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Ein »Zauberberg« der Wissenschaften

Die 1904 eröffnete Technische Hochschule
in Danzig-Langfuhr

Von Alexander Kleinschrodt

Äußerlich waren ihre Bauten im »Alt-Danziger Stil« gehalten, aber der hohe Anspruch an die neue Bildungsstätte sorgte dafür, dass sie mit Technik geradezu vollgepackt wurde. Neben Bau- und Ingenieurskunst prägte zwischen Kaiserzeit und Zweitem Weltkrieg aber immer auch die Politik das Geschehen an der Hochschule.

Architektur der Kaiserzeit

Gibt es eine »wil­hel­mi­ni­sche Archi­tek­tur«? Als einen Stil­be­griff wol­len Kunst­his­to­ri­ke­rin­nen und Kunst­his­to­ri­ker die­se Kenn­zeich­nung in der Regel nicht gel­ten las­sen. Das Fach beschreibt die Bau­wer­ke im Deut­schen Reich des spä­ten 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts als Archi­tek­tur des His­to­ris­mus. Sie griff zurück auf die Bau­sti­le der euro­päi­schen Geschich­te, war aber nicht nur Abklatsch der his­to­ri­schen Vor­bil­der oder ein alles ver­mi­schen­der Eklek­ti­zis­mus. Viel­mehr konn­te die­se Archi­tek­tur künst­le­risch und funk­tio­nal durch­aus inno­va­tiv sein und ent­sprach sehr gut den Bedürf­nis­sen der dama­li­gen gesell­schaft­li­chen Eliten.

Hier aber kommt viel­leicht doch wie­der Kai­ser Wil­helm II. ins Spiel. In sei­ner lan­gen Regie­rungs­zeit gab es im Deut­schen Reich tat­säch­lich eine rege Bau­tä­tig­keit. Das Reprä­sen­ta­ti­ons­be­dürf­nis und der Geschmack des Kai­sers haben sie in vie­ler Hin­sicht mit­ge­prägt. Das zeigt sich etwa im Fall der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Der Ber­li­ner Archi­tekt Franz Schwech­ten errich­te­te sie zwi­schen 1891 und 1895, ein neu­ro­ma­ni­sches Bau­werk nach dem Vor­bild der Müns­ter­kir­che in Bonn, denn dort hat­te Wil­helm II. die Uni­ver­si­tät besucht. Schwech­ten erbau­te in einem ähn­li­chen Stil dann auch das Kai­ser­li­che Resi­denz­schloss in Posen, wäh­rend sich neu­ro­ma­ni­sche Kir­chen zum Bei­spiel nach Ent­wür­fen des preu­ßi­schen Bau­be­am­ten Max Spit­ta, des Main­zer Dom­bau­meis­ters Lud­wig Becker oder des inno­va­ti­ven Ber­li­ner Archi­tek­ten Johan­nes Otzen auch in der Flä­che verbreiteten.

Ande­re his­to­ri­sche Sti­le erhiel­ten in die­ser »wil­hel­mi­ni­schen« Peri­ode ein bevor­zug­tes Ver­wen­dungs­ge­biet zuge­wie­sen. Gerichts­ge­bäu­de wur­den häu­fig im Neu­ba­rock errich­tet, wie zum Bei­spiel in Köln, wäh­rend in Mün­chen gar ein baro­cki­sie­ren­der »Jus­tiz­pa­last« ent­stand. Auch für Thea­ter und Opern­häu­ser griff man auf baro­cke For­men zurück, wenn auch kaum auf die eigent­li­che baro­cke Thea­ter­ar­chi­tek­tur. Bahn­hofs­ge­bäu­de dage­gen wur­den offen­bar häu­fi­ger als Zei­chen einer regio­na­len Iden­ti­tät kon­zi­piert und wei­sen des­halb eine gro­ße Stil­viel­falt auf. Das gilt nicht zuletzt für die vom soge­nann­ten »Rei­se­kai­ser« Wil­helm II. ange­steu­er­ten »Kai­ser­bahn­hö­fe«: In Nie­der­men­dig in der Eifel ist das Emp­fangs­ge­bäu­de ein düs­ter wir­ken­des goti­sches Schlöss­chen, in Bad Hom­burg ein Neurenaissance-Bau ange­lehnt an »alt­deut­sche« Rathäuser.

