Zurück

Zur elektronischen Ausgabe

Zum Heft

Zur Rubrik

»Eher ein Palast denn eine Schule«

Das Elbinger Gymnasiumsgebäude – ein Zeuge der Stadtgeschichte

Von Wiesława Rynkiewicz-Domino

2019 jährt sich zum 420. Male der Einzug des Elbinger Gymnasiums, des „Athenaeum Elbingense“, in das Haus, das 1599 für seine Zwecke umgebaut und eingerichtet worden war und das seit 1973 zum Komplex des Archäologisch-­Historischen Museums gehört. Das Bauwerk, das bis zum heutigen Tage „Gymnasiumsgebäude“ genannt wird, ist eng mit der historischen und kulturellen Entwicklung Elbings verwoben. Deshalb lohnt es sich, dieses ­architektonische Monument der Stadtgeschichte anlässlich des Jubiläums einmal genauer in den Blick zu nehmen.

Die ältes­ten erhal­ten geblie­be­nen Gebäu­de­par­tien sind noch unter der Herr­schaft des Deut­schen Ordens ent­stan­den und rei­chen somit bis in die zwei­te Hälf­te des 13. Jahr­hun­derts zurück. In sei­ner wech­sel­haf­ten Geschich­te wur­de das Gebäu­de mehr­mals um- und aus­ge­baut und einer Rei­he von Moder­ni­sie­run­gen unter­zo­gen. Die jüngs­ten Sanie­rungs­ar­bei­ten wur­den vom 30. März 2017 bis zum 15. August 2018 vor­ge­nom­men und aus dem regio­na­len Pro­gramm der Woi­wod­schaft Ermland-­Masuren für die Jah­re 2014–2020 finan­ziert. Zudem betei­lig­te sich die Stadt Elb­ing an die­ser Maß­nah­me und rea­li­sier­te damit die zwei­te Stu­fe des Pro­jekts „Mit dem Muse­um in die Zukunft. Moder­ni­sie­rung des Archäologisch-Historischen Muse­ums in Elb­ing“, inner­halb des­sen schon zuvor, in den Jah­ren 2012 bis 2014, das zwei­te Muse­ums­ge­bäu­de reno­viert wor­den war.

Die Vorgeschichte

Das Gym­na­si­ums­ge­bäu­de ent­stand auf dem Gelän­de des nörd­li­chen Vor­schlos­ses der ehe­ma­li­gen Ordens­burg Elb­ing. Mit der Errich­tung des Back­stein­baus wur­de um 1250 begon­nen, abge­schlos­sen wur­den die Bau­ar­bei­ten bis zum Anfang des 15. Jahr­hun­derts. Ursprüng­lich – bis der Sitz des Hoch­meis­ters von Vene­dig nach Mari­en­burg ver­legt wur­de – dien­te die Elb­in­ger Burg als Sitz des Land­meis­ters, spä­ter­hin resi­dier­te hier der Elb­in­ger Kom­tur, der zugleich das Amt des Groß­spitt­lers beklei­de­te. Der hohe Rang der Burg sowie ihre rela­tiv frü­he Ent­ste­hungs­zeit wer­den durch die archäo­lo­gi­schen Befun­de bestä­tigt, nach denen auch in Elb­ing der Grund­ty­pus der Deutsch­or­dens­burg mit einem vier­flü­ge­li­gen Konvent-Schloss sowie einer mul­ti­funk­tio­nel­len Vor­burg ver­wirk­licht wor­den ist. Hier grenz­te die umfang­rei­che nörd­li­che Vor­burg an die Alt­stadt. Lei­der ist die Elb­in­ger Ordens­burg im Unter­schied zur Mari­en­burg nicht erhal­ten geblie­ben, denn sie wur­de am 6. ­Febru­ar 1454 zu Beginn des Drei­zehn­jäh­ri­gen Krie­ges von den Bür­gern, die sich gegen die Herr­schaft des Deut­schen Ordens auf­lehn­ten, zerstört.

