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Beauftragte in schwierigen Zeiten

Natalie Pawlik im Interview

Russlands Krieg gegen die Ukraine, Diskriminierung deutscher Schüler in Polen – die Lage, in der Natalie Pawlik MdB das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten angetreten hat, kann gewiss nicht als leicht bezeichnet werden. Im Interview mit Tilman A. Fischer spricht die 1992 im sibirischen Wostok geborene Sozialdemo­kratin über ihre Positionen, persönliche Anliegen und die Erfahrungen der ersten Monate im Amt.

Frau Paw­lik, Sie sind als russ­land­deut­sche Spät­aus­sied­le­rin nach Deutsch­land gekom­men. Gibt es einen kon­kre­ten bio­gra­phi­schen Moment, von dem Sie rück­bli­ckend sagen wür­den, dass Ihnen die Zuge­hö­rig­keit zur gesell­schaft­li­chen Grup­pe der Aus­sied­ler erst­mals expli­zit bewusst gewor­den ist?

Dadurch, dass ich mei­nen Groß­va­ter noch ken­nen­ge­lernt habe, des­sen Bio­gra­phie sehr von den Kriegs­fol­gen geprägt war, war das Schick­sal der Russ­land­deut­schen immer ein The­ma in unse­rer Fami­lie. Wir haben – zumal auf­grund der Trau­ma­ti­sie­rung mei­nes Groß­va­ters – immer offen über die­se Geschich­te gespro­chen. So rich­tig ist mir in der Grund­schu­le bewusst gewor­den, dass wir zu einer beson­de­ren Grup­pe gehö­ren: Ich wohn­te in einem Aus­sied­ler­wohn­heim – ande­re Mit­schü­ler in »nor­ma­len« Häu­sern oder Woh­nun­gen. Dass wir irgend­wie anders sind, wur­de ab die­sem Zeit­punkt immer deut­li­cher. Außer­dem hat­te ich in mei­ner Bio­gra­phie immer wie­der Pha­sen – zum Bei­spiel als Teen­ager –, in denen ich mehr mit rus­sisch­spra­chi­gen Men­schen zu tun hat­te und dadurch natür­lich auch in Iden­ti­täts­kon­flik­te gekom­men bin.

Wann wur­den die­se Erfah­run­gen und Zusam­men­hän­ge für Sie als Poli­ti­ke­rin relevant?

Seit dem »Fall Lisa«, im Jahr 2016, habe ich ange­fan­gen, mich sehr offen­siv mit Aus­sied­ler­po­li­tik zu befas­sen, weil es mich sehr geär­gert hat, wie zu der Zeit in den Medi­en über Russ­land­deut­sche berich­tet wur­de. Eine gan­ze Grup­pe wur­de damals in ein nega­ti­ves Licht gerückt. Es hat mich wütend gemacht, dass nicht die Viel­falt der russ­land­deut­schen Com­mu­ni­ty, die Vie­len, die sich enga­gie­ren und Teil die­ser Gesell­schaft sind, im Fokus stan­den, son­dern die Russ­land­deut­schen immer nur in einem nega­ti­ven Kon­text dar­ge­stellt wur­den. Das woll­te ich damals nicht zulas­sen, und so habe ich begon­nen, mich inten­siv mit Aus­sied­ler­po­li­tik und den Her­aus­for­de­run­gen der Com­mu­ni­ty zu beschäftigen.

Wel­che Erfah­run­gen haben Sie in den Jah­ren als Jugend­li­che und jun­ge Poli­ti­ke­rin mit den Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen der Deut­schen aus Russ­land gesammelt?

Als Jugend­li­che war ich in der Tanz­grup­pe Inter­na­tio­na­ler Club Bad Nau­heim aktiv – zusam­men mit Men­schen aus unter­schied­li­chen Natio­nen, dar­un­ter vie­le Rus­sisch­spra­chi­ge: jüdi­sche Kon­tin­gent­flücht­lin­ge und Russ­land­deut­sche. Hier­über kam ich zur Deut­schen Jugend aus Russ­land (DJR), dort habe ich recht früh begon­nen, Thea­ter zu spie­len und an Jugend­pro­jek­ten teil­zu­neh­men. Seit 2016/17 bin ich auch Mit­glied bei der Deut­schen Jugend aus Russ­land in Hes­sen. Dort habe ich im Rah­men der poli­ti­schen Bil­dungs­ar­beit als Refe­ren­tin und Teil­neh­me­rin mit­ge­wirkt. Im Rah­men mei­ner neu­en Auf­ga­be als Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Aus­sied­ler­fra­gen und natio­na­le Min­der­hei­ten arbei­te ich sehr eng mit den Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen, den Ver­ei­nen und Lands­mann­schaf­ten der ver­schie­de­nen Aus­sied­ler­grup­pen zusam­men. Die­ser enge Aus­tausch und der regel­mä­ßi­ge Kon­takt sind mir auch sehr wichtig.

