Die Staatswerdung Preußens 1525
Von Peter Paziorek
Die politischen und kulturellen Entwicklungen, die im Jahr 1525 zur Bildung des Herzogtums Preußen führten, sind derart komplex und voraussetzungsreich, dass sie sich nur zufriedenstellend erfassen lassen, wenn die Geschichte bis zur Schlacht von Tannenberg (1410), bei der der Deutsche Orden eine vernichtende Niederlage erlitt, und dem im Folgejahr geschlossenen Frieden von Thorn zurückverfolgt wird; denn diese beiden Daten vom Anfang des 15. Jahrhunderts markieren den historischen Wendepunkt, von dem an bereits der außen- und innenpolitische Niedergang des Ordensstaates einsetzte.
Phasen eines unaufhaltsamen Machtverlusts
Auch wenn der Thorner Friedensschluss von 1411 die territoriale Integrität des Ordensstaates weitgehend unangetastet gelassen hatte, führten hohe Reparationsforderungen und Lösegeldzahlungen zu schweren Belastungen. Heinrich von Plauen, der erfolgreich die Marienburg verteidigt hatte und zum Hochmeister des Ordens gewählt worden war, bemühte sich im hohen Maße darum, den Orden wirtschaftlich und militärisch neuerlich zu stärken, und wagte wegen Grenzstreitigkeiten schon im Spätsommer 1413, einen neuen Krieg gegen Polen zu beginnen, um sich von den in Thorn ausgehandelten harten Konditionen zu befreien. Doch dies wurde von einem großen Teil des Ordens nicht mitgetragen, so dass der Krieg schnell abgebrochen und der Hochmeister abgesetzt wurde.
Überall im Reich konstituierten sich besondere landständische Vertretungen, die im Interesse beispielsweise der Städte und Gemeinden mit dem Landesherrn Fragen der Steuererhebung verhandeln wollten. Die Situation des Ordens im eigenen Land wurde deshalb zunehmend schwieriger. In dieser Konstellation griff 1414 die polnisch-litauische Seite neuerlich an, wobei allerdings keine offenen Feldschlachten stattfanden, sondern die jeweiligen Nachschubwege attackiert und die Vorräte vernichtet wurden. Aufgrund der dadurch hervorgerufenen Versorgungsnöte und Seuchen erhielten diese Auseinandersetzungen den Namen »Hungerkrieg«. In den nachfolgenden Jahren blieben die Verhältnisse zwischen den Kontrahenten weiterhin in der Schwebe, wurden allenfalls durch kurzfristige Waffenstillstände stabilisiert. Erst der Frieden von Melnosee führte im Jahre 1422 zu einem wechselseitig akzeptierten Interessenausgleich.
Die bis dahin fortgesetzten verlustreichen militärischen Operationen riefen eine ständig steigende Finanznot hervor, die ihrerseits dazu führte, dass die Untertanen des Ordens mit immer höheren Steuerforderungen belastet wurden. Daneben taten sich in Preußen zwischen dem Orden und den Ständen zahlreiche regionale Konflikte auf. Zunehmend wurden Klagen gegen die Obrigkeit erhoben, die sich überdies in wachsender Zahl Übergriffe zuschulden kommen ließ. Verschärft wurde diese Problematik schließlich durch die Forderungen der Mächtigen im Lande, insgesamt stärker als bisher an der politischen Willensbildung beteiligt zu werden.
Am 14. März 1440 kulminierte diese Entwicklung in der Gründung des Preußischen Bundes, des »Bundes vor Gewalt und Unrecht«, zu dem sich in Marienwerder 53 preußische Edelleute und 19 Städte zur Sicherstellung ihrer Rechte zusammenschlossen. Da dieser Protest über lange Jahre keine zufriedenstellenden Ergebnisse zeitigte und der Kaiser den »Bund« am 1. Dezember 1453 als unrechtmäßig verurteilte, kündigten die preußischen Stände dem Hochmeister ihren Treueeid, erklärten dem Orden am 4. Februar 1454 den Krieg und unterstellten sich mit seinem Anführer Hans von Baysen am 6. März 1454 dem polnischen König Kasimir IV. Andreas als Schutzherrn. Aus dem landständischen Recht einer inneren staatlichen Organisation erwuchs nunmehr ein Widerstandsrecht gegen den Landesherrn. Dabei ging es den preußischen Ständen eigentlich nicht um einen anderen Landesherrn, sondern um einen besseren, der ihnen mehr Autonomie gewähren sollte. Eine solche Möglichkeit hatte und hätte der Deutsche Orden nie in Erwägung gezogen.