Die­se Ten­denz zeich­ne­te sich auch in der reprä­sen­ta­ti­ven Archi­tek­tur in West­preu­ßen ab. Der Bahn­hof in Dan­zig ist ein gutes Bei­spiel: Dort ent­stand zwi­schen 1896 und 1900 ein moder­nes groß­städ­ti­sches Emp­fangs­ge­bäu­de mit einer durch ein monu­men­ta­les Rund­bo­gen­fens­ter beleuch­te­ten Ein­gangs­hal­le. Sti­lis­tisch aber klei­de­te sich die­ser Bahn­hof in ein Gewand der Tra­di­ti­on, er nimmt Bezug auf die Dan­zi­ger Archi­tek­tur des 15. und 16. Jahr­hun­derts und kann mit deren gesam­tem For­men­re­per­toire auf­war­ten. Sol­che Bau­ten spiel­ten in Dan­zig und der gan­zen Regi­on zu die­ser Zeit eine beson­de­re Rol­le: Einer­seits stan­den sie für das Selbst­be­wusst­sein des 1879 wie­der zu einer selbst­stän­di­gen preu­ßi­schen Pro­vinz gewor­de­nen West­preu­ßen, ande­rer­seits soll­te die ver­meint­lich beson­ders deut­sche Archi­tek­tur eine Bas­ti­on sein in einem »Volks­tums­kampf« gegen Polen, wie er auch vom »Deut­schen Ost­mar­ken­ver­ein« pro­pa­giert wurde.

Eine vielgestaltige Technische Hochschule im Osten des Reiches

Aus die­sen Zusam­men­hän­gen wird auch die Gestal­tung und die Funk­ti­on der Tech­ni­schen Hoch­schu­le ver­ständ­lich, die um die Jahr­hun­dert­wen­de in Danzig-Langfuhr geplant wur­de. Bil­dungs­ein­rich­tun­gen die­ser Art wur­den drin­gend gebraucht, um den Bedarf an Inge­nieu­ren und Tech­ni­kern zu bedie­nen, den eine noch immer wei­ter an Fahrt auf­neh­men­de Indus­tria­li­sie­rung mit sich brach­te. Die Neu­grün­dung wur­de bewusst in eine Gegend weit­ab der ande­ren Tech­ni­schen Hoch­schu­len des Deut­schen Rei­ches gelegt, was auf Wunsch und durch Gna­den Kai­ser Wil­helms II. geschah, aber eben­so durch die inten­si­ve Lob­by­ar­beit des west­preu­ßi­schen Ober­prä­si­den­ten Gus­tav Hei­nich von Goß­ler begüns­tigt wur­de. Das noch lan­ge Zeit agra­risch gepräg­te West­preu­ßen soll­te so eine neue »Pflanz­stät­te deut­scher Tech­nik in den Ost­mar­ken« erhal­ten. Ande­rer­seits konn­te in Dan­zig zum Bei­spiel im Bereich Schiff­bau an die Arbeit der Kai­ser­li­chen Werft und im nahen Elb­ing an den Betrieb der Schichau-Werke ange­schlos­sen werden.

In einer ers­ten Denk­schrift zur Hoch­schul­grün­dung aus dem Jahr 1899 wur­de bereits fest­ge­legt, dass die neu­en Gebäu­de in Anleh­nung an Dan­zi­ger Bau­ten der Renais­sance gestal­tet wer­den soll­ten: Gewünscht waren dun­kel­ro­te, back­stein­sich­ti­ge Fas­sa­den mit Glie­de­rungs­ele­men­ten aus Sand­stein. Die fina­len Ent­wür­fe fer­tig­te der Archi­tekt Albert Cars­ten an. Er über­nahm auch die Lei­tung der im Jahr 1900 begon­ne­nen Bau­ar­bei­ten – und wur­de im Anschluss auf einen Architektur-Lehrstuhl an der neu­en Bil­dungs­stät­te beru­fen. Errich­tet wur­den die Hoch­schul­ge­bäu­de »etwas abseits der von Dan­zig nach Lang­fuhr füh­ren­den Gro­ßen Allee«. Am 6. Okto­ber 1904 konn­te die Tech­ni­sche Hoch­schu­le Dan­zig schließ­lich ein­ge­weiht werden.

