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Zum guten Schluss

Flatow, Synagoge
Foto: Stiftung Denkmal / Uwe Neumärker

Als die Holocaust-Überlebende und hochge­ehrte Zeitzeugin Margot Fried­länder am 9. Mai starb, nahm die Öffent­lichkeit großen Anteil daran und würdigte das Wirken dieser bewun­derns­werten Frau noch einmal auf vielfältige Weise. Demge­genüber fand der Tod des zweieinhalb Wochen zuvor verstor­benen Walter Franken­stein, der 1924 im westpreu­ßi­schen Flatow geboren wurde, in den Medien eine vergleichs­weise geringe Resonanz, wenngleich auch er – während der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewalt­herr­schaft in Berlin unter­ge­taucht – den Terror der Juden­ver­folgung überlebt hatte und in späteren Jahren intensiv im In- und Ausland als Zeitzeuge auftrat.

Dass Walter Franken­steins weiterhin gedacht wird, ist wesentlich der profunden Erinne­rungs­arbeit zu verdanken, die die Stiftung Denkmal für die ermor­deten Juden Europas erbringt. Dies ist besonders hilfreich, weil die Biographie des Verstor­benen zugleich an die wechsel­hafte Geschichte der Juden in Westpreußen gemahnt, die gerade in den südwest­lichen Kreisen der früheren Provinz ­einen deutlichen Nieder­schlag gefunden hat: Der 1772/73 erstellte »Kontri­bu­ti­ons­ka­taster« dokumen­tiert beispiels­weise, dass sich der Anteil der Juden an der Einwoh­ner­schaft von Flatow zu dieser Zeit auf mehr als die Hälfte belief. 

Auch wenn die Mitglie­derzahl der jüdischen Gemeinde im Laufe des 19. Jahrhun­derts schon stark gesunken war, wurde noch Ende der 1870er Jahre auf dem früheren Fried­richs­platz, dem späteren Kraut­markt, eine neue, pracht­volle Synagoge errichtet. Vielleicht hat der 13-jährige Walter Franken­stein dort seine Bar-Mizwa feiern können – ein Jahr später aber, noch vor der Reichs­po­grom­nacht, wurde der sakrale Bau gesprengt.

2003 ließ der Bürger­meister der Stadt die Konturen dieses Gebäudes auf dem Platz, der nun den Namen von Ignacy Jan Paderewski trägt, kenntlich machen. Dort, wo sich die Apsis befand, erschließt eine dreispra­chige Inschrift, in Polnisch, Hebräisch und Deutsch, den Passanten die Bedeutung des Gevierts. Seither hält dieser Grundriss die Erinnerung an die jüdische Gemeinde wach, indem er – wie einer der »Schatten von Hiroshima« – schmerzhaft die brutale Kraft der Vernichtung zu erkennen gibt und bewusst werden lässt, dass diese Kultur beklem­men­der­weise restlos unter­ge­gangen ist.

Erik Fischer