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Wie die Zeit vergeht

Das »Museum der Danziger Wissenschaft« in der St. Katharinenkirche

Der dringende Rat »Zeit ist Geld«, den Benjamin Franklin (1706–1790) jungen Kaufleuten gab, bildet mit der strikten Ökono­mi­sierung der Zeit erst eine sehr späte, aber besonders einprägsame Formu­lierung einer funda­men­talen Erfahrung; denn dass »Zeit« eine knappe, kaum greifbare und rasch verge­hende Ressource ist, war Menschen schon stets in allen Kulturen bewusst. Neben der philo­so­phi­schen Dimension des Zeiter­lebens verweist Franklins Mahnung freilich zugleich auf die wirtschaft­liche und soziale Bedeutung, die der Zeitmessung pragma­tisch zukommt: Sie ist unerlässlich, um eine geleistete Arbeit abschätzen bzw. bewerten sowie die komplexen Prozesse einer arbeits­tei­ligen Gesell­schaft – und deren Zusam­men­leben insgesamt – koordi­nieren und steuern zu können.

Seit dem späten Mittel­alter wurde es im Abendland möglich, zu diesen Zwecken aufwändige mecha­nische Uhrwerke zu konstru­ieren, die zunächst als allge­meine Taktgeber des gemein­schaft­lichen Lebens in Kirch­türme eingebaut, späterhin dann für Wohlha­bende freilich auch zur indivi­du­ellen Nutzung verfügbar gemacht wurden. Die hier einset­zende Geschichte der Uhren­bau­kunst sowie der entspre­chenden Strategien der Zeitmessung erzählt das »Museum der Danziger Wissen­schaft«, das vor allem seit seiner Wieder­eröffnung im Jahre 2013 in der Kultur­land­schaft des unteren Weich­sel­landes eine weithin sichtbare Landmarke bildet.

Vom »Turmuhren-Atelier« zum »Museum der Danziger Wissenschaft«

Das heutige »Museum der Danziger Wissen­schaft« wurde 1996 unter dem Namen »Turmuhren-Atelier« als Abteilung des Histo­ri­schen Museums der Stadt Danzig gegründet. Haupt­in­itiator dieser Einrichtung war Dr. Grzegorz Szych­liński, ein 1955 geborener Maschi­nen­bau­in­ge­nieur und heraus­ra­gender Spezialist für alle Fragen der Uhren­bau­kunst. In den 1980er Jahren hatte er zu dem Exper­tenteam gehört, das die – in den Jahren 1464 bis 1470 von Hans Düringer geschaffene – astro­no­mische Uhr in der Danziger Marien­kirche restau­riert bzw. rekon­struiert hat. Die Sammlung an alten Uhrwerken, die Szych­liński bereits privat zusam­men­ge­tragen hatte, wuchs weiter an, und da es ihm gelang, die damalige Direktion des Histo­ri­schen Museums für das Projekt eines Uhren­mu­seums zu inter­es­sieren, begann eine gemeinsame Ausschau nach einem geeig­neten Ort, an dem die wertvollen Stücke der Öffent­lichkeit präsen­tiert werden könnten.

An diesem Punkt kam der Prior des Karme­li­ter­ordens ins Spiel, in dessen Obhut die St. Katha­ri­nen­kirche seit 1945 stand: Szych­liński hatte 1991 die Wartung und Pflege des dortigen Glocken­spiel­werks übernommen. (Zu dieser Zeit verfügte das Instrument noch nicht über die Mindestzahl von 23 Glocken, von der an es als »Carillon« bezeichnet werden darf.) Dank diesen Kontakten erhielt der passio­nierte Uhren­sammler die Erlaubnis, die erste Etage des massiven Kirch­turms für sein Vorhaben zu nutzen und konnte dort 1996 das »Atelier« eröffnen.