Das beein­dru­cken­de Haupt­ge­bäu­de grup­piert sich um zwei Innen­hö­fe und emp­fängt die Ankom­men­den mit einer über 100 Meter brei­ten Fas­sa­de mit zwei Eck­ri­sa­li­ten, d. h. mit den her­vor­tre­ten­den Bau­kör­pern an den bei­den Enden der Gebäu­de­längs­sei­te. Sti­lis­tisch war die­ser Neu­bau ein­deu­tig ange­lehnt an das, was damals als loka­le – und natür­lich deut­sche – Tra­di­ti­on iden­ti­fi­ziert wor­den war: Das 1604 fer­tig­ge­stell­te Zeug­haus in der Dan­zi­ger Recht­stadt war der auf­fäl­ligs­te archi­tek­to­ni­sche Bezugs­punkt des Ent­wur­fes. Die drei Gie­bel am Mit­tel­bau des Haupt­ge­bäu­des las­sen sich gut auf die zwei ähn­li­chen Auf­bau­ten am Zeug­haus zurück­füh­ren, ohne mit ihnen völ­lig iden­tisch zu sein. Der Dach­rei­ter an der Hoch­schu­le konn­te dage­gen eher als Bezug­nah­me auf den Turm des Recht­städ­ti­schen Rat­hau­ses gelten.

Bereits der Skulp­tu­ren­schmuck bezog sich dann aber doch auf die dama­li­ge Gegen­wart und die Bestim­mung des Gebäu­des: Die ver­gol­de­te Figur auf der Spit­ze des Dach­rei­ters war eine Alle­go­rie der Tech­nik. Von außen nicht zu sehen war die Eisen­kon­struk­ti­on, die sich unter den hohen Dächern ver­barg. Um das Haupt­ge­bäu­de her­um ent­stan­den noch Bau­ten für das Che­mi­sche und das Elek­tro­tech­ni­sche Insti­tut sowie für das Maschi­nen­tech­ni­sche Labo­ra­to­ri­um. Alle zusam­men waren sie ein­ge­bet­tet in eine Park­an­la­ge, so dass nach heu­ti­gem Ver­ständ­nis eine Art Cam­pus entstand.

Die Fest­schrift zur Eröff­nung der Tech­ni­schen Hoch­schu­le über­rascht dann noch­mals mit einem ande­ren Ein­druck: Das Design des Büch­leins wirkt luf­tig, die Schrift­ty­pen und der spar­sa­me Dekor las­sen den Jugend­stil anklin­gen. Modern ist auch die groß­zü­gi­ge Illus­tra­ti­on die­ser Ver­öf­fent­li­chung mit zahl­rei­chen hoch­wer­ti­gen Pho­to­gra­phien. Das alles scheint fast ein wenig im Wider­spruch zu dem dring­li­chen Wunsch zu ste­hen, mit der Archi­tek­tur der Hoch­schu­le an eine loka­le Tra­di­ti­on anzu­schlie­ßen. Aber man darf eben nicht die ande­ren Ent­wick­lun­gen die­ser Zeit ver­ges­sen: Um 1910, nur sechs Jah­re spä­ter, errich­te­te Wal­ter Gro­pi­us in Alfeld bei Han­no­ver die Gebäu­de der Schuh­leis­ten­fa­brik Fagus mit ihren glä­ser­nen Vor­hang­fas­sa­den, die heu­te als Grün­dungs­bau­ten der Archi­tek­tur­mo­der­ne gelten.