Ver­schont blieb dabei aller­dings die Bebau­ung der nörd­li­chen Vor­burg. Die­ses Gelän­de samt ande­ren Grund­be­sitz­tü­mern des Haus­kom­turs ver­lieh Kasi­mir Jagiel­lon der Stadt Elb­ing für ihre Ver­diens­te im Städ­te­krieg. Bereits 1458 wur­de das spä­te­re Gym­na­si­ums­ge­bäu­de dar­auf­hin dem Kon­vent des Bir­git­ten­or­dens zur Ver­fü­gung gestellt, und zwar als eine Votiv­ga­be für die Hl. Bir­git­ta von Schwe­den (1303–1373), die als Patro­nin des Kriegs gegen den Deut­schen Orden ver­ehrt wur­de. (Sie wur­de vor eini­ger Zeit auch der All­ge­mein­heit wie­der in Erin­ne­run­gen gebracht, als sie 1998 zusam­men mit der Hl. Katha­ri­na von Sie­na und der Hl. Edith Stein zur Patro­nin Euro­pas erho­ben wur­de.) Wegen unzu­rei­chen­der Aus­stat­tung wirk­te der Kon­vent aber nicht ein­mal ein hal­bes Jahr­hun­dert in Elb­ing und wur­de nach Dan­zig ver­legt, wo er bis zum heu­ti­gen Tage tätig ist.

Das Gymnasium und sein erneuertes Gebäude von 1599

In der Fol­ge­zeit ent­schloss sich der Stadt­rat, das Gebäu­de für das 1535 gegrün­de­te Gym­na­si­um zu nut­zen. Es war die ers­te huma­nis­ti­sche Kna­ben­schu­le auf preu­ßi­schem Boden und zugleich die zwei­te Ein­rich­tung die­ser Art in ganz Polen. Die Grün­dung war eng mit der umwäl­zen­den gesellschaftlich-religiösen Bewe­gung der Refor­ma­ti­on ver­bun­den, resul­tier­te aber auch aus der Zunah­me der städ­ti­schen Ver­wal­tung, die eines hin­läng­lich qua­li­fi­zier­ten Beam­ten­tums bedurf­te. Der Stadt­rat von Elb­ing ver­stand sich als Ober­haupt der Schu­le und schütz­te sie vor Ein­griffs­ver­su­chen der erm­län­di­schen Bischö­fe, die die kirch­li­che Juris­dik­ti­on über die Stadt aus­üb­ten, sowie vor der Ein­fluss­nah­me durch die Ältes­ten der luthe­ri­schen Kir­che, die bis zur zwei­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts die Vor­herr­schaft in der Stadt errun­gen hat­ten. Bevor den Pro­tes­tan­ten kraft könig­li­cher Pri­vi­le­gi­en Reli­gi­ons­frei­heit gewährt wur­de, hat­te die Schu­le sich aber wohl­weis­lich gehü­tet, ihre nicht-katholische Grund­ori­en­tie­rung all­zu publik wer­den zu lassen.

Mit der Orga­ni­sa­ti­on der Schu­le wur­de der Hol­län­der Wil­helm van der Vol­der­graft (Gna­pheus) – der ehe­ma­li­ge Rek­tor des Gym­na­si­ums in Den Haag – beauf­tragt. Das Lehr­pro­gramm wur­de so weit ent­wi­ckelt, dass die Schu­le gegen Ende des 16. Jahr­hun­derts die Vor­aus­set­zun­gen erfüll­te, Schü­ler auf das Uni­ver­si­täts­stu­di­um vor­be­rei­ten zu kön­nen. Dass das Gym­na­si­um die­ses hohe Niveau erreich­te, war vor allem das Ver­dienst des aus Böh­men stam­men­den Rek­tors Johann Myli­us (1557–1629), der sein Amt von 1598 bis zu sei­nem Tode inne­hat­te. Er führ­te auch die Ver­an­stal­tung von „Enca­niae“, von fei­er­li­chen aka­de­mi­schen Schul­fes­ten, ein.

