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Ernst Koerner (1846–1927)

Zu Leben und Werk des bedeutenden Landschaftsmalers aus Westpreußen

Von Andreas Koerner

»Ein glänzender Kolorist und durchaus versiert in verschiedenen Gattungen der Malerei.« Angesichts solch einer – 1990 von Irmgard Wirth formulierten – positiven Beurteilung des Malers Ernst Koerner verwundert es nicht allzu sehr, dass seine Bilder inzwischen bei internationalen Auktionshäusern wie Sotheby’s oder Christie’s fünf- und sechsstellige Pfund- bzw. Dollar-Preise erzielen. Gewiss :  Die Orientmalerei des 19. Jahrhunderts war zusammen mit der ihr verschwisterten historistischen Pracht-Architektur für lange Zeit gründlich in Verruf geraten. In jüngerer Zeit haben solche Werke – wie der Kunstmarkt untrüglich belegt – aber einen Teil ihrer früheren Wertschätzung wiedergewonnen. Umso mehr darf auch Ernst Koerner, dessen Todestag sich am 30. Juli zum 90. Male jährt, nicht nur als Westpreuße, sondern auch als bedeutender Künstler seiner Zeit unsere erhöhte Aufmerksamkeit fordern.

Kindheit, Jugend und Lehrzeit

Ernst Koer­ner stamm­te aus einer Fami­lie von Tuch­ma­chern und Kauf­leu­ten, die in den Städ­ten Jas­trow (Kr. Deutsch Kro­ne) sowie in Czar­nik­au (Pro­vinz Posen) ansäs­sig waren. Sein Groß­va­ter Joseph kauf­te 1817 die Herr­schaft Stib­be (bei Tütz) im Kreis Deutsch Kro­ne. Das klang feu­dal :  »Herr­schafts­be­sit­zer, Erb- und Gerichts­herr auf Stib­be, Besit­zer der Rit­ter­gü­ter Stib­be, Neu-Strahlenburg, Emi­li­en­thal, Mel­len­thin, der Güter Grü­ne­wald, Rohr­kolk, Rohr­wie­se, Mit­tel­städt, Pries­ke und der Hälf­te des Gro­ßen Böthin-Sees, ­Patron der kath. Kir­chen zu Stib­be, Strah­len­berg, Ruschen­dorf und Mel­len­tin«. Dort, in Stib­be, wur­de am 3. Novem­ber 1846 sein Enkel Ernst Carl Eugen als Sohn des Ernst Con­rad Koer­ner (1794–1856) und der Emi­le Augus­te Flo­ra Eli­sa­beth, geb. Kegel (1806–1863) geboren.

Der Maler war ein Nach­kömm­ling ;  der jüngs­te sei­ner das Kleinkind­alter über­le­ben­den Brü­der, Edu­ard Otto Theo­dor, war zwölf Jah­re älter. Als sein Vater starb, zähl­te Ernst erst zehn Jah­re. Kurz zuvor (1855) war er zu den Herrn­hu­tern nach Nies­ky in Schle­si­en gekom­men und besuch­te dort bis 1859 das Päda­gogium. Danach war er bis 1866 Schü­ler des Gym­na­si­ums zum Grau­en Klos­ter in Ber­lin und genoss somit ins­ge­samt eine nach dama­li­gen Mög­lich­kei­ten vor­züg­li­che Schul­bil­dung. Zu Beginn sei­ner Gymnasial­zeit wur­de Stib­be 1860 ver­kauft (statt­des­sen erwarb die Fami­lie die Güter Czes­la­wice und Sto­len­schin im Kreis Won­gro­witz, Pro­vinz Posen) ;  und drei Jah­re vor dem Abitur starb die Mut­ter, so dass Ernst Koer­ner bereits mit 16 Jah­ren zur Voll­wai­se wurde.