Die Fest­schrift lässt erken­nen, dass die neue Hoch­schu­le in Dan­zig mehr als nur vor­zeig­bar war. Die alten Fotos der zwei­ge­schos­si­gen Wan­del­hal­le las­sen noch heu­te stau­nen, denn hier wur­den Innen­räu­me mit – wie die Fest­schrift for­mu­liert – »wür­di­ger archi­tek­to­ni­scher Durch­bil­dung« geschaf­fen, die den ange­streb­ten Rang der Hoch­schu­le gewis­ser­ma­ßen vor­weg­nah­men. Die Trep­pen­ge­län­der durf­ten mit ihren orga­nisch geschwun­ge­nen For­men sogar wie­der den neu­es­ten Zeit­ge­schmack auf­grei­fen. Die Aula war dem­ge­gen­über mit höl­zer­nen Inte­ri­eurs als Refe­renz an einen »Alt-Danziger Stil« gestal­tet wor­den. Dazu kam Bau­schmuck mit Ver­wei­sen auf den Kai­ser, die Pro­vinz West­preu­ßen und die moder­ne Indus­trie. In der Fest­schrift nimmt die Beschrei­bung der hoch­wer­ti­gen Aus­stat­tung viel Raum ein, obwohl das Gebäu­de offi­zi­ell natür­lich mit äußers­ter preu­ßi­scher Spar­sam­keit geplant wor­den war.

Ein Repräsentationsbau voller innovativer Technik

Zu dem his­to­risch auf­ge­la­de­nen Äuße­ren und der viel­fäl­ti­gen künst­le­ri­schen Aus­ge­stal­tung trat dann aber noch eine technisch-rationale Durch­pla­nung, um den prak­ti­schen Anfor­de­run­gen der Tech­ni­schen Hoch­schu­le gerecht zu wer­den. Die Lehr­sä­le erhiel­ten eine groß­zü­gi­ge Durch­fens­te­rung, die Zei­chen­ti­sche zum Bei­spiel der Schiff­bau­stu­den­ten wur­den zusätz­lich noch mit jeweils eige­ner Glüh­bir­nen­be­leuch­tung aus­ge­stat­tet. Das gan­ze Haupt­ge­bäu­de war prall­voll mit Strom‑, Wasser- und Gas­lei­tun­gen für tech­ni­sche Zwe­cke. Für eini­ge emp­find­li­che Gerä­te, die zuvor auf der Welt­aus­stel­lung in St. Lou­is gezeigt wor­den waren, gab es spe­zi­el­le Räume.

Auch beim Che­mi­schen Insti­tut, dem Größ­ten der Neben­ge­bäu­de, kon­tras­tier­ten die his­to­ri­sie­ren­de Gestal­tung des Äuße­ren und die ver­gleichs­wei­se nüch­ter­ne und funk­tio­na­le Gestal­tung im Inne­ren. Hier kam nun die Aus­strah­lung der Tech­nik selbst zum Zug. Die Beschrei­bung der ange­schaff­ten Appa­ra­tu­ren nimmt in der Fest­schrift fast schon poe­ti­sche Züge an: Ein »Roess­ler­scher Gas­schmelz­ofen, ein Abdampf­tisch mit Rühr­vor­rich­tung und eine Differential-Hebelpresse« gehör­ten dazu, »eine Topler-­Hagensche Pum­pe sowie eine Fens­ter­dop­pel­ka­pel­le«, ein »Gleichstromneben­schluß-Elektromotor«, der »durch eine als Rie­men­schei­be aus­ge­bil­de­te Scha­len­kup­pe­lung direkt mit einer [!] Gleichstrom­neben­schlußdynamo« ver­bun­den ist, und noch man­ches ande­re. Das maschi­nen­tech­ni­sche Labo­ra­to­ri­um schließ­lich, ein wei­te­rer eigen­stän­di­ger Bau auf dem Hoch­schul­ge­län­de, gleicht mit sei­ner wei­ten, auch von oben beleuch­te­ten Hal­le den »Kathe­dra­len der Indus­trie«, wie sie zu die­ser Zeit zum Bei­spiel im Ruhr­ge­biet ent­stan­den. Auch an moder­nen Kom­fort war gedacht wor­den, wie etwa an die »in reich­li­cher Zahl ange­ord­ne­ten Abor­te« – damals noch nicht selbst­ver­ständ­lich, denn Toi­let­ten mit Was­ser­spü­lung ver­brei­te­ten sich erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Die Danziger Hochschule bis zum Ende der deutschen Epoche