Am Beginn von Myli­us’ Amts­zeit wur­de auch das Gebäu­de, das ursprüng­lich ein Teil der Burg­an­la­ge gewe­sen war, den Bedürf­nis­sen einer Lehr­an­stalt ange­passt. Gewis­se ent­spre­chen­de Bemü­hun­gen sol­len schon 1555 ein­mal unter­nom­men wor­den sein, Ein­zel­hei­ten die­ses Umbaus sind jedoch nicht über­lie­fert. 1599 aber, als die Stadt vom wirt­schaft­li­chen Auf­schwung pro­fi­tier­te, der auf die Grün­dung einer Nie­der­las­sung der East­land Com­pa­ny zurück­zu­füh­ren war, kamen die städ­ti­schen Behör­den zu dem Ent­schluss, dass der tief­grei­fen­de und groß­zü­gi­ge Aus­bau des Gym­na­si­ums­ge­bäu­des neben der Errich­tung  neu­er Befes­ti­gungs­an­la­gen höchs­te Prio­ri­tät hät­te. Dabei lie­ßen sie sich nicht zuletzt von dem Wunsch lei­ten, durch die­se Maß­nah­me den neu­en Wohl­stand nach außen deut­lich zu machen.

Die das Gebäu­de umfas­sen­den Mau­ern wur­den abge­ris­sen; in das unte­re Stock­werk wur­de ein Zwi­schen­ge­schoss ein­ge­zo­gen, wodurch ein Hoch­par­terre ent­stand und die Belich­tung der dort befind­li­chen Räu­me erheb­lich ver­bes­sert wur­de. Im Gebäu­de ent­stan­den neue Zim­mer und Säle: eine pracht­vol­le Die­le (das „Atri­um“), ein Saal, das „Audi­to­ri­um Ger­ma­ni­ca“, in dem die unte­ren Klas­sen unter­rich­tet wur­den, sowie das „Audi­to­ri­um Lati­na“, der Hör­saal für die höhe­ren Klas­sen. Im „Audi­to­ri­um Ger­ma­ni­ca“ wur­de zudem ein Podest für die Auf­füh­run­gen von Schul­dra­men instal­liert. Im ers­ten Stock­werk wur­de eine Biblio­thek ein­ge­rich­tet. Zugleich begann man mit der Erwei­te­rung der bis­he­ri­gen Bücher­samm­lung. (Deren erhal­ten geblie­be­ner Teil gelang­te nach 1945 in die Elb­in­ger Biblio­thek, die auf die­sen Bestand mit Recht stolz ist.) Wei­te­re Räu­me waren für Woh­nun­gen von Pro­fes­so­ren bestimmt. Im Dach­ge­schoss wur­den auf der Vorder- wie auf der Rück­sei­te des Gebäu­des jeweils zwölf Quar­tie­re für aus­wär­ti­ge Schü­ler ein­ge­rich­tet. Beson­de­ren Auf­wand trieb man bei der Außen­ge­stal­tung des Gebäu­des, die im zeit­ge­nös­si­schen Stil des nie­der­län­di­schen Manie­ris­mus erfolg­te. Die 14 Gie­bel erhiel­ten deko­ra­ti­ve Stu­cka­tu­ren, wäh­rend ein Glo­cken­türm­chen das gan­ze Gebäu­de krön­te. Zudem fan­den sich auf der süd­li­chen sowie öst­li­chen Fas­sa­de gemal­te Sinn­bil­der sowie latei­ni­sche und grie­chi­sche Sprü­che, die sich auf Unter­richt und Jugend­er­zie­hung bezo­gen wie z. B. „Fun­da­men­tum toti­us res­pu­bli­cae [est] hones­ta ado­le­s­cen­ti­um edu­ca­tio“ (Eine anstän­di­ge Erzie­hung der Jugend bil­det des Fun­da­ment des gesam­ten Staats­we­sens). Die Inschrift „Semi­na­ri­um Civi­tas“ über der Ein­gangs­tür wies schließ­lich dar­auf hin, dass die Schu­le Besitz der Stadt war und in ihrer allei­ni­gen Ver­ant­wor­tung stand.

