, dass sich die abstrakte Kontur dieser symbo­lisch hoch aufge­la­denen Blume auch im Grundriss des Gebäudes wiederfindet.

Ein geradezu monumen­tales, zweige­schos­siges Gebäude, die Kirche zu den Drei Kreuzen, erhebt sich auf dem Gipfel des Kalva­ri­en­bergs. Seine Stifterin war die mit Jakob Weiher verwandte Anna Wejherówna, die Witwe des Woiwoden Andrzej Grudziński. Neben dem beein­dru­ckenden Portal weist die Kirche an der Fassade ein zunächst wohl überra­schendes bauliches Merkmal auf: Durch eine der Seiten­wände läuft ein bedrohlich schei­nender Riss. Er gibt aber keinen Bauschaden zu erkennen; vielmehr soll den Gläubigen hier gleichsam handgreiflich das Geschehen versinn­bild­licht werden, das sich nach dem Zeugnis des Evange­listen Matthäus beim Tode Jesu ereignet hat: „Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich“ (Mt 27,51).

Bald fällt der Blick auf eine weitere Kapelle, die besondere Aufmerk­samkeit verdient: das „Grab Christi“. Sie wurde von der – ebenfalls mit Jakob Weiher verwandten – Anna Konstancja Wejherówna, der Ehefrau des Posener Kastellans Franciszek Czarn­kowski, gestiftet. Als Bauma­terial diente behauener Sandstein, der in Krakau herge­stellt wurde und dann auf der Weichsel nach Danzig und von dort auf dem Landweg nach Neustadt trans­por­tiert werden musste. Deshalb ist dies Bauwerk in der gesamten Region das Einzige in dieser Art. Zudem wirkt es mit seinen regel­mäßig und in gleicher Höhe aufge­schich­teten Sandstein­blöcken streng und feierlich. Das Dach wird von einer präch­tigen Laterne gekrönt, in der sich eine Skulptur des aufer­stan­denen Christus befindet. – Warum sich dieses auffällige und mit großem Aufwand errichtete Gebäude in Neustadt findet, wird jedem Besucher des eingangs schon genannten Kalva­ri­en­berges von Kalwaria Zebrzy­dowska schlag­artig klar, denn an diesem Ort, der freilich günstiger Weise im Umland von Krakau liegt, steht ein ebenfalls aus behauenem Sandstein erbautes „Grab Christi“: Dieses Gebäude gab Jakob Weiher offenbar den Anstoß, es als Modell zu nehmen und es im Rahmen seines eigenen Vorhabens so getreu wie möglich kopieren zu lassen.

Der „Tanz“ der heiligen Bilder

Der Kalva­ri­enberg von Neustadt ist natur­gemäß nicht nur eine touris­tische Attraktion, sondern auch eine religiöse Stätte. Jedes Jahr reisen Hunderte von Pilger­gruppen zu den Kapellen auf den drei Hügeln. Die meisten Gläubigen besuchen das „Kaschu­bische Jerusalem“ während der Kirchweih-Feste, die fünfmal im Jahr veran­staltet werden: jeweils am Sonntag nach Christi Himmel­fahrt, der Heiligen Dreifal­tigkeit, der Heilung der Kranken, der Himmel­fahrt der Jungfrau Maria und der Erhöhung des Heiligen Kreuzes.

Zu den Höhepunkten dieser Prozes­sionen gehören die sogenannten Vernei­gungen der „feretrony“. Es wird angenommen, dass diese außer­ge­wöhn­liche Tradition, die heute in der ganzen Kaschubei sehr beliebt ist, ihren Ausgangs­punkt in Neustadt genommen hat, und zwar höchst­wahr­scheinlich am Ende des 17. Jahrhunderts.