Die neue Tech­ni­sche Hoch­schu­le in Dan­zig konn­te sich schnell einen guten Ruf erar­bei­ten. Gera­de auch die Lehr­stüh­le in den Fächern Archi­tek­tur und Städ­te­bau waren ange­se­hen, so dass Dan­zig, auch zum Bei­spiel von Ber­lin aus betrach­tet, kei­nes­wegs eine Pro­vinz­hoch­schu­le blieb. Begon­nen wur­de mit rund 600 Stu­den­ten, ers­ter Rek­tor war der her­aus­ra­gen­de Mathe­ma­ti­ker Hans von Man­goldt. In der Zeit bis zum Ers­ten Welt­krieg gab es an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le nicht weni­ge pol­ni­sche Stu­den­ten, es exis­tier­ten auch pol­ni­sche Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen. Die Unter­richts­spra­che war jedoch durch­weg Deutsch und das uni­ver­si­tä­re Leben blieb maß­geb­lich deutsch geprägt.

In der deutsch­spra­chi­gen Erin­ne­rungs­li­te­ra­tur, in der ehe­ma­li­ge Stu­den­ten der Tech­ni­schen Hoch­schu­le nach dem Zwei­ten Welt­krieg sowie Flucht und Ver­trei­bung der deut­schen Bevöl­ke­rung auf ihre Dan­zi­ger Jah­re zurück­blick­ten, domi­nie­ren natur­ge­mäß lau­ni­ge Anek­do­ten und die Beschrei­bung von Schön­hei­ten der Ost­see­küs­te. Bei dem Dan­zi­ger His­to­ri­ker Józef Wło­dar­ski, der zu Anfang des 21. Jahr­hun­derts in offi­zi­el­lem Auf­trag eine Dar­stel­lung der Uni­ver­si­täts­ge­schich­te ver­fass­te, kommt auch eine ande­re Per­spek­ti­ve, kom­men auch die pol­ni­schen Erin­ne­run­gen zum Aus­druck. Nach dem Ers­ten Welt­krieg hät­ten Deutsch­land wie auch Polen ver­sucht, die Tech­ni­sche Hoch­schu­le in der unter Auf­sicht des Völ­ker­bun­des ste­hen­den Frei­en Stadt Dan­zig unter ihre Kon­trol­le zu bekom­men. Jedoch wei­te­te sich der deut­sche Ein­fluss schnell wie­der aus, nicht zuletzt durch die Akti­vi­tä­ten der 1922 in Ber­lin gegrün­de­ten Gesell­schaft von Freun­den der Dan­zi­ger Hoch­schu­le, die erheb­li­che finan­zi­el­le Mit­tel und hoch­ran­gi­ge Wis­sen­schaft­ler nach Dan­zig ver­mit­teln konnte.

Von den Fei­ern zum 25-jährigen Bestehen der Hoch­schu­le sei­en pol­ni­sche Stu­den­ten aus­ge­schlos­sen geblie­ben. Über­dies sei im gan­zen Deut­schen Reich aktiv für ein Stu­di­um in Dan­zig gewor­ben wor­den. Im Rah­men eines »Ost­se­mes­ters« soll­ten neue deut­sche Stu­den­ten den deut­schen Cha­rak­ter der Hoch­schu­le sichern hel­fen, wofür es dann ab 1933 auch ein Sti­pen­di­en­sys­tem gab. Ent­ge­gen offi­zi­el­len Abkom­men sei der Zugriff auf die Hoch­schu­le aus dem Deut­schen Reich wei­ter ver­stärkt wor­den, wodurch die Lage der pol­ni­schen Stu­den­ten im Lauf der drei­ßi­ger Jah­re immer bedräng­ter gewor­den sei: In den Hör­sä­len fan­den sie gele­gent­lich Zet­tel der deut­schen Kom­mi­li­to­nen mit der Auf­schrift vor: »Polen auf hin­te­re Bän­ke«. Ein nor­ma­les Stu­di­um war für Polen an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le dann schon vor dem Beginn des Zwei­ten Welt­krie­ges nicht mehr möglich.