Die Blütezeit des Gymnasiums

Im 17. und 18. Jahr­hun­dert kamen Bür­ger­söh­ne aus nahe­zu ganz Euro­pa nach Elb­ing, um hier das Gym­na­si­um zu besu­chen. Die Schü­ler stamm­ten aus Eng­land, Schott­land, den Nie­der­lan­den, Ungarn, Schwe­den sowie meh­re­ren deut­schen Län­dern. Die Schu­le lock­te natur­ge­mäß Jun­gen aus bei­den preu­ßi­schen Staats­we­sen sowie aus den wohl­ha­ben­den und bedeu­ten­den Fami­li­en der Adels­re­pu­blik; in ihrem Schü­ler­kreis befand sich bei­spiels­wei­se Mikołaj Fir­lej, der spä­te­re Woje­wo­de von Lub­lin, dem unter Ste­phan Bátho­ry die Auf­sicht über den Aus­bau der Elb­in­ger Kriegs­flot­te über­tra­gen wur­de und der damals bereits die Vor­be­rei­tun­gen für einen Durch­stich der Fri­schen Neh­rung tref­fen sollte.

Im Leh­rer­kreis des Gym­na­si­ums fehl­te es nicht an nam­haf­ten Per­sön­lich­kei­ten. Zu den berühm­tes­ten gehör­te der pro­tes­tan­ti­sche Theo­lo­ge, Phi­lo­soph und bahn­bre­chen­de Refor­ma­tor der Päd­ago­gik Johann Amos Come­ni­us (1592–1670) – sowie Joa­chim von Hirtenberg-Pastorius (1611–1681), ein Medi­zi­ner und Geschichts­schrei­ber, der am Hofe von Johann Kasi­mir von Polen wirk­te und dem 1656 der Ehren­ti­tel „His­to­ri­cus Regi­us“ velie­hen wur­de. Er hielt Vor­le­sun­gen in Geschich­te am Elb­in­ger Gym­na­si­um – sowie danach in Dan­zig –, und sein Lehr­buch zur Geschich­te Polens war noch im 18. Jahr­hun­dert im Gebrauch. Dar­über hin­aus betei­lig­te sich Pas­to­ri­us an den Friedens­verhandlungen von Oli­va im Jah­re 1660. Mehr­mals wech­sel­te er sein Glau­bens­be­kennt­nis, um 1658 end­gül­tig zum Katho­li­zis­mus über­zu­tre­ten. Ein bedeu­ten­der Rek­tor des Gym­na­si­ums war Georg Dani­el Sey­ler (1686–1745), der meh­re­re Schul­dra­men und his­to­ri­sche Bei­trä­ge hin­ter­ließ. Zu sei­nem Bekann­ten­kreis aus der Stu­di­en­zeit in Hal­le gehör­te einer der bedeu­tends­ten Musi­ker der Barock­zeit: Georg Fried­rich Hän­del. Er kam 1737 nach Elb­ing und ver­ton­te bei die­ser Gele­gen­heit das Libret­to eines Dram­ma per musi­ca, das Dani­el Sey­ler anläss­lich des 500. Jah­res­ta­ges der Stadt­grün­dung ver­fasst und dem Andenken an Her­mann Balck gewid­met hat­te. Die Kom­po­si­ti­on ist aber bedau­er­li­cher­wei­se verschollen.

