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Die Marienburg-Romantik

Eine herausragende Ausstellung im Schlossmuseum Marienburg

Am 23. September wurde im Schlossmuseum Marienburg eine große Ausstellung mit hervorragenden Exponaten eröffnet, die der Epoche der Romantik gewidmet ist. Der offizielle Titel lautet: Malbork między polityką a sacrum [Die Marienburg zwischen Politik und dem Heiligen] (1772–1856).

Dabei geht es ins­be­son­de­re um die Wie­der­ent­de­ckung der Mari­en­burg durch Fried­rich Gil­ly und des­sen Freun­des­kreis am Ende des 18. Jahr­hun­derts sowie die »roman­ti­sche Restau­rie­rung« in den Jah­ren zwi­schen 1817 und 1856. Wäh­rend die­ser Zeit­span­ne erfolg­te die Wie­der­ent­de­ckung der Mari­en­burg als his­to­ri­scher Erin­ne­rungs­ort Preu­ßens, die Ret­tung vor dem Abbruch und die ers­te Restau­rie­rung der ehe­ma­li­gen Hoch­meis­ter­re­si­denz. An die­sem Pro­zess waren zahl­rei­che aus­ge­zeich­ne­te Künst­ler betei­ligt, die mit ihren Ansich­ten und Ent­wür­fen das neue Bild der Mari­en­burg als Natio­nal­mo­nu­ment Preu­ßens anschau­lich machten.

Die Rei­he die­ser hoch­ran­gi­gen Maler und Archi­tek­ten reicht von Fried­rich Gil­ly über Fried­rich Frick, Karl Fried­rich Schin­kel, Karl Wil­helm Kol­be, Dome­ni­co Quaglio, Johann Karl Schultz bis hin zu Adolph von Men­zel. In kei­ner Epo­che ihrer mehr als 750-jährigen Exis­tenz stand die Mari­en­burg so stark im Fokus der bil­den­den Küns­te wie in der Zeit der Roman­tik. Es gibt sogar über­zeu­gen­de Argu­men­te dafür, den Beginn der deut­schen Roman­tik mit der Wie­der­ent­de­ckung der Mari­en­burg durch Fried­rich Gil­ly in Ver­bin­dung zu bringen.

Die Aus­stel­lung im Schloss­mu­se­um gibt nun erst­mals einen Gesamt­über­blick zur kul­tur­his­to­ri­schen Bedeu­tung Mari­en­burgs in die­ser Epo­che. Dabei ist es gelun­gen, fast alle wich­ti­gen Ori­gi­nal­wer­ke der genann­ten Künst­ler zusam­men­zu­tra­gen und gemein­sam zur Schau zu stel­len. Aus­gangs­punkt ist der 250. Geburts­tag von Fried­rich Gil­ly (1772–1800), des­sen künst­le­ri­sche Tat die Mari­en­burg aus dem Dun­kel der Geschich­te wie­der ans Licht brach­te und den Anstoß für ihre Ret­tung gab. Fried­rich besuch­te in Beglei­tung sei­nes Vaters, David Gil­ly, ­einem der damals bedeu­tends­ten preu­ßi­schen Land­bau­meis­ter, die alte Ordens­burg im Som­mer 1794 auf einer Inspek­ti­ons­rei­se nach West­preu­ßen. Wäh­rend sein Vater Über­le­gun­gen anstell­te, das Mit­tel­schloss abrei­ßen und mit den alten Back­stei­nen neue Maga­zin­ge­bäu­de errich­ten zu las­sen, erstell­te Fried­rich – vom Zau­ber der mit­tel­al­ter­li­chen Mau­ern und Räu­me hin­ge­ris­sen – zahl­rei­che roman­tisch gefärb­te Zeich­nun­gen. Ein Jahr spä­ter wur­den zehn sei­ner Mari­en­burg­an­sich­ten auf der Aus­stel­lung der Ber­li­ner Aka­de­mie der Küns­te mit gro­ßem Erfolg gezeigt. Fried­rich Frick begann 1799, die Ansich­ten Gil­lys und ­eini­ge neue Bau­auf­nah­men in Aquatinta-Drucken zu repro­du­zie­ren. Die­ses groß­for­ma­ti­ge Album, das voll­stän­dig auf der Aus­stel­lung gezeigt wird, mach­te Furo­re und begeis­ter­te auch das preu­ßi­sche Königs­haus für die rie­si­ge Back­stein­burg an der Nogat.