„Feretron“ bezeichnet ein Gestell, das von vier Personen getragen wird und auf dem von zwei Seiten gemalte Bilder in einem Schmuck­rahmen oder geschnitzte Skulp­turen angebracht sind. Für gewöhnlich zeigt der Feretron Jesus Christus oder die Jungfrau Maria, er kann aber auch den Schutz­pa­tronen oder ‑patro­ninnen von einzelnen Pfarreien oder bestimmten Berufen gewidmet sein.

Die „Vernei­gungen“ nun bilden eine Form der Anbetung vor einem Altar, einem Kreuz oder einem anderen sakralen Objekt. Die klassische Version umfasst die folgenden Elemente: Die vier Personen, die das Gestell halten, nehmen vor dem Heiligtum Aufstellung, neigen den Feretron dreimal nach vorne hinab, versinn­bild­lichen daraufhin durch Bewegungen vorwärts, zur Seite und rückwärts das Kreuz­zeichen, halten das Gestell sodann waage­recht und lassen es, die Vollkom­menheit Gottes symbo­li­sierend, die Form eines Kreises beschreiben, bis letztlich eine nochmalige Verbeugung die gesamte Sequenz beschließt.

Diese tradi­tio­nellen Elemente können Pilger­gruppen aber durchaus modifi­zieren: Sie wählen eine andere Abfolge der choreo­gra­phi­schen Figuren oder entwi­ckeln zusätz­liche Motive und stellen derart ihren Einfalls­reichtum unter Beweis. Die „Vernei­gungen“ insgesamt werden – zuweilen auch von einem Musik­ensemble begleitet – in einem erstaunlich hohen Tempo ausge­führt, das eine große körper­liche Leistungs­fä­higkeit voraus­setzt, zumal der Feretron über einiges Gewicht verfügen kann: Manche wiegen sogar mehr als 100 kg. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass diese Darbie­tungen von den Umste­henden oftmals mit heftigem Applaus bedacht werden.

Ein beson­deres Ereignis, zu dem sich die Gläubigen in großen Scharen versammeln, ist die Prozession, bei der in der Karwoche das Mysterium der Leiden Christi gefeiert wird. Hier verbinden sich die Elemente des Gebets und der Kontem­plation mit denje­nigen eines Passi­ons­spiels. An dieser theatra­li­schen, zweistün­digen Verge­gen­wär­tigung des Kreuz­weges sind mehrere Dutzend Schau­spieler und Statisten beteiligt. Das leidvolle Geschehen und die Unmit­tel­barkeit seiner Präsen­tation beein­drucken die Prozes­si­ons­teil­nehmer stets in hohem Maße, und die Inten­sität dieses spiri­tu­ellen Erleb­nisses wird zudem durch die beglei­tende Musik, die speziell für die Insze­nierung kompo­niert wurde, und nicht zuletzt durch die raue Schönheit der Natur im Vorfrühling nochmals verstärkt.

Seit dem 18. Jahrhundert werden für die Pilger spezielle Gebet­bücher heraus­ge­geben, die sie auf ihrem Weg begleiten und ihnen an den Wegsta­tionen das Beten erleichtern sollen. Insbe­sondere die älteren dieser „kalwa­ryjki“ sind, da sie einzig­artige Dokumente der kaschu­bi­schen Volks­re­li­gio­sität bilden, schon längst zum Gegen­stand der histo­ri­schen und sprach­wis­sen­schaft­lichen Forschung geworden.

Der Besuch des Kalvarienberges von Neustadt

Der gesamte Passi­onsweg erstreckt sich über eine Länge von 4,6 km und kann in etwa zweieinhalb Stunden bewältigt werden. Daneben gibt es aller­dings auch die von Touristen in der Regel bevor­zugte Möglichkeit, eine deutlich kürzere Route zu wählen, die nur den eigent­lichen „Kreuzweg“ auf dem Kalva­ri­enberg umfasst und die Besucher folglich an den 15 Kapellen* vom Palast des Pilatus bis zum Grab Christi entlangführt.