Drei Jahre später erhielt diese neue Abteilung des Histo­ri­schen Museums für ihre Ausstellung »Das Phänomen der Zeit« die Sybilla, den bedeu­tendsten polni­schen Museums­preis. Nun wurde sie offiziell als »Turmuh­ren­museum« etabliert, und Grzegorz Szych­liński übernahm die Stelle des Direktors, die er bis 2020 innehatte. Eine Koope­ration mit der Danziger Kunst­aka­demie verschaffte der Uhren-­Ausstellung bald eine noch größere Bekanntheit und Attrak­ti­vität, denn sie führte im Jahr 2000 zur Einrichtung einer »Galerie auf dem Turm«. Schon 2006 wurden die Aktivi­täten des Museums zum zweiten Male mit einer Sybilla prämiert, und im Juni dieses Jahres sollte in enger Verbindung mit dem erneu­erten Glocken­spiel der St. Katha­ri­nen­kirche – das aufgrund des Danziger Jubilä­umsjahr 1997 noch um die »Millen­ni­ums­oktave« erweitert worden war – der erste Inter­na­tionale Carillon-Kongress statt­finden. – Ein Großbrand aber machte am 22. Mai die meisten Pläne zunichte.

Dieser Unglückstag war einer der dunkelsten in der Geschichte des Gottes­hauses. Im Laufe von Repara­tur­ar­beiten auf dem Dach brach ein Feuer aus, das bald die gesamte Dachfläche erfasste und drohte, auf den Turm mit seiner sorgfältig rekon­stru­ierten Turmspitze und dem kostbaren, nunmehr 49 Glocken umfas­senden Carillon überzu­greifen. Die Museums­an­ge­stellten, deren Büro sich über der Südka­pelle befindet, hatten dieses Geschehen zunächst gar nicht wahrge­nommen und wunderten sich lediglich über die Löschzüge, die unten auf der Straße hielten. Wenig später kam dann jedoch unmiss­ver­ständlich die Auffor­derung, das Gebäude schnellst­möglich zu verlassen.

Das Kirchendach war zwar völlig zerstört, glück­li­cher­weise kamen aber keine Personen zu Schaden, und den Kirchturm konnte die Feuerwehr noch recht­zeitig retten. Aller­dings waren dort alle kostbaren Ausstel­lungs­stücke unter Wasser gesetzt worden. Das Carillon musste zunächst verstummen, weil die Lösch­ar­beiten eine Traktur und den Steue­rungs­com­puter in Mitlei­den­schaft gezogen hatten. Diese Probleme konnten aber verhält­nis­mäßig rasch behoben werden, und auch wenn der Brand verhin­derte, dass die kurz zuvor angekommene »Katarzyna«, die größte (und dann 50.) Glocke des Carillons noch im Turm angehängt wurde – dies geschah dann erst im Jahre 2013 –, konnte der Inter­na­tionale Kongress durch­ge­führt werden und wurde zu einem vollen Erfolg. 

Das Turmuh­ren­museum hingegen musste über sieben lange Jahre geschlossen bleiben, weil der Wieder­aufbau der Kirche so viel Zeit in Anspruch nahm. Während­dessen wurden sämtliche Exponate und andere Objekte im Magazin des Histo­ri­schen Museums der Stadt Danzig zwischen­ge­lagert. Am 1. Juli 2013 konnte dann endlich die feier­liche Wieder­eröffnung statt­finden, wobei das Museum nun noch zusätz­lichen Ausstel­lungsraum hinzu­ge­wonnen hatte, denn ihm standen von jetzt an nicht nur alle Etagen des Turms, sondern auch das Dachge­schoss des Kirchen­schiffs zur Verfügung. 

In dieser Zeit des Zuwartens schärfte das Museum sein Profil, indem es spannende wissen­schaft­liche Aktivi­täten entfaltete und Projekte entwi­ckelte, die in Polen und auch europaweit Aufmerk­samkeit erregten. Dazu gehört vornehmlich die Pulsar-Uhr Hevelius 2011. Sie war ab 2010 von einem Spezialisten-Team konzi­piert worden, das unter der Leitung von Grzegorz Szych­liński sowie von Eugeniusz Pazderski (1946–2014) vom Astronomie-Zentrum der Univer­sität Thorn stand, und wurde am Katha­ri­nentag des nachfol­genden Jahres – in dem sich der Geburtstag des Danziger Astronoms Johannes Hevelius zum 400. Male gejährt hatte – der Öffent­lichkeit vorge­stellt: Für den Empfang der pulsaren Taktsi­gnale war zwischen zwei Dächern des Presby­te­riums eine Stahl­kon­struktion mit 16 Antennen errichtet worden; der Kontrollraum befand sich im Dachge­schoss des Kirchen­schiffs. Zum Zeitpunkt der Instal­lation war dies die erste Uhr, die den Lauf der Zeit anhand einer außer­ir­di­schen Signal­quelle bestimmte. Dadurch gelang es, die Genau­igkeit von Atomuhren um das Neunfache zu erhöhen. – Diese außer­or­dent­liche Leistung trug wesentlich dazu bei, dass das Turmuh­ren­museum 2016 den neuen, anspruchs­vollen Namen »Museum der Danziger Wissen­schaft« (Muzeum Nauki Gdańskiej) erhielt.

