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Mit dem Segen des Hochmeisters

Rückkehr der Schutzpatronin nach mehr als 70 Jahren

Über vie­le Jahr­hun­der­te stand die majes­tä­ti­sche Madon­nen­fi­gur, die um 1340 von unbe­kann­ten Meis­tern model­liert wor­den war, in der Chor­ni­sche der Mari­en­burg und ent­fal­te­te von dort eine gro­ße, weit ins Land hin­aus­rei­chen­de Strahl­kraft. Über Gene­ra­tio­nen haben die Men­schen stau­nend zu ihren Füßen gestan­den, wenn unzäh­li­ge Mosa­ik­stein­chen in der Mor­gen­son­ne glänz­ten. Die Mut­ter­got­tes­fi­gur reprä­sen­tier­te in fried­li­chen wie in stür­mi­schen Zei­ten die Schutz­her­rin der Mari­en­burg am Nogat-Ufer, die Hoch­meis­ter, Ordens­brü­der, Stadt­bür­ger und Land­volk immer wie­der ange­ru­fen haben. Im Jah­re 1945 aber, mehr als 600 Jah­re nach ihrer Ent­ste­hung, zer­barst – trotz vor­sorg­li­cher Ein­maue­rung – die Kolos­sal­skulp­tur auf­grund des geziel­ten Dau­er­be­schus­ses durch Kano­nen der anstür­men­den Sowjet­armee in vie­le Bruch­stü­cke, die spä­ter teil­wei­se noch müh­sam geret­tet wer­den konn­ten. Nach dem Wie­der­auf­bau der Burg durch pol­ni­sche Restau­ra­to­ren stan­den die zahl­rei­chen Besu­cher aus nah und fern vor einer lee­ren Nische. Das Wahr­zei­chen der Mari­en­burg wur­de schmerz­lich ver­misst, wobei die vie­len über­lie­fer­ten bild­li­chen Wie­der­ga­ben von Malern, Gra­fi­kern oder Foto­gra­fen einen Ein­druck von der Grö­ße des Ver­lusts vermittelten.

In die­ser Situa­ti­on ergriff der Mari­en­bur­ger Burg­füh­rer­ver­ein die Initia­ti­ve und grün­de­te  im Jah­re 2007 die Stif­tung Mater Dei, die sich für den durch Spen­den finan­zier­ten Wie­der­auf­bau der Mari­en­fi­gur an ihrem ursprüng­li­chen Ort ein­set­zen woll­te. Zunächst waren ein Restau­rie­rungs­kon­zept und eine tech­ni­sche Pla­nung zu erar­bei­ten; und zudem muss­ten behörd­li­che Zustim­mun­gen ein­ge­holt wer­den, von einer euro­pa­wei­ten Aus­schrei­bung ganz zu schwei­gen. Immer­hin konn­te der Mari­en­bur­ger Kon­ser­va­tor und Vor­sit­zen­de der Stif­tung Mater Dei Ber­nard Jesi­o­now­ski das Pro­jekt bereits am 19. Juni 2008 in Köln bei ­einem Vor­trags­abend vor­stel­len, der dank einer Initia­ti­ve des Hei­mat­krei­ses Mari­en­burg von der Deutsch-Polnischen Gesell­schaft Köln-Bonn, der Uni­ver­si­tät Bonn (Abtei­lung Ost­eu­ro­päi­sche Geschich­te) und dem Pol­ni­schen Gene­ral­kon­su­lat Köln ver­an­stal­tet wur­de. Dabei bekun­de­ten – unge­ach­tet aller wohl­be­grün­de­ten Skep­sis – vie­le Mari­en­bur­ger ihre Bereit­schaft, das muti­ge Vor­ha­ben der Stif­tung zu unter­stüt­zen, die letzt­lich immer­hin ein Drit­tel der erfor­der­li­chen Finanz­mit­tel zusam­men­ge­bracht hat. (Wei­te­re För­der­mit­tel wur­den zudem auch von Island, Liech­ten­stein und – vor allem – Nor­we­gen zur Ver­fü­gung gestellt.)