Schon als fünf­zehn­jäh­ri­ger Schü­ler war Ernst Koer­ner am 26. Okto­ber 1861 ins Ate­lier des Ber­li­ner Land­schafts­ma­lers Her­mann Esch­ke (1823–1900) ein­ge­tre­ten, um bei ihm Male­rei zu erler­nen. Es gab damals zwar schon die Ber­li­ner Aka­de­mie der Küns­te, doch zu die­ser Zeit hat­te sie kei­nen son­der­lich guten Ruf, so dass es sich emp­fahl, bei bereits aner­kann­ten Malern in die Leh­re zu gehen. Das gilt eben­so für den ein Jahr jün­ge­ren Max Lie­ber­mann. Er schrieb spä­ter­hin :  »Ich kam als Sekun­da­ner zu Steff­eck, 1863 oder 64, um Mitt­woch und Sonn­abend nach­mit­tags bei ihm zu zeich­nen.« Am Mittwoch- und Sonn­abend­nach­mit­tag war schul­frei. An die­sen Wochen­tagen dürf­te auch Ernst Koer­ner zu Esch­ke gegan­gen sein. Er nahm dane­ben auch bei Carl Steff­eck (1818–1890) sowie bei Gott­lieb Bier­mann (1824–1908) Unter­richt. So ist es durch­aus mög­lich, dass sich Ernst Koer­ner und Max Lie­ber­mann als Mal­schü­ler bei Steff­eck begeg­net sind. Lie­ber­mann berich­tet von sei­nem Leh­rer :  »Er inter­es­sier­te sich nur für die Arbei­ten, in denen er etwas in der Natur Beob­ach­te­tes wie­der­ge­ge­ben fand.« Die­ser Linie folg­te auch Ernst Koer­ner. Bereits 1864 – mit 18 Jah­ren – betei­lig­te er sich mit einer Abend­land­schaft. Motiv aus Dri­burg, West­fa­len an der Ber­li­ner aka­de­mi­schen Kunst­aus­stel­lung. Er dürf­te dazu Stu­di­en vor Ort gemacht haben, viel­leicht gemein­sam mit sei­nem Leh­rer Esch­ke, für den das Malen in der Natur zum Lehr­pro­gramm gehör­te. Mit Esch­ke unter­nahm er 1867 über­dies sei­ne ers­te grö­ße­re Studien­reise an die Küs­ten der Nord- und Ost­see und in den Harz. Nicht zuletzt fand Ernst Koer­ner wich­ti­ge Anre­gun­gen bei Edu­ard Hil­de­brandt (1819–1868), einem Maler, der vor allem die Far­big­keit des Südens ein­drucks­voll zu erfas­sen und dar­zu­stel­len verstand.

Ein arrivierter Künstler

Nach­dem Ernst Koer­ner schon 1864 an der in zwei­jäh­ri­gem Tur­nus statt­fin­den­den Ber­li­ner aka­de­mi­schen Kunst­aus­stel­lung betei­ligt war, stell­te er dort regel­mä­ßig aus. Ab 1869 nahm er auch an den Kunst­aus­stel­lun­gen im Münch­ner Glas­pa­last teil. 1875 wur­den sei­ne Bil­der zum ers­ten Male in der aka­de­mi­schen Kunst­aus­stel­lung in Dres­den gezeigt. In sei­nen Brie­fen erwähnt er als Aus­stel­lungs­ort zudem einen Salon de Paris. Auch die Welt­aus­stel­lun­gen in Wien (1873), Phil­adel­phia (1876) und Mel­bourne (1888) wur­den von ihm beschickt. Dort erran­gen sei­ne Bil­der eben­so Medail­len wie auf ande­ren groß­an­ge­leg­ten Ver­an­stal­tun­gen 1891 in Ber­lin oder 1896 in Lon­don. Doku­men­tiert sind weit über 70 Ausstellungsbeteiligungen.