Raritäten, Schätze und Rekorde 

Bevor der Rundgang durch die Ausstellung beginnen kann, muss zunächst ein Aufstieg bis zur ersten Plattform bewältigt werden. Dieser Weg ist keineswegs barrie­refrei, denn die Bauformen der gotischen Archi­tektur lassen sich in diesem Falle nicht mehr nachträglich modifi­zieren. Vom Seiten­eingang des Kirch­turms aus ist das Museum allein über eine Wendel­treppe erreichbar, die überdies nur jeweils von einer einzelnen Person passiert werden kann. Der Wechsel­verkehr zwischen Auf- und Abstieg muss deshalb genau reguliert werden, und diese Aufgabe übernimmt wie bei Engstellen im Straßen­verkehr eine regel­rechte Signalampel.

Sobald der Zugang zum Museum erreicht ist, betreten die Besucher einen abgedun­kelten Raum, der vom Farben­spiel eines effekt­vollen, gleichsam theatra­li­schen Licht­de­signs erhellt wird, und sie umhüllt sogleich eine akustische Wolke, die das asynchrone Ticken von zahlreichen, jeweils ihrem eigenen Rhythmus folgenden Uhren entstehen lässt.

Heute umfassen die Sammlungs­be­stände über 150 Objekte: Uhren, Werke und Fragmente histo­ri­scher Kirch­turm­uhren sowie auch Glocken. Zu den besonders wertvollen Exponaten gehören Uhrwerke mit einem Foliot, einem Gangregler, der in frühen mecha­ni­schen Räder­uhren einen halbwegs gleich­mä­ßigen Gang zu bewirken vermochte, wenngleich der Toleranz­be­reich der Gangge­nau­igkeit noch eine Abwei­chung von ca. 15 Minuten pro Tag umfasste. Nachdem Chris­tiaan Huygens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun­derts das Schwer­ependel zur Regulierung von Uhren nutzbar gemacht hatte, wurden die meisten älteren Uhrwerke umgebaut, so dass nur noch wenige mit einem authen­ti­schen Foliot erhalten blieben. Im Museum befinden sich ein frühes Exemplar aus dem 14./15. Jahrhundert mit ungewisser Herkunft sowie ein späteres aus dem 17. Jahrhundert, das die Kirch­turmuhr von Subkau (Subkowy), Kr. Dirschau, antrieb und deren Zeiger bewegte.

In diesem Ausstel­lungs­be­reich zieht beispiels­weise das 1789 erbaute Uhrwerk aus der König­lichen Residenz im Warschauer »Park der Bäder« (Łazienki-Park) ebenso die Blicke auf sich wie die Schmiede, die unterhalb des Treppen­auf­gangs einge­richtet ist und dank der Illumi­nation den Eindruck erweckt, als warte sie betriebs­bereit nur auf den Meister. Geradezu spekta­kulär freilich wirkt hier ein gewal­tiger Pendel­körper, dessen Aufhängung sich in einem oberen Stockwerk befinden muss. Er gehört zu einem Projekt, dessen Abkürzung »P‑31M« ein Pendulum (lat. für Pendel) mit einer Länge von mindestens 31 Meter bezeichnet. Dieses geradezu gigan­tische Pendel ist das Ergebnis eines erfolg­reichen Rekordversuchs.

