Einsam und herrenlos steht ein Handwagen am Rande des Neustädter Marktes, etwa in Höhe des stilvoll renovierten Hauses Nr. 6. Gewiss werden Kinder nicht achtlos an ihm vorbeilaufen, denn alles, was sich dort wild durcheinander stapelt, lädt zum Entdecken und Ertasten ein: neben einem zerbeulten Koffer, dem Korb mit Äpfeln, einer Kaffeemühle und allerlei Hausrat finden sie sogar ein Zugpferdchen auf Rädern.
2008 wurde dieses von Karol Furyk und Małgorzata Więcławska entworfene Denkmal aufgestellt, und seine Botschaft ist vielschichtig. Eine Gedenkplatte, ins Straßenpflaster eingelassen, verweist auf einen polnischen Film und seine namhafte Crew – und damit auf ein besonderes cineastisches Ereignis aus dem Jahre 1964. Im Stile eines grotesk-satirischen Westerns wird in Prawo i pięść (Das Gesetz und die Faust) ein – gerade zu Zeiten der kommunistischen Diktatur und des Kalten Krieges – tabuiertes Thema deutsch-polnischer Geschichte hintergründig beleuchtet: die Aneignung der wiedergewonnenen Gebiete in Westpolen nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Werk erzählt von Schurkenstücken, Intrigen, Korruption – und nicht zuletzt von Plünderungen, die es zu ahnden gilt.
Warum nun gerade in Thorn ein Denkmal an das »bewegliche ehemals deutsche Vermögen« erinnert, lässt sich rasch beantworten. Die noch stark von Kriegsschäden und Verfall gezeichnete Bausubstanz rund um den Neustädter Markt bot zu seiner Zeit eine ideale Kulisse, um dort einen wesentlichen Teil der Filmszenen zu drehen. – Dass diese Produktion übrigens bereits am 15. März 1969 als deutsche Erstaufführung in der ARD ausgestrahlt werden konnte, überrascht und wirft die spannende Frage auf, wie die Reaktionen der Zuschauer, insbesondere der persönlich betroffenen, wenn nicht traumatisierten Zeitzeugen, damals ausgefallen sein mögen.
Text: Ursula Enke
Foto: Foto: Ola Zaparucha via wikimedia.org cc by-sa 3.0