Die­ses inter­na­tio­na­le Renom­mee för­der­te nicht nur sei­nen wirt­schaft­li­chen Erfolg, den er aus sei­ner Male­rei zu zie­hen ver­moch­te, son­dern ver­schaff­te ihm auch gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung. Mit 21 Jah­ren war er bereits Mit­glied im Ver­ein Ber­li­ner Künst­ler gewor­den. Ab den spä­te­ren 1880er Jah­ren fand er sich dann zuneh­mend in ver­bands­po­li­ti­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Vor­gän­ge mit ein­ge­bun­den. Im Jah­re 1887 wur­de Koer­ner »Säckel­meis­ter« des Ver­eins, ver­wal­te­te somit die Finan­zen. Im Jah­re 1889 schrieb er, dass er nicht nur »mit unse­rer Kunst­aus­stel­lung«, son­dern auch »mit der pho­to­gra­phi­schen Jubi­lä­ums­aus­stel­lung als Juror zu thun« habe. Bei der Vor­be­rei­tung der Ber­li­ner Kunst­aus­stel­lung von 1891 war er reich­lich »mit Vor­anschlä­gen, ­Audi­enz beim Minis­ter, Commissions- und Vor­stands­sit­zun­gen beschäf­tigt«, und 1895 lös­te er schließ­lich den lang­jäh­ri­gen Vor­sit­zen­den Anton von Wer­ner ab.

Damit über­nahm er gleich­zei­tig die Auf­ga­be, für den Ver­ein ein eige­nes Künst­ler­haus zu bau­en. Die­ses Pro­jekt ver­folg­te er umsich­tig und ver­stand es, vie­le Spon­so­ren dafür zu inter­es­sie­ren. Schon am 18. Okto­ber 1898 konn­te das Künst­ler­haus fei­er­lich eröff­net wer­den. Bei die­ser Gele­gen­heit wur­den der Ver­eins­vor­sit­zen­de Koer­ner und der Bau­meis­ter, Karl Hof­fa­cker, mit dem König­li­chen Kro­nen­or­den III. Klas­se aus­ge­zeich­net. Der Ver­ein Ber­li­ner Künst­ler dank­te Ernst Koer­ner, indem er ihn am 7. Febru­ar 1899 zu sei­nem Ehren­mit­glied ernann­te. In die­sem Jahr gab er sein Vor­stands­amt auf, ließ sich statt­des­sen aber gleich für wei­te­re ver­ant­wor­tungs­vol­le Tätig­kei­ten gewin­nen. Etwa neun Jah­re lang ver­trat er den Ver­ein in der Lan­des­kunst­kom­mis­si­on, die über Ankäu­fe für die Natio­nal­ga­le­rie und die Ver­schö­ne­rung öffent­li­cher Gebäu­de beriet. Außer­dem wur­de er wie­der­holt mit dem Amt des Vor­sit­zen­den der Gro­ßen Ber­li­ner Kunst­aus­stel­lung betraut.

Zur öffent­li­chen Aner­ken­nung zähl­te nicht zuletzt, dass sei­ne Bil­der von den kai­ser­li­chen Majes­tä­ten erwor­ben wur­den. Die ers­te Ver­bin­dung zum Kai­ser­haus wur­de wohl zur Kron­prin­zes­sin Vic­to­ria geknüpft. Sie wird als Eigen­tü­me­rin des 1872 in der Ber­li­ner Aka­de­mi­schen Kunst­aus­stel­lung gezeig­ten Bil­des La grot­ta dell’acqua, Capri genannt. Im Juli 1873 berich­tet der Maler in einem Brief, dass er ein Bild vom »Gol­de­nen Horn« »für Frau Kron­prin­zeß aus­füh­ren« soll. Die kron­prinz­li­chen Herr­schaf­ten, der spä­te­re Kai­ser Fried­rich und sei­ne Gemah­lin, zeich­ne­ten ihn wei­ter­hin durch die Bestel­lung von etli­chen Bil­dern und von Aqua­rel­len aus. 1880 erwarb Wil­helm I. das Bild Krokodil­tempel zu Kom Ombo. 1895 kauf­te Kai­ser Wil­helm II. Abend­stim­mung von der Insel Phylae, ande­re Arbei­ten folg­ten. Eines von die­sen Bil­dern, Das gol­de­ne Horn, ist den Ber­li­nern erhal­ten geblie­ben. Es hängt im Ceci­li­en­hof bei Pots­dam im Arbeits­zim­mer, das Chur­chill bei der Vier­mäch­te­kon­fe­renz zur Ver­fü­gung stand.

