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Das Schlossmuseum Marienburg 1961–2021

Zum Jubiläum eines komplexen Erinnerungsorts

Von Bartosz Skop

Das Schlossmuseum Marienburg – eines der größten und bedeutendsten polnischen Museen – ist am 1. Januar 1961 gegründet worden und begeht im laufenden Jahr somit sein 60. Jubiläum. Während dieser Jahre hat sich die Institution einen ausgezeichneten Ruf erworben. Sie verfügt über reiche Sammlungsbestände, erbringt vorbildliche konservatorische Leistungen und ist zu einem internationalen Forschungszentrum geworden.

Anschei­nend ent­steht die Mari­en­burg – wie ein Phö­nix aus der Asche – immer wie­der aufs Neue und bil­det bis heu­te ein vita­les Denk­mal für die Geschich­te des Lan­des an der unte­ren Weich­sel. Dabei war es ein lan­ger Weg, den die­ses von man­nig­fa­chen mili­tä­ri­schen wie ideo­lo­gi­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen gepräg­te Bau­werk bis hin zum heu­te inter­na­tio­nal renom­mier­ten Muse­um und Tou­ris­ten­ma­gne­ten zurück­ge­legt hat.

Das Schloss in der Nachkriegszeit

Am Ende des Welt­krie­ges galt die Stadt Mari­en­burg mit ihren gro­ßen und wich­ti­gen Nogat-Brücken als ein zen­tra­ler stra­te­gi­scher Punkt. Ers­te sowje­ti­sche Pan­zer erreich­ten die Stadt­gren­ze am 23. Janu­ar 1945. Zunächst voll­zo­gen sich die Kämp­fe in der Stadt­mit­te, und danach kon­zen­trier­ten sich die Gefech­te auf das Ter­rain der Burg – bis die deut­schen Trup­pen in der Nacht vom 9. auf den 10. März die Stadt ver­lie­ßen. (Ande­re Quel­len datie­ren das Ende der Aus­ein­an­der­set­zun­gen erst auf den 17. März.) Die Fol­gen der mili­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen waren ver­hee­rend, denn sowohl die Stadt­mit­te als auch das Schloss – ins­be­son­de­re die Ost­sei­te – lagen in Trümmern.

Zunächst war nicht klar, ob die Burg über­haupt wie­der auf­ge­baut wür­de. Eini­ge natio­nal gesinn­te pol­ni­sche Krei­se ver­tra­ten die Mei­nung, dass die­ses Bau­werk als Inbe­griff der Ordens­herr­schaft und des preu­ßi­schen Impe­ria­lis­mus und Mili­ta­ris­mus abge­baut wer­den soll­te und dass das dadurch gewon­ne­ne Bau­ma­te­ri­al bes­ser für die Wie­der­errich­tung der zer­stör­ten pol­ni­schen Städ­te zu nut­zen wäre.

Unab­hän­gig von sol­chen Über­le­gun­gen stell­te sich zual­ler­erst die Auf­ga­be, die Burg­rui­ne zu sichern. Wäh­rend der ers­ten zwei Mona­te nach der Beset­zung durch die Rote Armee küm­mer­te sich nie­mand um das Schloss, so dass es vie­le Plün­de­rer anlock­te. Das Refe­rat für Kul­tur und Kunst des neu gebil­de­ten städ­ti­schen Kreis­amts, das sich dar­auf­hin um den Schutz der Bestän­de bemü­hen soll­te, hat­te zu weni­ge Mit­ar­bei­ter und konn­te den Die­ben kei­nen Ein­halt gebie­ten. Des­halb wur­de der Kom­plex am 22. August 1945 zur ers­ten Filia­le des Muse­ums der pol­ni­schen Armee in War­schau erklärt. Auf die­se Wei­se gelang­ten bedeu­ten­de Kunst­wer­ke in die pol­ni­sche Haupt­stadt und wer­den dort bis heu­te ver­wahrt. Da man sich inzwi­schen gegen den Abriss der Burg ent­schlos­sen hat­te und sie pri­mär als archi­tek­to­ni­sches Denk­mal ver­stand, wur­den auch ers­te Über­le­gun­gen zur Sanie­rung ein­zel­ner Par­tien angestellt.