In Elb­ing – und ins­be­son­de­re im Gym­na­si­um – wur­de stets die Erin­ne­rung dar­an wach­ge­hal­ten, dass sich Niko­laus Koper­ni­kus Anfang des 16. Jahr­hun­derts mehr­mals hier auf­ge­hal­ten hat­te. Im 17. Jahr­hun­dert ent­wi­ckel­te sich bei­na­he ein Kult um den genia­len Astro­no­men und Mathe­ma­ti­ker. In einer Elb­in­ger Dru­cke­rei erschie­nen 1652 und 1653 zwei Abhand­lun­gen, von denen die ers­te­re von Faus­tyn Mor­sz­tyn von Raci­borsko, einem Schü­ler des Elb­in­ger Gym­na­si­ums, stamm­te, wäh­rend die letz­te­re von des­sen Leh­rer Hein­rich Nico­lai ver­fasst wur­de. Der Text von Mor­sz­tyn war eine Schul­dis­pu­ta­ti­on, in der Beweis­grün­de für die Rich­tig­keit der Theo­rie über die Bewe­gung der Erde um die Son­ne gesam­melt wur­den. Die Abhand­lung von Nico­lai hin­ge­gen stell­te die Argu­men­te bei­der Sei­ten – sowohl die­je­ni­gen der Geg­ner als auch die­je­ni­gen der Befür­wor­ter des koper­ni­ka­ni­schen Welt­mo­dells – zusam­men und ver­trat dabei die The­se, dass eine theo­lo­gi­sche Auto­ri­tät nicht dazu berech­ti­ge, über mathe­ma­ti­sche und astro­no­mi­sche Fra­gen zu ent­schei­den und auf die­ser Grund­la­ge die helio­zen­tri­sche Auf­fas­sung abzu­leh­nen. Die­se Anschau­ung galt in Polen Mit­te des 17. Jahr­hun­derts durch­aus noch als höchst fortschrittlich.

1657 wur­de im Elb­in­ger Gym­na­si­um ein Stück mit dem Titel Der Bücher­markt auf­ge­führt. Dar­in unter­hal­ten sich Schü­ler, die einen Markt auf­su­chen, um dort Bücher für die Schul­bi­blio­thek anzu­kau­fen. Unter den erwor­be­nen Wer­ken der damals meist bekann­ten Autoren und Den­ker fin­den sich auch die­je­ni­gen von Koper­ni­kus, der in dem Büh­nen­werk aus­drück­lich als ein „Nach­fol­ger von Atlas“, als Trä­ger des Him­mel­ge­wöl­bes, apo­stro­phiert wird. Die bis ins 18. Jahr­hun­dert hin­ein­rei­chen­de Kopernikus-Pflege kann als unstrei­ti­ger Beweis für das hohe Lehr­ni­veau des Gym­na­si­ums gelten.