Eine gewis­se Nähe zum Kai­ser­haus belegt auch das Altar­bild, das Ernst Koer­ner für die 1892 ein­ge­weih­te Erlö­ser­kir­che in Berlin-Rummelsburg gemalt und gestif­tet hat. Die­ses Got­tes­haus war das ers­te eines umfang­rei­chen Kir­chen­bau­pro­gramms, das unter der Schirm­herr­schaft der Kai­se­rin Augus­te Vik­to­ria stand. Das Altar­bild ist als inte­gra­ler Teil die­ser denk­wür­di­gen Kir­che am Nöld­ner­platz nach wie vor vor­han­den und wur­de 2003 auf­wän­dig restauriert.

Der Arbeitsprozess und die künstlerischen Sujets

Koer­ner brauch­te für sei­ne Male­rei die unmit­tel­ba­re Anschau­ung der Objek­te. Des­halb nah­men Stu­di­en­rei­sen in sei­nem Leben einen gro­ßen Raum ein. 1868 war er in Nord­frank­reich (Bre­ta­gne und Nor­man­die), 1869, 1871, 1874, 1876, 1891 in Ita­li­en, 1872 in Eng­land und Schott­land, 1882 in Spa­ni­en. Beson­de­re Bedeu­tung erlang­ten sei­ne Rei­sen, die er – teil­wei­se über Grie­chen­land und Klein­asi­en – in den Jah­ren 1873, 1878, 1887 und 1905 nach Ägyp­ten unter­nahm. Neben die­sen gro­ßen Stu­di­en­rei­sen gab es auch noch eine Viel­zahl von klei­ne­ren, die ihn bei­spiels­hal­ber nach Die­ve­now an der Ost­see, nach Nieu­port in Bel­gi­en oder nach Bad Gas­tein führten.

Auf der Rück­rei­se von sei­ner ers­ten Ägyp­ten­fahrt 1873 begeg­ne­te Ernst Koer­ner in Smyr­na (Izmir) dem zwölf Jah­re älte­ren Bio­lo­gen Ernst Hae­ckel (1834–1919), der zu die­sem Zeit­punkt unter Fach­leu­ten schon einen guten Ruf genoss. Er war zudem ein lei­den­schaft­li­cher Hobby-Aquarellist. Mit ihm ver­brach­te Koer­ner einen Monat in Klein­asi­en, um durch die Gegend zu strei­fen und zu malen. Zusam­men bestie­gen sie den asia­ti­schen Olymp, an des­sen Fuß die Stadt Brussa liegt. Die dort geknüpf­te Freund­schaft hielt bis zum Tode des Bio­lo­gen. Die in die­ser lan­gen Zeit geschrie­be­nen Brie­fe und Kar­ten von Koer­ner haben sich im Ernst-Haeckel-Haus in Jena erhal­ten. Dies ist ein regel­rech­ter Glücks­fall, weil durch den Zwei­ten Welt­krieg vie­le sons­ti­ge Quel­len über den Maler – wie auch ein erheb­li­cher Teil sei­nes Werks – ver­nich­tet wor­den sind.