1950 kam ein neu­er Inha­ber ins Spiel: die Pol­ni­sche Gesell­schaft für Tou­ris­tik und Lan­des­kun­de, die den Wie­der­auf­bau aber nicht zu för­dern ver­moch­te. Erst 1957, nach­dem das Mari­en­bur­ger Komi­tee für den Wie­der­auf­bau des Schlos­ses gebil­det war und die Ver­ant­wor­tung über­nom­men hat­te, wur­den Sanie­rungs­ar­bei­ten in Angriff genom­men. Zugleich rück­te die Mög­lich­keit einer Muse­ums­grün­dung in den Blick. Die Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren kamen in War­schau nur schlep­pend in Gang, beschleu­nig­ten sich aber, nach­dem ein Brand in der Nacht vom 7. auf den 8. Sep­tem­ber 1959 die Dächer des Gro­ßen Rem­ters und des Nord­flü­gels im Mit­tel­schloss beschä­digt hat­te. Im Sep­tem­ber 1960 erließ der Minis­ter für Kul­tur und Kunst eine ent­spre­chen­de Ver­ord­nung, durch die das Schloss­mu­se­um zum 1. Janu­ar 1961 kon­sti­tu­iert wurde.

Die Burg als museales Gebäude

Die Grün­dung des Muse­ums för­der­te die Pla­nung und Rea­li­sie­rung eines Wie­der­auf­baus. Bis­lang waren vor allem nur vie­le Ton­nen Schutt ent­sorgt und – nicht zuletzt auf­grund der gerin­gen Finanz­mit­tel – klei­ne­re Repa­ra­tu­ren aus­ge­führt wor­den. Ende der 1950er Jah­re hat­ten sich dann pol­ni­sche Kon­ser­va­to­ren und Kunst­his­to­ri­ker mit ver­schie­de­nen Kon­zep­tio­nen eines Wie­der­auf­baus beschäf­tigt und waren zu sehr unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen gelangt, die von einer voll­stän­di­gen Restau­rie­rung bis zur Erhal­tung des Schlos­ses als einer Halb­rui­ne zum Geden­ken an die Tra­gö­die des Zwei­ten Welt­krie­ges reich­ten. Begon­nen wur­de in die­ser Pha­se auch schon kon­kret mit dem Wie­der­auf­bau der St. Annen­ka­pel­le im Hoch­schloss, bei der die Mau­ern bis zur Eta­ge der dar­über­lie­gen­den Mari­en­kir­che hoch­ge­zo­gen wur­den. Die­se Arbei­ten fan­den in den Jah­ren 1966 und 1967 sowie in der ers­ten Hälf­te der 1970er Jah­re mit der Wie­der­her­stel­lung des Fens­ter­maß­werks und der Fens­ter­git­ter ihre Fortsetzung.

1966 wur­de dann der Haupt­turm wie­der­errich­tet. Im Kreis der Denk­mal­pfle­ger war zuvor debat­tiert wor­den, ob dabei mög­li­cher­wei­se auch die Renais­sance­be­krö­nung oder der Barock­helm aus der pol­ni­schen Zeit den Abschluss bil­den könn­ten. Statt­des­sen ent­schied man sich aber für eine dem Mit­tel­al­ter ent­spre­chen­de Form, die von der Dar­stel­lung des vor 1488 ent­stan­de­nen Gemäl­des Die Bela­ge­rung der Mari­en­burg aus dem Dan­zi­ger Artus­hof abge­lei­tet wur­de. In den Jah­ren von 1968 bis 1972 wur­de neben dem Hoch­schloss, das viel­fäl­ti­ge und lang­wie­ri­ge Arbei­ten erfor­der­lich mach­te, auch der zer­stör­te Ost­flü­gel des Mit­tel­schlos­ses rekon­stru­iert. Dabei soll­te durch­aus Aner­ken­nung fin­den, dass die­se Maß­nah­men trotz der wirt­schaft­li­chen Pro­ble­me des real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus eine hohe Prio­ri­tät erhiel­ten und auch auf einem sehr respek­ta­blen Niveau durch­ge­führt wor­den sind.