1744 folg­te Johann Fried­rich Endersch (1705–1769), ein Elb­in­ger Mathe­ma­ti­ker, Kar­to­graf, Kon­struk­teur, Glo­ben­her­stel­ler und Kup­fer­ste­cher, den Anre­gun­gen von Lieb­ha­bern der Ster­nen­kun­de und schuf ein Pla­ne­ta­ri­um, ein beweg­li­ches Modell des koper­ni­ka­ni­schen Son­nen­sys­tems. Dabei ver­voll­komm­ne­te er das Modell noch, indem er auch die Ent­de­ckun­gen Johan­nes Kep­lers mit auf­nahm. Die Pla­ne­ten im Elb­in­ger Pla­ne­ta­ri­um beweg­ten sich auf ellip­ti­schen Bah­nen, wobei die Erd­um­lauf­bahn schräg war. In der Mit­te des aus Kup­fer gefer­tig­ten Modells gab es eine von einer Glas­glo­cke umge­be­ne Ker­ze, die die Son­ne ver­kör­per­te. Um das Zen­trum beweg­ten sich Kugeln, die Mer­kur und Venus sowie die Erde mit dem wie­der­um sie umkrei­sen­den Mond dar­stell­ten. Ein höchst kom­pli­zier­ter Mecha­nis­mus eines Räder­werks mit varia­blen Über­set­zun­gen mach­te es mög­lich, dass Umlauf­be­we­gun­gen von Pla­ne­ten, Mond­pha­sen­wech­sel, Sonnen- und Mond­fins­ter­nis­se sowie Ände­run­gen der Erd­ro­ta­ti­ons­ach­se zu ver­schie­de­nen Tages- und Jah­res­zei­ten in ange­mes­se­nen Dimen­sio­nen und Grö­ßen­ver­hält­nis­sen ver­an­schau­licht wer­den konn­ten. 1745 gab der Mathe­ma­ti­ker und Gym­na­si­ums­pro­fes­sor Jacob Woit eine Begleit­bro­schü­re her­aus, die unter dem fol­gen­den Titel erschien: Erläu­te­rung von Ver­fas­sung und Gebrauch des in Kup­fer vor­ge­stell­ten künst­li­chen Model­les eines Sys­te­ma­tis Coper­ni­ca­ni, so Anno 1744 in Elb­ing von Herrn Johann Fried­rich Endersch erfun­den wor­den. Neben der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Modells sowie einer Erläu­te­rung des Mecha­nis­mus und Gebrauchs­an­wei­sun­gen bie­tet die Publi­ka­ti­on Tafeln mit Anga­ben der Aus­ma­ße und der Ent­fer­nun­gen zwi­schen den ein­zel­nen Pla­ne­ten und berück­sich­tigt auch die­je­ni­gen Him­mels­kör­per, die im Pla­ne­ta­ri­um nicht vor­han­den waren, und zwar Mars, Saturn und Jupi­ter mit sei­nen Tra­ban­ten. Das Modell, das ver­mut­lich das aller­ers­te Pla­ne­ta­ri­um in Polen war, befand sich noch Anfang des 19. Jahr­hun­derts in den Bestän­den der Gym­na­si­ums­bi­blio­thek. Berühmt wur­de Johann Fried­rich Endersch aller­dings vor allem als Her­stel­ler von Glo­ben, von denen einer 1740 dem Elb­in­ger Stadt­rat geschenkt wur­de, wäh­rend einen ande­ren König August III. erhielt, der Endersch dar­auf­hin den Titel des könig­li­chen Hof­ma­the­ma­ti­kers ver­lieh. Dar­über hin­aus war er ein her­vor­ra­gen­der Kar­to­graph, der Land­kar­ten vom Weich­sel­wer­der (1753), von Erm­land (1755) und dem Gebiet von ganz Preu­ßen (1758) gesto­chen hat.

Vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Wiedergeburt 2018

Mehr als 200 Jah­re lang galt das Gebäu­de des Elb­in­ger Gym­na­si­ums bei den Zeit­ge­nos­sen als das vor­nehms­te Schul­ge­bäu­de in ganz Preu­ßen, weil es „eher Paläs­ten als Schu­len ähnel­te“. Wäh­rend der napo­leo­ni­schen Besat­zung von Elb­ing in den Jah­ren 1805 bis 1807 dien­te das Gebäu­de als Laza­rett und wur­de erheb­lich beschä­digt. 1809 erfolg­te eine Wie­der­in­stand­set­zung, bei der aller­dings die Dach­er­ker, die dem Gebäu­de sei­nen beson­de­ren Cha­rak­ter und Reiz ver­lie­hen hat­ten, ent­fernt wur­den. Bei die­ser Gele­gen­heit ver­schwan­den auch die Fassadeninschriften.

1882 wur­de die inzwi­schen ver­staat­lich­te Schu­le in ein neu­errich­te­tes Gebäu­de in der Königs­ber­ger­stra­ße umge­setzt (heut­zu­ta­ge ist dort das 2. Lyze­um behei­ma­tet), wäh­rend in das ehe­ma­li­ge Gym­na­si­ums­ge­bäu­de eine Mädchen-Mittelschule ein­zog – die ab 1932 den Namen der ost­preu­ßi­schen Dich­te­rin Agnes Mie­gel trug. Die­ser Zustand währ­te bis ins Jahr 1945.