Am 22. Februar 1454 erklärte auch der Polnische König dem Hochmeister den Krieg und nahm am 6. März die Erhebung der preußischen Stände an. Nun entspann sich bis 1466 der »Dreizehnjährige Krieg«, bei dessen Beginn der Orden bereits etliche seiner Burgen aufgeben musste und durch den Verlust weiter Landesteile wichtige Einnahmequellen verlor. Da er die Forderungen seiner Söldner, die als Pfand die Marienburg besetzt hatten, nicht erfüllen konnte, gab der Hochmeister 1457 sogar seinen Hauptsitz auf und siedelte nach Königsberg um. Nur wenige Tage danach hielt der polnische König, nachdem er den Besatzern ihren Sold gezahlt hatte, Einzug in das Ordensschloss an der Nogat.
Neun weitere Jahre dauerten die kriegerischen, vor allem von marodierenden Söldnertruppen geführten Auseinandersetzungen noch an, die Niederlage des Ordens zeichnete sich aber immer deutlicher ab, so dass der Hochmeister letztlich einem Friedensschluss zustimmen musste, der am 15. Oktober 1466 – wiederum in Thorn – besiegelt wurde. Durch die Bestimmungen dieses Zweiten Thorner Friedens wurden weite Teile des preußischen Landes der Polnischen Krone zugeordnet, die Marienburg blieb in feindlicher Hand, und auch das Ermland wurde abgetrennt und kam an das autonome Polnisch-Preußen, das der Orden nun offiziell abtrat. Damit war die dominierende Stellung des Ordens im Ostseeraum endgültig beseitigt.
Die Fesseln der polnischen Lehnsherrschaft
Durch den Friedensschluss veränderte sich allerdings auch der Status der übrigen, dem Orden noch verbliebenen Gebiete. Von nun an sollte der Hochmeister dem polnischen König einen Treueeid schwören, wodurch der Ordensstaat Polen faktisch inkorporiert zu werden drohte. Dabei blieb es unerheblich, ob der Hochmeister entsprechend der Privilegierung des Ordens solch einen Lehnseid überhaupt schwören konnte; denn dieses Vorrecht hatte aufgrund der nun eingetretenen machtpolitischen Konstellation seinen Schutzcharakter eingebüßt. Zwar wehrte man sich auf Seiten des Ordens anfänglich noch gegen eine solche Verpflichtung, am Ende aber akzeptierten die jeweiligen Hochmeister bis 1498 das ihnen auferlegte Lehnsverhältnis.
Diese rechtlichen Abhängigkeiten des Ordens engte seine Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße ein; denn gegenüber dem Lehnsherrn bestand eine der zentralen Verpflichtungen für einen Vasallen in der Heeresfolge. Die staatspolitische Lage erschien somit am Ende des 15. Jahrhunderts als geradezu hoffnungslos. So kann es kaum wundernehmen, dass der Erzbischof von Gnesen sogar anregte, den polnischen König in Personalunion als Hochmeister einzusetzen.
Der Orden suchte diese Fesseln dadurch zu lockern, dass er begann, die Hochmeisterwürde deutschen Fürstensöhnen anzutragen. Dank diesem taktischen Zug versprach man sich stärkere Unterstützung aus dem Reich und hoffte, derart die Ansprüche und den Einfluss des polnischen Königs zurückdrängen zu können. So wurde 1498 mit Herzog Friedrich von Sachsen erstmals ein Reichsfürst zum neuen Hochmeister gewählt. Ihm gelang es, die Beziehungen zum Deutschen Kaiser Maximilian zu verbessern und tatsächlich den Treueeid zu verweigern. Von erheblichem Nachteil war allerdings, dass Friedrich sich mehrere Jahre lang nicht in seinem Herrschaftsgebiet aufhielt und somit eine Vielzahl von energisch eingeleiteten Reformmaßnahmen, die vor allem auf eine Konsolidierung des Staatshaushalts zielten, nicht zum Erfolg führen konnte. Im Alter von 37 Jahren starb er 1510 in seiner Heimat, in Rochlitz.
