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Zum guten Schluss

Ein aufmerk­samer Betrachter, der von der gegen­überliegenden Weich­sel­seite aus auf das Stadtbild von Thorn schaut, vermag zwischen der majes­tä­ti­schen Johan­nes­kirche und dem massiven, zinnen­be­wehrten Brückentor den vergleichs­weise unschein­baren Kranturm, den kleinen Bruder des berühmten Danziger Krantores, zu entdecken. Dabei hilft der weiß leuch­tende Fachwerk-Vorbau im Dachstockwerk. Der einstige Wehrturm aus dem 13. Jahrhundert, einer der neun, die heute noch erhalten sind, ist Teil der mittel­al­ter­lichen Befestigungsanlage. 

Seit nun genau 200 Jahren ist er baulich mit dem dahin­ter­ste­henden ehema­ligen »Schwe­di­schen Getrei­de­speicher« verbunden. Das preußische Militär ließ das Gebäude, nachdem es zunächst als Kaserne genutzt worden war, 1823 für Lager­zwecke herrichten: Zur Fluss­seite hin wurden in den Turm drei Geschosse mit Luken und Schlag­läden einge­zogen, und auf dem Dachboden, unter einem neu entwor­fenen Satteldach, entstand eine Hebevor­richtung für den Kran mit einem ausge­klü­gelten Mecha­nismus, der bis heute im Origi­nal­zu­stand erhalten blieb. Die mächtige Holztrommel, das von Hand bewegte Antriebsrad von über zwei Metern Durch­messer sowie das kleinere Sperrrad mit seinem schmie­de­ei­sernen Zahnkranz zeugen von hoher Handwerks­kunst, bieten darüber hinaus aber, wie bei dieser Aufnahme zu sehen ist, durchaus ein beein­dru­ckendes, auch ästhe­tisch anspre­chendes Motiv der Technikgeschichte.

Dieses Bild sollte man vor Augen haben, wenn der Spazierweg einmal über den Philadelphia-Boulevard am Kranturm vorbei­führt und ein als touris­tische Attraktion am Seil hängender Sack den Blick nach oben lenkt – denn der Turm ist für die Öffent­lichkeit leider nicht zugänglich. Ob dies aber wohl auch für die Gäste des Hotels Spichrz gilt? In das alte »Speicher«-Gebäude wurde es um die Jahrtau­send­wende unter der strengen Aufsicht des Denkmal­schutzes derart geschickt integriert, dass die Initia­toren dafür schon mehrere Auszeich­nungen erhalten haben.

Text: Ursula Enke
Foto: Pko via wikimedia.org cc by-sa 4.0