Am 14. April 2016 war es dann end­lich so weit: Um 21.00 Uhr wur­de die Schutz­pla­ne unter gro­ßem Bei­fall von meh­re­ren hun­dert Zuschau­ern (dar­un­ter vie­len Medi­en­ver­tre­tern) lang­sam her­ab­ge­las­sen, und die 8,20 m hohe und etwa 13 Ton­nen schwe­re far­ben­präch­ti­ge Madonnen-Statue wur­de für alle sicht­bar. Ein ergrei­fen­des, für vie­le unver­gess­li­ches Erleb­nis! – Danach wur­de von der Stif­tung Mater Dei, unter Betei­li­gung eines Cho­res, in der Schloss­kir­che ein Licht­bild­vor­trag über die Ent­wick­lung und den glück­li­chen Abschluss des Vor­ha­bens durchgeführt.

Die ein­drucks­vol­le Schloss­kir­che, bei deren maß­vol­ler Reno­vie­rung eini­ge Wun­den der Kriegs­zer­stö­rung bewusst noch erkenn­bar geblie­ben sind, wird in der Regel nur als Ort für Aus­stel­lun­gen oder Kon­zer­te genutzt. Am nach­fol­gen­den Sonn­tag, dem 17. April, dien­te sie aber aus­nahms­wei­se als sakra­ler Raum. Ab 12.00 Uhr fei­er­ten dort der Elb­in­ger Bischof Dr. Jacek Jezier­ski und der Hoch­meis­ter des Deut­schen Ordens, Dr. Bru­no Plat­ter aus Wien, einen Dank­got­tes­dienst. Dar­an durf­ten etwa 150 gela­de­ne Gäs­te teil­neh­men, dar­un­ter Ver­tre­ter meh­re­rer euro­päi­scher Staa­ten wie Nor­we­gen, Däne­mark und Öster­reich, eine Viel­zahl pol­ni­scher Amts­trä­ger wie der Minis­ter für Kul­tur und natio­na­les Erbe sowie auch drei Mit­glie­der des Hei­mat­krei­ses Mari­en­burg. Die bald zwei­stün­di­ge Mes­se wur­de musi­ka­lisch von der höchst renom­mier­ten Cap­pel­la Geda­nen­sis aus­ge­stal­tet. Im Anschluss an den Got­tes­dienst begrüß­te der Direk­tor der Mari­en­burg, Mari­usz Mier­zwin­ski, die gela­de­nen Gäs­te und gab einen Bericht über den kom­pli­zier­ten Pro­zess des Wie­der­auf­baus. Danach seg­ne­te Hoch­meis­ter Dr. Bruno

Plat­ter die Mut­ter­got­tes­fi­gur sowie eine gegen­über der Chor­ni­sche ange­brach­te Gedenk­ta­fel, die dem Bei­trag der Stif­tung Mater Dei und ihrem Ein­wer­ben von groß­her­zi­gen Spen­den gewid­met ist. – (Alle Per­so­nen, denen die Mari­en­kir­che nicht hin­läng­li­chen Platz bie­ten konn­te, hat­ten sich übri­gens eben­falls zu 12.00 Uhr zu ­einem Got­tes­dienst in der nahe­ge­le­ge­nen St. Johannes-Kirche eingefunden.)

Die Orga­ni­sa­ti­on und Durch­füh­rung der Fei­er­lich­kei­ten lag ursprüng­lich in der Hand des Stif­tungs­vor­sit­zen­den Ber­nard Jesi­o­now­ski, der an die­sen Tagen aber bedau­er­li­cher Wei­se nicht in Mari­en­burg sein konn­te und des­sen Auf­ga­ben vom zwei­ten Vor­sit­zen­den, Andrzej Panek, über­nom­men wur­den. Er war es auch, der dem Autor als dem Stell­ver­tre­ter des gan­zen Hei­mat­krei­ses in Aner­ken­nung der wich­ti­gen Bei­trä­ge, die von dort in den letz­ten Jah­ren geleis­tet wor­den sind, in einer klei­nen Fei­er­stun­de eine Dank- und Erin­ne­rungs­me­dail­le des Hoch­meis­ters des Deut­schen Ordens über­reicht hat. Dabei liegt der Dank min­des­tens im glei­chen Maße auf der Sei­te aller Mari­en­bur­ger (wenn nicht aller West­preu­ßen): Dass die majes­tä­ti­sche, weit sicht­ba­re Figur der Got­tes­mut­ter nach mehr als 70 Jah­ren wie­der ihren Platz als Schutz­pa­tro­nin der Burg, der Stadt und des Lan­des ein­ge­nom­men hat, macht sie eben­so stolz wie glücklich!

Bodo Rückert / DW