Auf­grund sei­ner Stu­di­en kon­zi­pier­te und kom­po­nier­te Koer­ner spä­ter­hin sei­ne Bil­der im Ate­lier. Dabei konn­ten die Bestand­tei­le aus ver­schie­de­nen Gegen­den stam­men. So schrieb er am 16. Novem­ber 1874 an Hae­ckel :  »Ich beab­sich­ti­ge ein Grö­ße­res Bild von Baal­beck zu malen und ein ande­res vom Mah­mu­di­ca­nal. Ein­zel­ne Stu­di­en mit Pal­men und der­glei­chen konn­te ich in Capri zu die­sem Zwe­cke machen.« Spä­ter hat er auch Fotos ein­ge­setzt. In sei­nem 1892 erbau­ten Ber­li­ner Haus in der Klop­stock­stra­ße war nicht nur ein Mal-Atelier, son­dern auch ein Foto­la­bor ein­ge­rich­tet wor­den. Auch mit der Farb­fo­to­gra­fie hat er Ver­su­che ange­stellt. »Auf Ihre Anre­gung«, schrieb er 1913 an Haeckel,

habe ich mich mit der Lumiè­re­schen Far­ben­pho­to­gra­phie ein­ge­hend beschäf­tigt und spe­zi­ell für Stim­mungs­land­schaf­ten, beson­ders Son­nen­un­ter­gän­gen das­sel­be als sehr nütz­lich erkannt ;  weil es erleich­tert beim Stu­di­um der­sel­ben einen bestimm­ten Moment fest­zu­hal­ten. Natür­lich kann auch die­se Pho­to­gra­phie, wie nicht anders, nur als Ergän­zung zu den selbst gemal­ten Stu­di­en einen wirk­li­chen Wert haben.

Einen ande­ren Teil sei­ner Stu­di­en hat er in Ber­lin ange­fer­tigt. Das waren haupt­säch­lich Per­so­nen­dar­stel­lun­gen, die er als Staf­fa­ge für sei­ne Bil­der brauch­te. Dafür besaß er auch pas­sen­de Gewän­der, die sei­ne Model­le anzu­zie­hen hat­ten. Wenn er also genug Stu­di­en­ma­te­ri­al hat­te, saß er in sei­nem Ate­lier und ver­such­te, sich in die Stim­mung ori­en­ta­li­scher Land­schaft zu ver­set­zen, und der­art mal­te er sei­ne gro­ßen Bil­der. »Bei den jet­zi­gen trü­ben Tagen«, heißt es z. B. 1889 in einem Brief an Hae­ckel, »gehört wirk­lich Phan­ta­sie dazu sich den süd­li­chen Son­nen­schein zu vergegenwärtigen.«

Ein erheb­li­cher Teil sei­nes Œuvres gehört zur Ori­ent­ma­le­rei, die der damals sehr ver­brei­te­ten Nei­gung zum Exo­tis­mus ent­sprang. Sie fil­ter­te alles her­aus, was die Ein­heit­lich­keit des Bil­des hät­te stö­ren kön­nen. Bei­spiels­wei­se wur­den Ele­men­te der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on igno­riert, die im Ori­ent durch­aus schon sicht­bar waren. Mit ihren unge­wöhn­lich far­bi­gen Moti­ven bil­de­te sie einen erwünsch­ten Kon­trast zum grau­en, indus­tri­ell bestimm­ten Groß­stadt­all­tag. Sti­lis­tisch pass­ten die Bil­der zudem auch gut zu der auf Pracht­ent­fal­tung zie­len­den Archi­tek­tur jener Zeit. Typi­sche The­men die­ser Male­rei waren stol­ze nubi­sche Wachen, Falk­ner, sich ver­füh­re­risch räkeln­de Harems­da­men, leb­haf­te Bazar-Szenen, Rei­ter in der Wüs­te. Es gab aber auch Dar­stel­lun­gen ärme­rer Ori­en­ta­len, zum Bei­spiel von Bett­lern. Eines der Bil­der von Ernst Koer­ner zeigt einen von einem Mäd­chen geführ­ten Blin­den vor einer alt­ägyp­ti­schen Wand. Häu­fi­ger und typi­scher als sei­ne ori­en­ta­li­schen Per­so­nen­dar­stel­lun­gen sind sei­ne Land­schafts­bil­der, in denen Men­schen allen­falls als Staf­fa­ge vor­kom­men. Mit beson­de­rer Ener­gie wid­met er sich der Dar­stel­lung des ori­en­ta­li­schen Him­mels in sei­nen Fär­bun­gen bei Abend- oder Mor­gen­däm­me­rung. Dazu schreibt er 1889 an sei­nen Freund Hae­ckel: »Was mich betrifft, so ste­cke ich wie­der bis über die Ohren im Ori­ent, ein Nach­glü­hen am ägyp­ti­schen Abend­him­mel habe ich begon­nen, wel­ches mir wie­der den Zwei­fel vie­ler, aber, wie ich hof­fe, Ihre Zustim­mung fin­den wird.«