Die Anlage ist frei zugänglich und lässt sich mithin auf eigene Faust begehen. Dann ist es zwar nicht möglich, das Innere der Kapellen, die Altäre mit ihren Gemälden und Skulp­turen, zu besich­tigen, aber gleichwohl lohnt es sich natürlich, auf dem Waldweg über die Neustädter Hügel zu spazieren und dabei die Gebäude und deren symbol­trächtige Archi­tektur zu betrachten.

Touristen, die einen tieferen Einblick in die künst­le­ri­schen Details der Innen­aus­stattung gewinnen möchten, sollten sich für die Teilnahme an einem betreuten Rundgang entscheiden. Patres des Franziskaner-Ordens, der tradi­tionell – und so auch in Neustadt – die Einrichtung von Kalva­ri­en­bergen fördert und die bestehenden Anlagen betreut, bieten ebenso wie fachkundige, vom Fremden­ver­kehrsamt akkre­di­tierte Führer Rundgänge an – die aller­dings nur von Gruppen, nicht aber von Einzel­per­sonen gebucht werden können.

Nach dem Gang entlang dem Kreuzweg gehört es zum touris­ti­schen Standard­pro­gramm, auch der von Jakob Weiher gestif­teten, der Hl. Anna geweihten Kirche des Franzis­ka­ner­klosters einen Besuch abzustatten. Die Ausstattung des Gottes­hauses stammt haupt­sächlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun­derts; ein wahrer histo­ri­scher Schatz aber ist hinter dem Hochaltar verborgen und sollte unbedingt in Augen­schein genommen werden. Es handelt sich um ein 1658 entstan­denes Doppel­porträt Jakob Weihers und seiner (ersten) Frau Anna Elisabeth Schaff­gotsch, in dessen Hinter­grund ein zeitge­nös­si­sches Bild der damals neu entstan­denen Stadt und der sie umgebenden Landschaft erscheint. Schließlich bietet die zugäng­liche Krypta der St. Anna-Kirche auch noch eine Gelegenheit, dem Gründer und Wohltäter Neustadts die Reverenz zu erweisen – und angesichts der Sarko­phage von Jakob Weiher und einiger seiner Famili­en­mit­glieder die Endlichkeit des mensch­lichen Lebens zu bedenken.

Im Anschluss an alle Besich­ti­gungen sollten die Besucher noch einige Zeit in der Stadt verweilen und nicht zuletzt auch in einem der einla­denden Restau­rants am Markt­platz die vielge­stal­tigen Eindrücke nachwirken lassen. Bei Speisen aus der regio­nalen kaschu­bi­schen Küche oder einem Bier aus der heimi­schen Brauerei kann zudem das Bauensemble des histo­ri­schen Zentrums in besonders angenehmer Weise betrachtet werden. Dabei wird es unwei­gerlich zu einer weiteren Begegnung mit Jakob Weiher kommen, denn die Bürger Neustadts haben ihm dort im Jahre 1999 ein imposantes Denkmal gesetzt. Die auf einem hohen Sockel stehende Statue zeigt den Gründer der Stadt und des Kalva­ri­en­berges als selbst­be­wusste und macht­volle aristo­kra­tische Persön­lichkeit, die anscheinend mit Stolz auf sein Lebenswerk blickt. Die Reisenden, die diese Stadt schon genauer kennen­ge­lernt haben, dürften solch einen Ausdruck des Stolzes schwerlich für unbegründet halten.


* Nach der polni­schen Tradition umfasst der „eigent­liche“, auf den Kalva­ri­enberg beschränkte Kreuzweg vom Palast des Pilatus bis zum Grab Christi nur 14 Stationen. Aus diesem Grunde wird der Palast des Herodes (die Kapelle Nr. 12) auf dem Plan zwar mitge­zählt, aber faktisch nicht berück­sichtigt: Während der Kreuzweg-Prozession machen die Gläubigen hier keinen Halt.