Über lange Zeit verfügte das Hotel Cornavin in Genf über die größte mecha­nische Uhr der Welt, die eine Gesamt­länge von 30,05 Metern aufweist und vom neunten Stock bis zum Erdge­schoss hinun­ter­reicht. Dieses Maß galt es zu übertreffen, und so wurde für die St. Katha­ri­nen­kirche ein Pendel konzi­piert, das von der Höhe des Carillons und der Ziffer­blätter bis zum ersten Stock des Turms herab­hängt und nun auf eine Länge von 31,25 Meter kommt. Es schwingt jeweils zehn Sekunden lang in eine Richtung, und das Gewicht beträgt 300 kg. Es wurde Ende 2016 in Gang gesetzt, und seitdem können sich die Besucher nur schwer dem außer­ge­wöhn­lichen Eindruck dieser gleich­mä­ßigen majes­tä­ti­schen Bewegung entziehen, in der sich die Zeit zu dehnen scheint. Dass das Danziger Museum nun über das längste Pendel der Welt verfügt, ist am 18. August 2023 auch offiziell festge­stellt und im Guinness-World-Records-Buch vermerkt worden. 

Von diesem ersten Raum aus führt ein Durchgang auf den Dachboden der Katha­ri­nen­kirche. Hier ist eine umfang­reiche und wertvolle Sammlung von »Werder-Uhren« zu betrachten, die der namhafte Bildhauer und Goldschmied Paweł Fietkiewicz (1930–2015) zusam­men­ge­tragen und dem Museum vermacht hat. Diese Uhren sind technisch nicht allzu aufwändig gefertigt und mit einem oder mit zwei Zeigern ausge­stattet. Sie wurden von Menno­niten herge­stellt, die sich im späten 17. Jahrhundert mit der Uhren­bau­kunst vertraut gemacht hatten und ihre Fertig­keiten und Verfah­rens­weisen von Generation zu Generation weiter­gaben. Sehr bekannt war z. B. die Familie Kroeger, die ihre Produktion bereits in der Weich­sel­nie­derung aufge­nommen hatte und sie, nachdem sie wie viele ihrer Glaubens­brüder aus Westpreußen ausge­wandert war, seit dem Ende des 18. Jahrhun­derts auf dem Gebiet der heutigen Ukraine fortsetzte. Die Ziffer­blätter sind aus Blech herge­stellt und malerisch reich dekoriert. Dadurch sind diese Exponate in dem primär an der Technik orien­tierten Museum die ästhe­tisch am meisten anspre­chenden Uhren.

Zudem findet sich in diesem Raum eine eigene Ausstellungs­sektion über einen der bedeu­tendsten Danziger Wissen­schaftler, den schon genannten Johannes Hevelius (1611–1687). Dieser berühmte Astronom beschäf­tigte sich natur­gemäß auch mit der Uhren­bau­kunst, und deshalb werden hier Rekon­struk­tionen seiner Entwürfe und Proto­typen gezeigt. Überdies wird ein Modell der drei Häuser gezeigt, auf deren Dächern Hevelius einst seine Stern­warte einge­richtet hatte.

Schließlich ist eigens auf eine Kurio­sität hinzu­weisen: auf eine ­Astro­no­mische Uhr en miniature, die ein Józef Kozlonski in den Jahren von 1905 bis 1911 in Groß Lonk (Polskie Łąki), Kr. Schwetz, konstruiert hat. Sie ist im neugo­ti­schen Stil gehalten und folgt im Aufbau den großen astro­no­mi­schen Uhren in Danzig, Straßburg oder Prag. Sie zeigt die Monate, Wochentage, Stunden, Minuten, Mondphasen und Tierkreis­zeichen an, und selbst­ver­ständ­li­cher­weise ist im unteren Teil auch ein astro­no­mi­scher Kalender berück­sichtigt. Er setzt im Jahre 1911 ein und reicht bis ins Jahr 2036. Über der Kalen­der­scheibe und der im mittleren Teil angebrachten Uhrscheibe wird das Gehäuse von einem »Theaterteil« gekrönt, in dem Christus und die zwölf Apostel erscheinen. Die Mechanik dieser Uhr wurde kürzlich durch­ge­sehen und funktio­niert seitdem wieder völlig einwandfrei.