In die­sem Zusam­men­hang muss eigens Maciej Kilar­ski (1922–2003) her­vor­ge­ho­ben wer­den, der als Archi­tekt, Kunst­his­to­ri­ker, Denk­mal­pfle­ger und Museo­lo­ge, aber auch als begab­ter Zeich­ner und Foto­graf die­se Vor­gän­ge wesent­lich vor­an­ge­bracht und geprägt hat. Mit der Mari­en­burg war er schon vor der Muse­ums­grün­dung ver­bun­den und wirk­te hier spä­ter­hin bis 1991 (und sogar noch dar­über hin­aus) als Archi­tek­tur­kura­tor. Vom Juni bis zum August 1957 hat Maciej Kilar­ski im Auf­trag des Denk­mal­pfle­ge­amts in Dan­zig die Unter­su­chung und Besei­ti­gung der Trüm­mer der Mari­en­kir­che und der St. Annen­ka­pel­le im Hoch­schloss gelei­tet und seit­dem eine umfang­rei­che Samm­lung von Architektur-Fragmenten ange­legt und in einem mehr­tei­li­gen Lapi­da­ri­um zusam­men­ge­fasst. Zudem hat er in den Rui­nen Kunst­wer­ke wie die Figur Chris­ti im Gar­ten Geth­se­ma­ne und wert­vol­le Aus­stat­tungs­stü­cke auf­ge­spürt, bewahrt und foto­gra­fisch doku­men­tiert. Dabei bemüh­te er sich auch um die neu­go­ti­schen Gestal­tungs­ele­men­te aus der Zeit von Con­rad Stein­brecht (1849–1923), des­sen Tätig­keit er ins­ge­samt sehr schätz­te und an dem er sich – was in die­ser Zeit kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich war – bei sei­nen Arbei­ten maß­geb­lich orientierte.

Nach der inten­si­ven Zeit des Wie­der­auf­baus ver­la­ger­ten sich die Akti­vi­tä­ten ab den 1970er Jah­ren auf die Substanz-Erhaltung und Denk­mal­pfle­ge. Frei­lich waren wei­ter­hin umfang­rei­che Pro­jek­te zu bewäl­ti­gen wie bei­spiels­wei­se die Sanie­rung des Gro­ßen Rem­ters. Die Pro­ble­ma­tik, dass sich vom Kel­ler bis zum Dach­bo­den Mau­er­ris­se ein­stell­ten, war schon den deut­schen Kon­ser­va­to­ren des spä­te­ren 19. und der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts bekannt. Die­se Schä­den waren durch den Brand im Jah­re 1959 noch­mals ver­stärkt wor­den, und nun war nicht mehr aus­ge­schlos­sen, dass der Rem­ter ein­stür­zen könn­te. Genaue Ana­ly­sen erga­ben, dass das Grund­was­ser abge­sun­ken war und dadurch die Eichen­pfäh­le, auf denen das Fun­da­ment ruht, aus­trock­ne­ten. Mit gro­ßem Auf­wand und erheb­li­chen Kos­ten gelang es einem schwe­di­schen Unter­neh­men, den Grund durch spe­zi­el­le Ver­fah­ren wie­der zu sta­bi­li­sie­ren. Die­se Ret­tungs­ar­bei­ten dau­er­ten bis 1997, und zehn Jah­re spä­ter wur­de dann auch die Restau­rie­rung des Innen­raums abgeschlossen.

Einen vor­läu­fi­gen Schluss­punkt hin­ter die­se Bemü­hun­gen setz­te in den Jah­ren von 2014 bis 2016 die gründ­li­che Restau­rie­rung der St. Annen­ka­pel­le, des soge­nann­ten Pfaf­fen­turms und der Mari­en­kir­che, ein höchst auf­wän­di­ges und ambi­tio­nier­tes Vor­ha­ben, das eine groß­zü­gi­ge finan­zi­el­le Unter­stüt­zung des Nor­we­gi­schen Staats­fonds ermög­lich­te. In die­ser Zeit wur­de auch noch die legen­dä­re, acht Meter hohe Skulp­tur der Mater Dei wie­der­errich­tet und mit etwa 350.000 Mosaik-Steinen aus­ge­stal­tet. 22 Jah­re nach­dem die Mari­en­burg bereits in die UNESCO-Liste des Welt­kul­tur­er­bes auf­ge­nom­men wor­den war, ver­heil­te damit auch noch die letz­te tie­fe Wun­de, die dem Bau­werk vom Krieg geschla­gen wor­den war.