Noch während Friedrichs Amtszeit hatten Repräsentanten des Ordens mit den Hohenzollern Verhandlungen aufgenommen, um frühzeitig aus diesem Haus einen Nachfolger zu gewinnen. Diese Gespräche führten zu dem Ergebnis, dass der aus der fränkischen Linie stammende Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach zur gegebenen Zeit zum Hochmeister gewählt werden sollte: Gemäß der für die Hohenzollern festgelegten Erbfolgeregeln, der Dispositio Achillea, war der 1490 geborene Albrecht zu einer geistlichen Laufbahn bestimmt worden und mit 16 Jahren bereits als Domherr an den Hof des Kurfürsten Hermann von Köln gelangt. Hinzu kam, dass er ein Neffe des polnischen Königs Sigismund I. war. Diese verwandtschaftlichen Beziehungen nährten die Hoffnung, der Orden könnte auf friedlichem Wege eine größere Unabhängigkeit des Ordens erreichen. Nach seiner Wahl (im Dezember 1510) und seinem Einzug in Königsberg (im Herbst 1512) zerschlugen sich diese zuversichtlichen Erwartungen allerdings. Sigismund forderte unverwandt die Leistung des Huldigungseides, so dass Albrecht darauf sinnen musste, sich dieser Forderung zu entziehen.
Aus dem Bedürfnis heraus, den Orden endlich aus seiner schwachen Position zu befreien, entschloss sich Albrecht zu einem äußerst riskanten Manöver. Als letzten militärischen Versuch, die polnische Vormundschaft abzuschütteln, begann er am Jahreswechsel 1519/20 den »Reiterkrieg«, der 16 Monate währte. Diese mit wechselndem Kriegsglück geführten Auseinandersetzungen, bei denen offene Feldschlachten vermieden und des Öfteren diplomatische Friedensinitiativen ergriffen wurden, kamen zu einem Ende, weil der römisch-deutsche Kaiser Karl V. und der böhmisch-ungarische König Ludwig II. intervenierten und einen vierjährigen Waffenstillstand vermittelten, der am 5. April 1521 in Kraft trat. Diese Vereinbarung bestätigte, dass beide Seiten am Ende ihrer wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten angekommen waren. Albrecht zog sich nun in seine Heimat zurück, um seine weiteren Handlungsoptionen aus einigem Abstand heraus zu überprüfen und zu überdenken. Dort musste er freilich feststellen, dass er in Deutschland für seine Position in Preußen keine Unterstützer mehr finden würde: Im Reich hatte man zu dieser Zeit aufgrund anwachsender sozialer Unruhen und gesellschaftlicher Konflikte – wie sie beispielsweise in Aufständen der Bauernschaft oder vor allem in den brisanten Positionen der Reformatoren manifest wurden – eigene, andersgelagerte politische Probleme zu lösen.
»Vide mirabilia!«
Gerade jene von der Reformation entfalteten Kräfte gewannen für die weitere Entwicklung des Ordensstaates wie für das persönliche Schicksal des Hochmeisters eine überragende Bedeutung, denn sie ermöglichten eine Entwicklung, die binnen des kurzen Zeitraums von vier Jahren grundstürzende Veränderungen hervorrief. – Albrecht lebte, nachdem er Preußen verlassen hatte, die meiste Zeit über in Nürnberg, wo die Reformation von ihrem Beginn an eine große Anhängerschaft hatte. Vermutlich hörte er damals bereits Predigten Andreas Osianders, der seit 1522 als Theologe an der Lorenzkirche wirkte. Albrechts anhaltende geistige Nähe zu diesem einflussreichen Reformator spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, dass er Osiander 1549 an die Königsberger Universität berief, ihn dort gegen die Statuten zum professor primarius, zum Dekan der theologischen Fakultät, ernennen ließ und unbeirrt an dessen höchst umstrittenen, mehrheitlich abgelehnten Lehrmeinungen festhielt.