Wir kehren zum Turm zurück und steigen die – nun breitere – Treppe zum nächsten Stockwerk hinauf. Auf dem Wege begegnen die Besucher einer 2013 einge­rich­teten Instal­lation frei im Raum schwe­bender Glocken. Dabei handelt es sich um die Relikte des Glocken­spiels, das 1939 in der Danziger Werft gegossen und dann im Uhrenturm der Jugend­her­berge Paul Beneke auf dem Bischofsberg angebracht worden waren. Auf der Etage selbst sind Uhrwerke aus dem 19. und 20. Jahrhundert ausge­stellt. Sie stammen von Firmen wie C. F. Rochlitz aus Berlin, Johann Friedrich Weule aus dem nieder­säch­si­schen Bockenem oder G. & F. Cope Ltd. aus Nottingham. Darüber hinaus ist z. B. eine Turmuhr mit einem automa­ti­schen Glocken­spiel beach­tenswert, die 1926 in Buer bei Melle von der Fabrik Eduard Korfhage & Söhne herge­stellt worden ist – von jener Firma, die 1910 die Kirch­turmuhr von St. Katha­rinen geliefert hatte; desgleichen soll noch auf das Uhrwerk hinge­wiesen werden, das die von Michał Mięsowicz (1864–1938) gegründete »Erste Nationale Turmuhren­fabrik« in Krosno gebaut und dabei das Pendel origi­nel­ler­weise in der Form einer Flamme gestaltet hat.

Die nächste – nunmehr dritte – Etage beher­bergt das berühmte Carillon, das nicht mehr in der Turmla­terne, sondern – seit dem Abschluss der ersten Erneue­rungs­phase im Jahre 1989 – im Inneren des massiven Glocken­turms unter­ge­bracht ist. Dort kann es jetzt in Gänze besichtigt werden. Besondere Aufmerk­samkeit wird dabei stets der bereits erwähnten imposanten »Katarzyna« geschenkt, die 2.835 kg wiegt und auf den Ton B gestimmt ist. Diese perfekte Abrundung des Carillons wurde vom Leiter des Turmuh­ren­mu­seums angeregt und ließ sich letztlich durch die großzügige Förderung des Projekts durch die Stadt und ihren Bürger­meister Paweł Adamowicz (1965–2019) reali­sieren: So wurde die »Katarzyna« im Jahre 2006 von der Konin­klijke Eijsbouts im nieder­län­di­schen Asten gegossen. 

Die Bewun­derung für dieses großdi­men­sio­nierte Musik­in­strument vermag zuweilen sogar noch weiter gesteigert zu werden: wenn die Besucher einem Caril­loneur oder einer Caril­lo­neurin durch die Glaswände der Kabine hindurch beim Spielen zusehen und mit eigenen Augen beobachten können, wie kraftvoll und zugleich virtuos die Glocken zum Erklingen gebracht werden.

Die letzte Station unseres Rundgangs bildet die Aussichts­plattform unterhalb der Turmla­terne, von wo aus sich ein faszi­nie­render weiter Blick über die gesamte Danziger Innen­stadt eröffnet und alle, die bis hierhin herauf­ge­stiegen sind, überreich für ihre Mühe entlohnt.

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Wer bei seinem Besuch die Gelegenheit ergreift, die mannig­fachen Exponate im »Museum der Danziger Wissen­schaft« eingehend zu betrachten, gewinnt sicherlich einen vertieften Einblick in die Geschichte der Uhren­bau­kunst wie auch in die grund­sätz­lichen Bemühungen und ausge­klü­gelten Möglich­keiten, die physi­ka­lische Zeit zu messen. Aller­dings werden sich ihm die techni­schen Geheim­nisse und indivi­du­ellen Merkmale der großen und kleinen techni­schen Wunder­werke kaum ausnahmslos erschließen. Dies ist aber kein Schaden, denn statt­dessen sollte er sich häufiger den Eindrücken überlassen, die ihm in der »akusti­schen Wolke« vermittelt werden: Das allge­gen­wärtige vielstimmige asynchrone Ticken so vieler Uhren vermag ihn dazu anzuregen, jenseits aller Präzision der Appara­turen noch einmal genauer über das Wesen der Zeit nachzu­denken – und vermutlich erscheint auch ihm dann die Erfahrung und Einsicht plausibel, die der Kirchen­vater Augus­tinus von Hippo (354–430) einst im elften Kapitel seiner Confes­siones festge­halten hat: »Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es. Wenn ich es einem erklären will, der danach fragt, weiß ich es nicht.«

Bartosz Skop