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Noch ist Polen nicht verloren. Ein Appell für eine starke Zivilgesellschaft

Von Tilman Asmus Fischer

Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.« So schlimm wird es in unserem östlichen Nachbarland nicht kommen, aber die Sorgen, die jene große Zahl an Bürgern der Republik Polen artiku­liert, die gegen die Politik ihrer Regierung auf die Straße geht, geben uns zu denken. Sie sehen dieje­nigen Freiheits­rechte in Gefahr, die sie seinerzeit der kommu­nis­ti­schen Gewalt­herr­schaft abrangen – ein Kampf, mit dem sie zum Ende von Sowjet­union und Warschauer Pakt beitrugen.

Wie reagieren? Das Vokabular, das gegenüber Polen im Munde geführt wird, ist imposant: Ein hochran­giger CDU-Politiker spricht sich für Sanktionen aus, ein Sozial­de­mokrat spricht von »Putini­sierung« und ein deutsches Mitglied der Europäi­schen Kommission fordert, Polen »unter Aufsicht« zu stellen. Letztes Ansinnen zeugt freilich von einem Mangel an histo­ri­scher Sensi­bi­lität – und ermög­licht es der polni­schen Regierung, eine natio­na­lis­tische Denkweise zu pflegen und sich selbst als Märtyrer zu stilisieren.

Das Verhängen von Sanktionen bildet sicherlich eine von mehreren politi­schen Optionen, die im Falle einer weiteren Verschärfung der Lage zum Zuge kommen können. Jedoch muss kritisch angefragt werden: Wo bleibt nun, da das deutsch-polnische Verhältnis angespannt ist, der Rückgriff auf die Erfolgs­ge­schichte des »Wandels durch Annäherung«, die in Zeiten politi­scher Eintracht stets beschworen wird? Warum sollte ein Konzept, das politische Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse in der poststa­li­nis­ti­schen Ära wesentlich unter­stützen konnte, nun angesichts einer gefähr­deten Demokratie in Polen hoffnungslos sein?

In jedem Fall sollte neben notwen­diger Kritik und – im Zweifelsfall auch Sanktionen – eines nicht aus dem Auge verloren werden: Die Stärkung der polni­schen Zivil­ge­sell­schaft. Ansonsten droht den Bürgern der Republik Polen Geiselhaft für die Politik ihrer Regierung, die ihre Mehrheit bei einer nur geringen Wahlbe­tei­ligung errungen hat. Daher wäre es wünschenswert, wenn die politi­schen Verant­wor­tungs­träger erkenn­barer als bisher auf die »Außen­po­litik der Zivil­ge­sell­schaften« setzen und diese förderten. Es geht darum, nun, da die Kommu­ni­kation mit der Regierung in Warschau schwerer wird, konstruktive Kräfte im Land zu stärken, die sich in den inner­pol­ni­schen Diskurs einbringen und zudem den zivil­ge­sell­schaft­lichen – womöglich aber auch offizi­ellen politi­schen – Akteuren in Deutschland und anderen europäi­schen Staaten als Gesprächs­partner zur Verfügung stehen.

Eine der zivil­ge­sell­schaft­lichen Kräfte in der Republik Polen, die für Deutschland von zentraler Bedeutung sein sollten, sind die Organi­sa­tionen der deutschen Volks­gruppe. Ihr Weg aus der Illega­lität und die Etablierung ihrer Struk­turen sind untrennbar verbunden mit der Überwindung des Kommu­nismus und der Errichtung eines demokra­ti­schen Polen. Insofern hat die deutsche Volks­gruppe eine doppelte Bedeutung für Staat und Gesell­schaft: Zum einen ist sie Indikator für die menschen- und bürger­recht­lichen Standards in Gesetz­gebung und Rechts­praxis – diese zeigen sich in der Wahrung und Umsetzung elemen­tarer Minder­hei­ten­rechte. Zum anderen ist sie ein leben­diger Teil des öffent­lichen Diskurses – sie speist sich aus den vor 25 Jahren erkämpften Rechten und Freiheiten und aus dem Einsatz für ein Polen, das diese Errun­gen­schaften schützt.

Dass die politi­schen Vertreter der Volks­gruppe sich dieser Verant­wortung und Aufgabe bewusst sind, zeigt die Bericht­erstattung über die Neujahrs­feier der Sozial­kul­tu­rellen Gesell­schaft der Deutschen im Bezirk Oppeln (SKGD) am 11. Januar in Sowade. Gerade aus der Warte einer Minderheit in der polni­schen Mehrheits­ge­sell­schaft bezog Bernard Gaida kritisch Stellung zu den Entwick­lungen in der Medien­land­schaft: So seien Erklä­rungen »über Repolo­ni­sierung der Medien vielleicht eine verkappte Art und Weise, den Status der Minder­heiten in der Gesell­schaft zu verändern«. Aus der Rede des deutschen Sejm-Abgeordneten Ryszard Galla wird zitiert: »Als ich letztens sagte, dass im Präsidium des parla­men­ta­ri­schen Minder­hei­ten­aus­schusses ein Vertreter der deutschen Minderheit sein sollte, wurde ich gefragt ›Und wie sieht das in Deutschland aus?‹, das zeigt, dass wir sozusagen zu Geiseln geworden sind.«

Schluss­fol­ge­rungen aus diesen Erfah­rungen sind jedoch nicht Resignation und Rückzug: Vielmehr habe Galla dazu aufge­fordert, »dass man auch in den Struk­turen der deutschen Minderheit Gespräche führen muss, um den Menschen zu erklären, wie wichtig eine Wahlbe­tei­ligung ist«, so der Bericht des VDG. Einen solchen Willen zur Mitwirkung in einem konstruk­tiven öffent­lichen Diskurs braucht die Republik Polen in der jetzigen Lage. Verschiedene Möglich­keiten, Akteure zu unter­stützen, die hierzu beitragen können, haben die EU und ihre Mitglied­staaten ebenso wie etwa politische und private Stiftungen.

Machen wir von ihnen Gebrauch!