Ein „Leuchtturm“ der polnischen Museumslandschaft

Der Burg­kom­plex bil­det für sich genom­men schon ein Muse­um im wei­te­ren Sin­ne und macht ein Manage­ment erfor­der­lich, das jähr­lich Hun­dert­tau­sen­den von Men­schen den Zugang gewährt und ihnen orga­ni­sa­to­risch wie logis­tisch eine geord­ne­te und von kom­pe­ten­ten Füh­rern betreu­te Besich­ti­gung ermög­licht. Die­ses gro­ße Unter­neh­men, das den inter­na­tio­na­len Publi­kums­ma­gne­ten „Mari­en­burg“ als Welt­erbe­stät­te ver­mark­tet, zugleich aber schützt und nach­hal­tig bewahrt, hat aller­dings ein wei­te­res, kei­nes­falls min­der umfang­rei­ches Auf­ga­ben­spek­trum zu bewäl­ti­gen, weil das Bau­werk sei­ner­seits ein Muse­um im enge­ren Sin­ne beher­bergt. Von des­sen viel­fäl­ti­gen Arbeits­fel­dern gibt die – auch auf Deutsch ange­bo­te­ne – Web­site zamek​.mal​bork​.pl einen hin­läng­li­chen Ein­druck. Beson­de­ren Respekt flößt schon auf der Start­sei­te die Ent­de­ckung ein, dass das Muse­um nicht nur für das Deutsch­or­dens­schloss zustän­dig ist, son­dern zwei wei­te­re Filia­len, und zwar die Dom­burg Mari­en­wer­der (seit 1973) sowie (seit 2018) die Ordens­burg Stuhm, ver­wal­tet. Dar­über hin­aus zeigt bei­spiels­wei­se die Chro­nik der jün­ge­ren Son­der­aus­stel­lun­gen, von denen in den 60 Jah­ren des Bestehens mehr als 300 ver­an­stal­tet wor­den sind, wel­che Fül­le von The­men hier regel­mä­ßig erar­bei­tet und anschau­lich gemacht wer­den. Erin­nert sei hier nur an das „Forschungs- und Aus­stel­lungs­pro­jekt“ zu den „Skulp­tu­ren des ‚Schö­nen Stils‘ in Preu­ßen­land“, das der Öffent­lich­keit im Okto­ber des letz­ten Jah­res zugäng­lich gemacht und aus­führ­lich von Moni­ka Czaps­ka im West­preu­ßen (№ 1 / 2021) vor­ge­stellt wor­den ist.

Von den wei­te­ren Tätig­keits­fel­dern sol­len zunächst die ins­ge­samt 21 Samm­lun­gen, die das Schloss­mu­se­um an den drei Stand­or­ten erschließt, auf­be­wahrt und prä­sen­tiert, ange­spro­chen und an fünf Exem­pla cha­rak­te­ri­siert werden:

  • Mit Bern­stein wur­de im Land an der unte­ren Weich­sel schon seit der Anti­ke Han­del getrie­ben, und er ist auch mit der Mari­en­burg eng ver­bun­den, weil der Deut­sche Orden über das Mono­pol für die För­de­rung und den Ver­kauf ver­füg­te. Die Geschich­te der Bern­st­ein­samm­lung reicht aller­dings nur eini­ge Jahr­zehn­te zurück, denn sie begann erst mit der Grün­dung des Schloss­mu­se­ums. Sie besteht zum einen aus moder­nen Bernstein-Kunstwerken, zum ande­ren aber umfasst sie mitt­ler­wei­le auch berühm­te Zeug­nis­se aus frü­he­ren Jahr­hun­der­ten wie Stü­cke aus dem Besitz Sta­nisław August Poni­a­tow­skis (1732–1798), des letz­ten der pol­ni­schen Wahl­kö­ni­ge, oder Arbei­ten der Dan­zi­ger Meis­ter Micha­el Red­lin und Chris­toph Mau­cher aus der zwei­ten Hälf­te des 17. Jahrhunderts.
  • Archi­tek­to­ni­sche Frag­men­te sind im Lau­fe des lan­gen Pro­zes­ses, in dem die Mari­en­burg seit dem frü­hen 19. Jahr­hun­dert rekon­stru­iert bzw. wie­der­errich­tet sowie restau­riert wur­de, bei den Arbei­ten ent­deckt, zusam­men­ge­tra­gen und um Ver­gleichs­stü­cke von ande­ren Bau­wer­ken ergänzt wor­den waren. Die­se Samm­lung hat, wie schon erwähnt, Maciej Kilar­ski aus den Trüm­mern der 1945 zer­stör­ten Gebäu­de gebor­gen, um neue Fun­de erwei­tert und in Lapi­da­ri­en auf den Ter­ras­sen des Hoch­schlos­ses ausgestellt.
  • Die umfang­rei­che Waf­fen­samm­lung gehör­te schon vor dem letz­ten Krieg zum Inven­tar des Muse­ums. Sie umfass­te 2.000 Expo­na­te und bestand vor­nehm­lich aus Stü­cken, die der Poli­ti­ker sowie Ken­ner und Samm­ler Theo­dor Josef Blell (1827–1902) zusam­men­ge­tra­gen hat­te. 1945 wur­den Tei­le der Kol­lek­ti­on zer­stört oder ver­ein­zelt. Nach der Grün­dung des Muse­ums konn­te aber auch die­ser Bereich rekon­stru­iert bzw. neu auf­ge­baut wer­den. Heu­te zäh­len dazu etwa 800 Objek­te, dar­un­ter z. B. inkrus­tier­te Schwer­ter aus dem 14. Jahr­hun­dert, eine klei­ne Kano­ne mit einem Abbild der Hl. Jung­frau oder Pal­l­asche der polnisch-sächsischen Garde.
  • Schon bei der ers­ten Restau­rie­rung der Mari­en­burg stell­te sich das Bedürf­nis ein, die wie­der­ge­won­ne­nen goti­schen Räum­lich­kei­ten durch zeit­ge­nös­si­sche Arte­fak­te zu bele­ben. Dafür boten sich Zeug­nis­se der Bild­hau­er­kunst an wie bei­spiels­wei­se Altar­fi­gu­ren, deren ursprüng­lich sakra­ler Kon­text nicht mehr bestand. So kam im Lau­fe der Zeit eine bedeu­ten­de Samm­lung von Skulp­tu­ren aus unter­schied­li­chen Mate­ria­li­en zusam­men, zu der als beson­de­re Attrak­ti­on die um 1390 in einer böh­mi­schen Werk­statt geschaf­fe­ne (und schon erwähn­te) Mar­mor­fi­gur Chris­tus im Gar­ten Geth­se­ma­ne zählt.
  • Mit der neue­ren Bau­ge­schich­te der Mari­en­burg hän­gen letzt­lich auch die Relik­te der Glas­ma­le­rei­en zusam­men, die seit dem 19. Jahr­hun­dert für die Bunt­ver­gla­sung der Fens­ter­flä­chen ent­stan­den. Die­se Samm­lung umfasst Glas­kunst, die auf Ent­wür­fen von Karl Fried­rich Schin­kel beruht, Arbei­ten aus dem König­li­chen Glasmalerei-Institut in Char­lot­ten­burg bei Ber­lin oder Wer­ke von Franz Lau­ter­bach und Johan­nes Hasel­ber­ger. Dar­über hin­aus wer­den aber auch moder­ne Glas­fens­ter – z. B. Rest­stü­cke aus der Ver­gla­sung des neu­en Mari­en­bur­ger Rat­hau­ses – berücksichtigt.

Zusätz­lich zu den Samm­lun­gen gehö­ren die wis­sen­schaft­li­chen Akti­vi­tä­ten zu den Merk­ma­len, die in beson­de­rem Maße das Pro­fil des Hau­ses prä­gen. Das Schloss­mu­se­um gibt ein eige­nes Peri­odi­kum, die Stu­dia Zam­ko­we [Schloss-Studien], her­aus und publi­ziert zu ein­zel­nen Son­der­aus­stel­lun­gen Kata­lo­ge, die nicht nur die Expo­na­te abbil­den und erschlie­ßen, son­dern auch For­schungs­bei­trä­ge zu den jewei­li­gen Sujets bieten.