Die Abriss­plä­ne wur­den nun ad acta gelegt, und der König stell­te die Burg in einem Erlass 1804 unter Denk­mal­schutz. Die kon­kre­ten Restau­rie­rungs­plä­ne muss­ten auf­grund der Napo­leo­ni­schen Krie­ge zunächst vor­scho­ben wer­den. Nach dem Sieg über Frank­reich ergriff der neue Ober­prä­si­dent West­preu­ßens, Theo­dor von Schön, sogleich die Initia­ti­ve zur Wie­der­her­stel­lung der Mari­en­burg, und 1817 begann man mit den ers­ten Bau- und Ausschmückungs­maßnahmen. Die Arbei­ten stan­den unter der Ober­lei­tung von Karl Fried­rich Schin­kel, der 1819 Mari­en­burg besuch­te und auch eige­ne Ent­wür­fe anfer­tig­te. Ein wich­ti­ges Ele­ment der neu­en Innen­aus­stat­tung war die Schaf­fung neu­er Glas­ma­le­rei­en im Sommer- und Win­ter­rem­ter, die Sze­nen aus der Geschich­te des Deut­schen Ordens zeig­ten. Die Ent­wür­fe hier­für stamm­ten von dem Ber­li­ner Maler Karl Wil­helm Kol­be d. J. – sie zäh­len zu den frü­hes­ten Wer­ken des deut­schen His­to­ris­mus. Unter der Auf­sicht Theo­dors von Schön wur­de die »roman­ti­sche Restau­rie­rung« bis zu des­sen Tod 1856 fort­ge­führt. Die letz­te gro­ße künst­le­ri­sche Akti­on die­ser Epo­che war die Aus­ma­lung von Wand­ni­schen im Som­mer­rem­ter mit lebens­gro­ßen Hochmeister­darstellungen. Mit der Gestal­tung einer der Nischen wur­de der damals bedeu­tends­te deut­sche Maler, Adolph von Men­zel, beauf­tragt, der bei sei­nem Mari­en­bur­ger Auf­ent­halt 1855 zahl­rei­che Skiz­zen von der Burg anfertigte.

Am Ende der roman­ti­schen Restau­rie­rung beauf­trag­te König Fried­rich Wil­helm IV. den Dan­zi­ger Maler Johann Karl Schultz in den 1840er Jah­ren mit der Schaf­fung einer Rei­he von Ansich­ten der im neu­en Glanz erstrah­len­den Burg. Schon zehn Jah­re zuvor hat­te der Münch­ner Vedu­ten­ma­ler Dome­ni­co Quaglio bild­ne­ri­sche Por­träts des frisch wie­der­her­ge­stell­ten vater­län­di­schen Denk­mals Preu­ßens geschaf­fen. Alle genann­ten Maler sind mit ihren Haupt­wer­ken zur Mari­en­burg in der Aus­stel­lung ver­tre­ten und bie­ten den Besu­chern einen Blick auf die Geschich­te und Archi­tek­tur der ehe­ma­li­gen Ordens­re­si­denz durch die fan­ta­sie­vol­le und male­ri­sche Bril­le der Romantik.

Die Roman­tik hat­te selbst­ver­ständ­li­cher­wei­se auch eine poli­ti­sche Dimen­si­on. So wur­de am Beginn des Befrei­ungs­krie­ges gegen Frank­reich 1813 im Zusam­men­hang mit der Volks­be­waff­nung durch den preu­ßi­schen König auch das Eiser­ne Kreuz gestif­tet. Es war die ers­te mili­tä­ri­sche Aus­zeich­nung, die stän­de­über­grei­fend ver­lie­hen wer­den konn­te. Bei der Gestal­tung griff man auf die Sym­bo­lik des Deut­schen Ordens zurück, des­sen mit­tel­al­ter­li­cher Kreuz­ty­pus Vor­bild für den neu­en Orden wur­de. In der Aus­stel­lung ist der Ori­gi­nal­ent­wurf Schin­kels für das Eiser­ne Kreuz zu sehen, zusam­men mit Exem­pla­ren damals ver­lie­he­ner Orden.

Die Aus­stel­lung wird noch bis zum 30. Dezem­ber 2022 im Hoch­schloss der Mari­en­burg zu sehen sein (Öff­nungs­zei­ten: diens­tags bis sonn­tags von 9 bis 15 Uhr). Wer sich für die Mari­en­burg, den Deut­schen Orden und die Roman­tik inter­es­siert, soll­te einen Besuch nicht ver­säu­men – eine der­ar­tig voll­stän­di­ge Zusam­men­stel­lung der Wer­ke der Marienburg-Romantik wird es für lan­ge Zeit nicht mehr geben. Der Besuch der Aus­stel­lung ist ein beson­de­rer ästhe­ti­scher Genuss, ver­stärkt noch durch eine äußerst gelun­ge­ne Art der Präsentation.

Christofer Herrmann