Einen weiteren Kontakt zu den reformatorischen Bestrebungen wollte Dietrich von Schönberg, ein führender Rat und Günstling des Hochmeisters – der abschätzig auch als »des hoemeisters underhembd« bezeichnet wurde – schon 1521 stiften, indem er anregte, Martin Luther um Vorschläge zu bitten, auf welche Weise die Regeln des Deutschen Ordens erneuert werden könnten. Nach einigen Verzögerungen kam Albrecht im Jahre 1523 auf diesen Gedanken zurück und wandte sich mit jenem Anliegen nun selbst an Luther. Seine Ratschläge kleidete der Reformator in die Form eines, leider nicht exakt datierbaren Sendschreibens, dem er den folgenden Titel gab: »An die herren Deutschs ¦ Ordens / das sy falsche keusch= ¦ hait meyden / vnd zůr rech ¦ ten Eelichen keusch= ¦ hait greyffen / ¦ Ermanūg«. In seinen Ausführungen beschränkte sich Martin Luther freilich nicht darauf, den Ordensbrüdern die Ehe anzuraten, vielmehr empfahl er eine vollständige Auflösung des Ordens und die Verwandlung seines Staates in ein weltliches Territorium. Darum reiste Albrecht im Jahre 1524 selbst nach Wittenberg, um sich im persönlichen Gespräch mit dem Reformator zu beraten. Nach diesem Treffen war offenbar Albrechts Entscheidung gefallen, die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum anzustreben.
Dabei wusste der Hochmeister natürlich, dass ein derart tiefgreifender Wandel nur mit dem Einverständnis des polnischen Königs herbeigeführt werden könnte. Deshalb galt es, zügig Verhandlungen aufzunehmen – wobei das baldige Auslaufen der Vierjahresfrist, auf die der Waffenstillstand von 1521 begrenzt worden war, den Zeitdruck noch erheblich erhöhte. Die bilateralen Unterredungen, die größtenteils im Geheimen stattfanden, zeitigten erstaunlicher- wie erfreulicherweise höchst positive Ergebnisse, so dass die angestrebte Transformation tatsächlich in Angriff genommen werden konnte. Dass dieser Prozess nahezu störungsfrei ablief, war nicht zuletzt der für das Unternehmen glücklichen Fügung geschuldet, dass die Bauernkriege im Heiligen Römischen Reich alle Aufmerksamkeit der Herrschenden fesselten und weder der Kaiser noch die Fürsten das Geschehen im fernen Preußen im Blick behielten.
Der staunenswerte Erfolg dieses zunächst kaum merklichen Übergangs war neben den günstigen Zeitläuften allerdings nicht allein auf die Zielstrebigkeit, die umsichtige Planung und das diplomatische Geschick des Markgrafen Albrecht zurückzuführen, sondern beruhte zu einem erheblichen Teil auch auf der Entschiedenheit und der Autorität des Bischofs von Samland, Georg von Polenz, der sich bereits in seiner auf Deutsch gehaltenen Weihnachtspredigt des Jahres 1523 zur Lehre Luthers bekannt hatte und kurz darauf offiziell zum Protestantismus übergetreten war. Da er während der Abwesenheit des Landesherrn in den Jahren von 1522 bis 1525 als Regent des Ordens sowie als oberster Kanzler des Staates amtierte, standen ihm alle Mittel zur Verfügung, unter Albrechts ausdrücklicher Zustimmung die Reformation in seinem Bistum
und darüber hinaus bereits 1524 flächendeckend einzuführen, und deshalb gelang es ihm, das Feld für die Säkularisierung der Herrschaftsform frühzeitig zu bereiten. So war es auch Georg von Polentz, sein bedeutender Mitstreiter, dem Martin Luther im April 1525 voller Freude schrieb: Vide mirabilia! Ad Prussiam pleno cursu plenisque velis currit Evangelium! [Siehe das Wunder! In voller Fahrt, mit prallen Segeln eilt das Evangelium nach Preußen!]