Verschiebungen und Umbrüche

Nach dem Über­gang ins 20. Jahr­hun­dert sah sich Ernst Koer­ner mit einer Rei­he von tief­grei­fen­den per­sön­li­chen, künst­le­ri­schen und zeit­ge­schicht­li­chen Ver­än­de­run­gen kon­fron­tiert. – Das Gut Czes­la­wice, das sei­ne Fami­lie 1860 erwor­ben hat­te, gewann für ihn zuneh­mend an Bedeu­tung. Er hat­te sich dort oft auf­ge­hal­ten und eine Rei­he von Bil­dern gemalt. Nach dem Tod sei­ner Brü­der Otto (1901) und Emil (1902) muss­te er nun auch die Ver­ant­wor­tung für den land­wirt­schaft­li­chen Betrieb über­neh­men. (1905 wur­de Czes­la­wice übri­gens in Koer­ners­fel­de umbe­nannt, hieß dann ab 1920 frei­lich gleich wie­der Czeslawice.)

Das Kriegs­en­de erleb­te er in Ber­lin. Am 13. Febru­ar 1919 schrieb er an Haeckel :

Ich zeh­re von dem Schatz der herr­li­chen Ein­drü­cke und mei­nen Stu­di­en aus dem Ori­ent, male den alten, rät­sel­haf­ten Nil, das mär­chen­haf­te Gol­de­ne Horn und den­ke dabei unse­rer schö­nen dort gemein­sam ver­leb­ten Stun­den, wäh­rend drau­ßen die Maschi­nen­ge­weh­re knat­tern und Spar­ta­kus sich unge­bär­dig zeigt.

In den anschlie­ßen­den Mona­ten wur­de er dann von den poli­ti­schen Erschüt­te­run­gen ereilt, die der Ver­sailler Ver­trag aus­lös­te. Lud­wig, der jüngs­te sei­ner drei Söh­ne, war zwar ab dem 1. Janu­ar 1919 Päch­ter von Koer­ners­fel­de gewor­den, doch bereits im Febru­ar wur­de er mit vie­len ande­ren Deut­schen in Szc­zy­pior­no bei Kalisch in einem Lager inter­niert und kam erst am 20. Juli 1919 wie­der frei. Um Koer­ners­fel­de (Czes­la­wice) behal­ten zu kön­nen, blieb Lud­wig allein die Mög­lich­keit, die pol­ni­sche Staats­bür­ger­schaft anzu­neh­men. Der Maler selbst konn­te nun oft nur noch mit befris­te­ten Auf­ent­halts­er­laub­nis­sen dort­hin reisen.

Einen klei­nen Ein­druck von den Pro­ble­men, mit denen sich Koer­ner als Deut­scher im »Kor­ri­dor« aus­ein­an­der­set­zen muss­te, ver­mit­teln die fol­gen­den Aus­sa­gen aus einem Brief, den er am 19. Juni 1927, nur weni­ge Wochen vor sei­nem Tode, aus Czes­la­wice p. Lipi­ny pozn­an­s­kie an einen Guts­be­sit­zer auf Rügen geschrie­ben hat :

Wir wol­len nun am Mon­tag d 27ten wie­der nach Ber­lin fah­ren. Mein Auf­ent­halt hier war zunächst dadurch ver­an­laßt, daß die Liqui­da­ti­ons Kom­mis­si­on einen Teil zu liqui­die­ren ver­su­chen will, dem wir natür­lich ener­gisch ent­ge­gen­tre­ten. Der deut­sche Kon­sul hat bei der Schieds­kom­mis­si­on mei­nen dop­pel­ten Wohn­sitz angemeldet.