Kenn­zei­chen der Ver­lags­tä­tig­kei­ten sind zudem die öko­lo­gisch begrün­de­te Ent­schei­dung, mög­lichst nur Recycling-Papier zu nut­zen, sowie das Bemü­hen um eine beson­ders sorg­fäl­ti­ge und ästhe­tisch gelun­ge­ne Gestal­tung der Ver­öf­fent­li­chun­gen – die jüngst sogar bei einem inter­na­tio­na­len Wett­be­werb mit einem Preis bedacht wor­den ist: Der Kata­log zur Aus­stel­lung Sapi­en­tia aedi­fi­ca­vit sibi dom­um [Die Weis­heit hat sich ein Haus errich­tet], die 2019 das Ordens­land Preu­ßen the­ma­ti­siert hat, wur­de bei den DNA Paris Design Awards ausgezeichnet.

Ein neu­es wis­sen­schaft­li­ches Vor­ha­ben, das vom Minis­te­ri­um für Kul­tur, natio­na­les Erbe und Sport geför­dert wird, schlägt inzwi­schen einen Bogen zum Beginn der Restau­rie­rungs­ar­bei­ten zurück: Das Pro­jekt Stra­ty [Ver­lus­te] fragt nach den Kunst­wer­ken, Samm­lun­gen und Aus­stat­tungs­stü­cken, die in den letz­ten Kriegs­ta­gen und in der Zeit danach ver­lo­ren­ge­gan­gen sind. Einer der ers­ten Schrit­te wur­de mit einer Publi­ka­ti­on voll­zo­gen, in der Berich­te der Schlossbau-Verwaltung aus der deut­schen Zeit in pol­ni­scher Spra­che ver­öf­fent­licht wor­den sind.

Das Schloss­mu­se­um hat wäh­rend des gan­zen Jubi­lä­ums­jah­res ver­sucht, die­sen Anlass trotz der Ein­schrän­kun­gen, die die Pan­de­mie allen Insti­tu­tio­nen und deren Inter­es­sen­ten auf­er­legt, mit einer Aus­stel­lung fest­lich zu bege­hen: durch offi­zi­el­le Fei­ern oder Ver­an­stal­tun­gen für und mit den jet­zi­gen und frü­he­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern – von denen eini­gen auch staat­li­che Ehrun­gen zuteil­wur­den –, durch eine Freilicht-Tafelausstellung zur nun­mehr 60-jährigen Muse­ums­ge­schich­te, durch die Prä­gung einer Erin­ne­rungs­me­dail­le, die von der Staat­li­chen Mün­ze her­aus­ge­ge­ben wird, oder durch die Eröff­nung der neu­en gro­ßen Son­der­aus­stel­lung Regnum defen­do ense et alis tego stric­to [Ich ver­tei­di­ge das König­reich mit mei­nem gezo­ge­nen Schwert und bede­cke es mit mei­nen Flü­geln], die sich der lan­gen, aber noch weit­ge­hend uner­forsch­ten Pha­se zuwen­det, in der die Mari­en­burg wäh­rend der Zeit des König­li­chen Preu­ßen als Resi­denz des pol­ni­schen Königs gedient hat.

Zu einem Jubi­lä­um, das solch ein „Leucht­turm“ der pol­ni­schen Muse­ums­land­schaft bege­hen kann, gehö­ren frei­lich nicht nur Retro­spek­ti­ven, son­dern auch ambi­tio­nier­te Vor­ha­ben, die den Bereich der Vor­burg betref­fen. Hier sol­len die St. Lorenz­kir­che saniert und Wirt­schafts­ge­bäu­de wie­der­errich­tet wer­den. Gera­de das zwei­te die­ser Pro­jek­te, das die Infra­struk­tur des gesam­ten Kom­ple­xes noch­mals ver­än­dern wird, zeigt, dass die Mari­en­burg schwer­lich „fer­tig“ wer­den kann, son­dern sich als work in pro­gress auch in Zukunft noch dyna­misch wei­ter­ent­wi­ckeln wird – und alle­mal, ver­gleich­bar der Köl­ner Dom­bau­hüt­te, einer ste­ti­gen und auf­wän­di­gen kon­ser­va­to­ri­schen Betreu­ung bedarf.

Bartosz Skop