Die Gründung des ersten evangelischen Staates
Als es am 8. April 1525 – wenige Tage vor Ablauf der vierjährigen Waffenstillstandsvereinbarung – zum Friedensschluss von Krakau kam, trat diese diskret vorbereitete Einigung zwischen Polen und dem Deutschen Orden für das Reich wie die Kirche überraschend ein; und sowohl der Kaiser als auch der Pabst vermochten den ausgehandelten Bedingungen, insbesondere der Säkularisation der geistlichen Herrschaft in Preußenland, geradezu zwangsläufigerweise nicht zuzustimmen – selbst wenn damit ein jahrzehntelanger Konflikt beigelegt werden konnte. Karl V. verhängte gegen Albrecht 1532 sogar die Reichsacht, die aber wirkungslos blieb.
Neben der Möglichkeit, die Reformation erstmalig in einem Flächenstaat zu institutionalisieren, war es für diesen Friedensvertrag entscheidend, dass Albrecht das Ordensland dem polnischen König zunächst abtreten sollte, um sodann damit wiederum belehnt zu werden. Diese Verpflichtung zum Lehnseid sollte auch auf die Erben des Herzogs übergehen. Ebenfalls belehnt wurden die Brüder des Herzogs aus der fränkischen Linie. Dies hatte die rechtliche Wirkung, dass erst nach dem Aussterben aller männlichen Erben das Land wieder an die Krone Polen fallen würde. Diese erbrechtlichen Regelungen zugunsten der Nachkommen legten eine dynastische Politik nahe, die 1599 zu einem Hausvertrag zwischen dem Kurfürsten Joachim Friedrich von Brandenburg und – als dem Vertreter der fränkisch-preußischen Linie – dem Markgrafen Georg Friedrich I. führte. Hier wurde die Unteilbarkeit sämtlicher Hohenzollernscher Lande zugunsten der brandenburgischen Linie vereinbart. Die staatsrechtliche Verknüpfung von Preußen und Brandenburg war damit nur noch eine Frage der Zeit.
Am 9. Mai 1525 nahm Albrecht in Königsberg die Huldigung der Stände entgegen. Damit trat nun ein Herzogtum in die deutsche Geschichte ein, das den Namen Preußen führte. Damals konnte sich gewiss keiner der Beteiligten vorstellen, welche überragende Bedeutung ein Staat dieses Namens in späterer Zeit für die deutsche und europäische Geschichte haben würde. – Die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum gelang ohne irgendwelche Hemmnisse. Schon im Dezember beschloss der Landtag, der nun für gesetzgeberische Akte zuständig war, eine allgemeine Landesordnung; und das funktionstüchtige Herrschafts- und Verwaltungssystem, das die Feudalverfassung des Ordens mit seinen Gebietigern und Komturen herausgebildet hatte, konnte bruchlos in eine Regierung der Oberräte und Amtshauptleute überführt werden. Die hilfreichen Routinen dieser Verwaltungstradition blieben somit gewahrt. Dabei entwickelte sich übrigens auch die Bezeichnung »Landrat«, die heute noch in Deutschland eine besondere Bezeichnung für die Leiter der Kreisverwaltungen darstellt.
Die politisch wie konfessionell unsichere Position seines neu konstituierten Staates wusste Herzog Albrecht mit diplomatischem Geschick zu stabilisieren. Zum einen knüpfte er Verbindungen zu evangelischen Herrschern und Städten im Reich, zum anderen bemühte er sich um engere Beziehungen zur Hanse sowie zu den Anrainerstaaten der Ostsee, die sich ebenfalls schon frühzeitig zum Protestantismus bekannt hatten. Dadurch vermochte er schon bald eine gewisse Autonomie gegenüber dem polnischen König zu erlangen.
Der Herzog war überdies den Freien Künsten wie der Malerei und insbesondere der Musik an seinem Hof zugetan; vor allem aber förderte er die Wissenschaft durch die Königsberger Universität, die Albertina, die er mit großer Weitsicht im August 1544 gründete und die sich bald zu einem intellektuellen und kulturellen Zentrum der Region entwickelte. Ungeachtet der Probleme, Streitigkeiten und Intrigen, die Albrechts letzte Lebensjahre überschatteten, konnte die Geschichte somit ein Bild von ihm bewahren, das ihn mit Recht als einen klugen Staatsmann zeichnet, der, ohne über allzu viele eigene Machtmittel zu verfügen, in einer historisch günstigen Konstellation einen tiefgreifenden und zukunftsträchtigen Wandel zuwege brachte und zudem seinen Staat und seine Verfassung nach Kräften förderte.