Zwi­schen­durch habe ich noch Ver­hand­lun­gen mit der Stadt­bahn­ver­wal­tung, wel­che elek­tri­sie­ren will. Sie wol­len ihren Bahn­kör­per über mei­ner Gren­ze um 70 cm aus­kra­gen, um dar­auf die Kabel zu legen. Ich habe RM 100 für den lau­fen­den Meter gefor­dert, sie gaben jedoch nur 50 M, schließ­lich hat die Kabel­ge­sell­schaft sich bereit erklärt ihrer­seits die ande­ren 50 M zu zah­len, so daß ich die gefor­der­ten RM. 2000 erhal­te. Über­all muß man kämp­fen ;  aber dann bleibt man frisch !

Auch der Zeit­ge­schmack erwies sich schließ­lich als rasch wan­del­bar, aller­dings ließ sich Koer­ner von die­sen Ver­schie­bun­gen nicht beein­dru­cken. Er setz­te die Ent­fal­tung sei­nes Œuvres ste­tig fort und betei­lig­te sich wei­ter­hin regel­mä­ßig an den Gro­ßen Ber­li­ner Kunst­aus­stel­lun­gen, das letz­te Mal in sei­nem Todes­jahr 1927 mit dem Bild Die Mem­non­ko­los­se bei Son­nen­auf­gang. Bis zuletzt war er tätig und geis­tig voll auf der Höhe, bevor er am 30. Juli infol­ge eines Schlag­an­falls verstarb.

Die groß­for­ma­ti­gen, streng kom­po­nier­ten Bil­der der aka­de­mi­schen Tra­di­ti­on fan­den jedoch nur noch wenig Beach­tung. Ande­re, »zeit­ge­nös­si­sche« Kunst­strö­mun­gen stan­den bei den Kri­ti­kern und beim Publi­kum im Fokus des Inter­es­ses. Als 1927 die Nach­kom­men Koer­ners der Natio­nal­ga­le­rie 20 Ölskiz­zen aus dem Nach­lass anbo­ten, wur­den davon nur die zehn Stü­cke genom­men, die als Geschenk offe­riert wor­den waren :  Unge­ach­tet eines groß­zü­gig ein­ge­räum­ten Son­der­prei­ses ver­zich­te­te die zustän­di­ge Kom­mis­si­on dar­auf, die übri­gen zehn Ölskiz­zen anzu­kau­fen. – So muss­ten erst etli­che Jahr­zehn­te ver­ge­hen, bis sich die Kri­te­ri­en der Kul­tur­ge­schichts­schrei­bung und der Beur­tei­lung künst­le­ri­scher Wer­ke so weit geän­dert hat­ten, dass auch Maler wie Ernst Koer­ner wie­der eine Chan­ce erhiel­ten, unbe­fan­ge­ner wahr­ge­nom­men und betrach­tet zu werden.


Andre­as Koer­ner wur­de in Hof­le­ben, Kr. Brie­sen, gebo­ren. Sei­ne Eltern hat­ten – bis ins 17. Jahr­hun­dert zurück­ver­folgt – gemein­sa­me Vor­fah­ren. Dadurch wur­den sowohl der hier vor­ge­stell­te Maler Ernst Koer­ner als auch der bekann­te Thor­ner Ober­bür­ger­meis­ter Theo­dor Edu­ard Koer­ner zu sei­nen Urgroß­vä­tern. Bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung lei­te­te Andre­as Koer­ner eine der Stadt­teil­bi­blio­the­ken von Essen. Zudem betei­ligt er sich inten­siv an der kul­tur­his­to­ri­schen For­schung und ist auch ein geschätz­ter Aquarellist.