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Alexandrów Kujawski — Renaissance eines polnischen Bahnhofs mit deutsch-­russischer Geschichte

Jüngst konnte die erste Tranche der konser­­va­torischen Arbeiten am Bahnhof von Alexandrów Kujawski abgeschlossen werden. Das Gebäude war bis 2008 im Besitz der Polnischen Staats­bahn PKP und befand sich in einem höchst baufälligen Zustand. Seitdem es von der Stadt übernommen wurde, gibt es Bemühungen um eine Renovierung, die nun zu ersten respektablen Ergebnissen geführt haben.

Diese Maßnahmen werden vom Marschall der Woiwod­schaft, Piotr Całbecki, nachdrücklich gefördert ;  er hat dafür bislang schon 2,5 Millionen Złoty bereit­ge­stellt. Zunächst sind im Mittel­ge­bäude, dem früheren Restaurant, sämtliche elektri­schen Leitungen sowie Fenster und Türen erneuert worden. Zudem erhielten die Wände frischen Putz, die Fußböden wurden neu verlegt, und die Räumlich­keiten auf dem Dachboden sind nutzbar gemacht worden. Sie können seitdem über ein Treppenhaus erreicht werden, und sogar ein Fahrstuhl wurde eingebaut. Danach ist im ehema­ligen Restaurant inzwi­schen ein Konzertsaal einge­richtet worden, während ein Seiten­flügel neuer­dings die Städtische M.-D.-­Zielińska-Bibliothek (Miejska Biblioteka Publiczna im. Marii Danilewicz Zielińskiej) beher­bergt. Etliche weitere Renovie­rungs­ar­beiten werden zügig fortgesetzt.

Bereits die Teilre­no­vierung lässt neuerlich die frühere Pracht des Gebäudes erahnen und regt dazu an, sich genauer mit der Geschichte dieses in früheren Zeiten bedeu­tenden Bahnhofs zu beschäf­tigen. ­Trojanów, das spätere Aleksandrów ­Kujawski, wurde 1834 ­gegründet. Nahe der Weichsel und etwa zwanzig Kilometer südsüd­östlich von Thorn – bereits in Russisch-Polen – gelegen, war dieser Ort dadurch ausge­zeichnet, dass er nur zwei Kilometer von dem kleinen Fluss Tążyna entfernt war, der seit 1832 die Grenze zwischen Preußen und dem Russi­schen Reich markierte. Aus diesem Grunde nahm der Ort mit dem Beginn des Eisen­bahnbaus einen rapiden Aufschwung ;  denn nun wurde absehbar, dass hier bald ein Grenz­bahnhof entstehen musste. So kamen schon in den 1850er Jahren erste Ansiedler :  Bautischler, Schreiner und andere Handwerker. 1860 wurde der Bahnhof errichtet, und wenig später wuchsen die Schie­nen­stränge auf beiden Seiten der Grenze zusammen : Am 24. Oktober 1861 war bereits die Strecke Schneidemühl–Bromberg bis nach Thorn weiter­ge­führt worden ;  die Fortsetzung von dort über die russische Grenze hinweg bis nach Trojanów wurde am 5. Dezember 1862 freige­geben, während die Warschau-Bromberger Eisenbahn bereits am Tage zuvor die Strecke Kutno–Trojanów – die Verlän­gerung der am 1. Dezember 1861 eröff­neten Strecke Łowicz (Lowitsch)–Kutno – in Betrieb genommen hatte. Jetzt kamen natur­gemäß weitere neue Stadt­be­wohner, vor allem deutsche wie russische Eisen­bahner sowie Zoll- und Post­beamte. Die Station (und damit der Ort) gewannen eine große Bedeutung, denn sie bildete den einzigen preußisch-russischen Eisenbahn-Grenzübergang bis nach Mława in östlicher Richtung und bis zum südwestlich gelegenen Skalmier­schütz (Skalmierzyce). Nach der Eröffnung der neuen Bahnstrecke nach Ciech­o­cinek (Hermannsbad), am 28. Juni 1867, wurde Trojanów sogar zu einem Eisenbahnknoten.

In den Fokus der großen Politik geriet der Bahnhof, als dort am 3. und 4. September 1879 der russische Zar Alexander II. und der deutsche Kaiser Wilhelm I. zusam­men­trafen. (Für die Stadt selbst ergaben sich aus dieser Zusam­men­kunft weiter­rei­chende konkrete Konse­quenzen, denn sie wurde daraufhin in »Alexan­drowo« umbenannt und erhielt zudem das Stadt­recht.) Nach den offizi­ellen Gesprächen, die sich vornehmlich um die Fortsetzung der militä­ri­schen Zusam­men­arbeit drehten, übernachtete der deutsche Kaiser in speziell für ihn einge­rich­teten Gäste­zimmern des Bahnhofs­hotels. In den 1880er Jahren wurden die Gebäude sodann im Stil der franzö­si­schen Neore­nais­sance erweitert und umgestaltet. Im Nordflügel entstanden überdies reprä­sen­tative Appar­te­ments für bedeu­tende bzw. vermö­gende Gäste, die so genannten »Zaren­zimmer«.

Im I. Weltkrieg wurden nach dem Abzug der Russen aus Alexan­drowo und der Besetzung der Stadt durch das deutsche Heer im Bahnhof Behörden der deutschen Militär‑, Kommunal- und Eisen­bahn­ver­wal­tungen einge­richtet. Die Bestim­mungen des Versailler Vertrages haben 1920 dann den Grenz­verlauf geändert. Die jetzt zu Polen gehörige und in Aleksandrów Kujawski umbenannte Stadt lag plötzlich im Inland :  Der Bahnhof sank auf den Rang einer unbedeu­tenden Zwischen­station an der Haupt­strecke Kutno–Bydgoszsc (Bromberg) herab. Die Renovie­rungen und neuen Funkt­i­sons­be­stim­mungen des Gebäudes werden nun aber dafür sorgen, dass sich mittel­fristig diese unter­ge­ordnete Position zumindest nicht mehr im äußeren Erschei­nungsbild des Bahnhofs wider­spiegeln wird.

Piotr Olecki / DW