Bei der Ein­nah­me der Stadt durch die Rote Armee erlitt das Gebäu­de nur ver­hält­nis­mä­ßig weni­ge Schä­den, konn­te des­halb bald wie­der­her­ge­stellt wer­den und beher­berg­te bis 1972 meh­re­re Bil­dungs­an­stal­ten. 1973 schließ­lich, im Jahr des fei­er­lich began­ge­nen 500. Geburts­ta­ges von Niko­laus Koper­ni­kus, über­nahm das Elb­in­ger Muse­um das – an die spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se ange­pass­te – Gebäu­de. Seit die­ser Zeit wur­den bis zum Beginn der aktu­el­len Neu­ge­stal­tung kei­ne Sanie­rungs­ar­bei­ten durch­ge­führt. Des­halb hat­te sich inzwi­schen ein gro­ßer Reno­vie­rungs­stau erge­ben. Es muss­te ein kom­plet­ter Dach­stuhl auf­ge­setzt wer­den, und auch beim Glo­cken­turm wur­den sowohl die Außen­haut als auch die Uhr erneu­ert. Das Dach­ge­schoss bie­tet jetzt Maga­zi­nen und Arbeits­zim­mern Raum; der Ein­gang von der Fluss­sei­te her wur­de wie­der­her­ge­stellt und erhielt eine reprä­sen­ta­ti­ve Trep­pe. Die zuvor stets feuch­ten Kel­ler­räu­me aus der Ordens­zeit sind wie­der benutz­bar gewor­den. Zudem wur­de die gesam­te Infra­struk­tur aller Instal­la­tio­nen moder­ni­siert und auf den gegen­wär­ti­gen Stand der Tech­nik gebracht; letzt­lich gehört heu­te auch der Ein­bau von Fahr­stüh­len zu solch einer Grundsanierung.

Im Rah­men der Pro­jekt­durch­füh­rung konn­ten im sanier­ten Gebäu­de neue bzw. neu­ge­stal­te­te Par­tien der Dau­er­aus­stel­lun­gen eta­bliert wer­den. Geschaf­fen wur­den bei­spiels­wei­se anspruchs­vol­le audio­vi­su­el­le und mul­ti­me­dia­le Ange­bo­te wie „Hier und jetzt“ – eine vir­tu­el­le Fahrt mit einem in der Elb­in­ger Komnick-Fabrik her­ge­stell­ten Auto­mo­bil über die Spei­cher­in­sel und durch die Alt­stadt, für die ani­mier­te Foto­auf­nah­men aus der Zwi­schen­kriegs­zeit ver­wen­det wer­den konnten.

Es bleibt zu hof­fen, dass das reno­vier­te Gebäu­de den nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen mög­lichst lan­ge zu die­nen ver­mag. Als Bot­schaft an spä­te­re Bewoh­ner der Stadt wur­den eini­ge Zeug­nis­se der Gegen­wart in einer Zeit­kap­sel gesam­melt, die in einer Kup­fer­ku­gel auf dem Dach – unter der Wet­ter­fah­ne, die das Glo­cken­türm­chen krönt – depo­niert wor­den ist. Sie ent­hält eini­ge Schmuck­stü­cke, die das Muse­um nach Vor­la­gen aus der eige­nen Samm­lung hat her­stel­len las­sen, eini­ge im Umlauf befind­li­che Mün­zen, eine Medail­le mit einer Dar­stel­lung des Gym­na­si­ums­ge­bäu­des sowie ein Titel­blatt der Elb­in­ger Tages­zei­tung Dzi­en­nik Elblą­ski vom 19.10.2017.