Der Lehr­be­trieb lief in Dan­zig noch bis März 1945 wei­ter. Egon Mary­trer, der letz­te deut­sche Rek­tor, hat spä­ter sei­ne Flucht am 26. März geschil­dert und sei­ne dama­li­gen Gedan­ken: »Das ist das Ende, die nächs­te Nacht dürf­te die Hoch­schu­le kaum noch deutsch sein und ein wei­te­res Ver­blei­ben wäre sinn­los.« Albert Cars­ten, der Mit­er­bau­er der Hoch­schul­ge­bäu­de und lang­jäh­ri­ge Dan­zi­ger Archi­tek­tur­pro­fes­sor, hat­te bereits zwei Jah­re zuvor alles ver­lo­ren – zuerst sei­ne aka­de­mi­schen Ehren und schließ­lich sein Leben: Cars­tens Geburts­na­me war Cohn, er war jüdi­scher Abstam­mung, muss­te sich zunächst ins Pri­va­te zurück­zie­hen und wur­de schließ­lich in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger The­re­si­en­stadt depor­tiert, wo er 1943 umge­kom­men ist.

Nach dem Krieg wur­den die Schä­den an den Gebäu­den rela­tiv schnell besei­tigt. Die Tech­ni­sche Hoch­schu­le Dan­zig wur­de zur Poli­tech­ni­ka Gdańs­ka, deren Mit­tel­punkt wei­ter­hin das Haupt­ge­bäu­de von 1904 bil­det. Inzwi­schen sind zahl­rei­che wei­te­re Gebäu­de für For­schung und Leh­re in der Nach­bar­schaft der Grün­dungs­bau­ten hin­zu­ge­kom­men. Schein­bar bil­den die deut­sche Grün­dungs­pha­se und die heu­ti­ge pol­ni­sche Hoch­schu­le zwei scharf von­ein­an­der getrenn­te Epochen.

* * *

In einem Roman des Dan­zi­ger Schrift­stel­lers Paweł Huel­le, der 2005 auch auf Deutsch erschie­nen ist, ver­bin­den sich unter­schied­li­che Tra­di­ti­ons­li­ni­en jedoch auf eigen­sin­ni­ge Wei­se. Das Buch bil­det eine Vor­ge­schich­te zu Tho­mas Manns Zau­ber­berg mit dem Prot­ago­nis­ten Hans Cas­torp, über den man bei Mann in einem Neben­satz erfährt, dass er »vier Semes­ter Stu­di­en­zeit am Dan­zi­ger Poly­tech­ni­kum hin­ter sich« gebracht habe. Huel­le beschreibt nun in sei­nem Roman Cas­torp genau die­se Epi­so­de, ima­gi­niert Han­sens Leben in Dan­zig, lässt die poli­ti­schen Hin­ter­grün­de erken­nen und sei­ne Haupt­fi­gur von einer schö­nen pol­ni­schen Frau träu­men. Der pol­ni­sche Autor ging damit, wie es in einer begeis­ter­ten Rezen­si­on einer deut­schen Zei­tung hieß, das »Wag­nis« ein, »Dan­zig als deut­sche Stadt zu zei­gen« und zugleich »das Pol­ni­sche ins Zen­trum der deut­schen Kul­tur« hineinzuschreiben.

Den His­to­ri­ker, Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler und Danzig-Kenner Peter Oli­ver Loew hat das Buch dazu ver­an­lasst, das Haupt­ge­bäu­de der alten Tech­ni­schen Hoch­schu­le, wie es da seit 1904 auf einer Anhö­he in jenem Teil Dan­zigs steht, der heu­te Wrzeszcz heißt, zu einem »Zau­ber­berg der Wis­sen­schaf­ten« zu erklä­ren. Ganz offen­sicht­lich ist die­ser Ort – ähn­lich wie das fik­ti­ve Davo­ser Sana­to­ri­um, in dem Tho­mas Manns Zau­ber­berg spielt – ein Spie­gel euro­päi­scher Schick­sa­le und Beziehungen.