Nun ist das Ver­hält­nis Ihrer Par­tei zu den orga­ni­sier­ten Ver­trie­be­nen und Aus­sied­lern his­to­risch nicht span­nungs­frei. Wie reagier­te man in den Rei­hen der SPD auf Ihr Engagement?

In der SPD wur­de es immer sehr posi­tiv wahr­ge­nom­men, dass ich mich als Russ­land­deut­sche in der Par­tei enga­gie­re. Zugleich habe ich immer ver­sucht, inner­halb der Par­tei einen Zugang zu aus­sied­ler­po­li­ti­schen The­men zu orga­ni­sie­ren und für gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis zu sor­gen und Men­schen zusam­men­zu­brin­gen. Es ist natür­lich immer her­aus­for­dernd, in der SPD – wie auch in den ande­ren Par­tei­en – ein Bewusst­sein für aussiedler- und ver­trie­be­nen­po­li­ti­sche Fra­gen zu schaf­fen, da die­se oft als Nischen­the­men abge­stem­pelt wer­den. Den­noch konn­te ich immer wie­der offe­ne Türen ein­ren­nen. Was mich jedoch auf­ge­bracht hat, war, wenn ich auch aus den eige­nen Rei­hen Kom­men­ta­re über »die Russ­land­deut­schen«, die als »die Rus­sen« oder »die AfD-Wähler« bezeich­net wur­den, gehört habe. Ich sehe es als mei­ne Auf­ga­be an, dafür zu sor­gen, das Wis­sen über die Anlie­gen und die Geschich­te von Aus­sied­lern und Ver­trie­be­nen wei­ter­zu­tra­gen und dafür zu sor­gen, dass Vor­ur­tei­le abge­baut werden.

Und wie sieht es umge­kehrt aus: Wie wer­den Sie als sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Fach­po­li­ti­ke­rin von den Ziel­grup­pen wahrgenommen?

Bei mei­ner Tätig­keit geht es vor­der­grün­dig um die Anlie­gen der Ange­hö­ri­gen der natio­na­len Min­der­hei­ten, der deut­schen Min­der­hei­ten und der ver­schie­de­nen Aussiedler- und Ver­trie­be­nen­grup­pen. Da spielt mei­ne Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit eine neben­säch­li­che Rol­le. Es freut mich aber natür­lich, wenn es mir gelingt, inner­halb der Sozi­al­de­mo­kra­tie ein Inter­es­se für die The­men der Ver­trie­be­nen und Hei­mat­ver­blie­be­nen her­zu­stel­len, eben­so wie ich mich freue, wenn sich Ver­trie­be­ne und Hei­mat­ver­blie­be­ne sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Ideen öff­nen. Tat­säch­lich hat­ten – etwa die deut­schen Min­der­hei­ten in Mittel- und Ost­eu­ro­pa (MOE) sowie den Staa­ten der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on – bis­her weni­ge direk­te Berüh­rungs­punk­te mit der SPD. Nicht zuletzt, weil die Posi­ti­on des Aus­sied­ler­be­auf­trag­ten lan­ge Zeit kon­ser­va­tiv besetzt war, aber auch, weil es in der SPD bis­her kei­ne gro­ße Grup­pe gibt, die sich für die deut­schen Min­der­hei­ten enga­giert. Anfang Novem­ber hat­ten wir aber bereits ein gutes Tref­fen zwi­schen der Spit­ze der SPD-Bundestagsfraktion und der Arbeits­ge­mein­schaft der deut­schen Min­der­hei­ten (AGDM). Das sind Brü­cken, die ich gut bau­en kann und bau­en möch­te, auch im Sin­ne der poli­ti­schen Viel­falt und Über­par­tei­lich­keit in die­sem Politikfeld.

Gibt es so etwas wie einen sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Schrift­zug, der in Ihrer Wahr­neh­mung des Amtes als Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung deut­lich wer­den könnte?

Ich set­ze Aussiedler- und Ver­trie­be­nen­po­li­tik zum einen stark in den gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kon­text. Das heißt, ich habe den Anspruch, nicht nur an die Geschich­te zu erin­nern, son­dern tages- und sozi­al­po­li­ti­sche Bezü­ge her­zu­stel­len: Wie war der Inte­gra­ti­ons­pro­zess der Ver­trie­be­nen und Aus­sied­ler? Wel­che struk­tu­rel­len Hür­den müs­sen sie und ihre Nach­kom­men auch heu­te noch meis­tern? Wie kön­nen sie dabei unter­stützt wer­den? Was kön­nen wir aus der Geschich­te der Aus­sied­ler und Ver­trie­be­nen für die Gegen­wart ler­nen, um die Aufnahme- und Inte­gra­ti­ons­pro­zes­se zu ver­bes­sern und Viel­falt in unse­rer Gesell­schaft zu stär­ken? Zum ande­ren habe ich einen sehr offe­nen Hei­mat­be­griff: Für mich ist Hei­mat nicht dis­kri­mi­nie­rend, son­dern inklu­siv. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land soll auch für Men­schen Hei­mat sein, die woan­ders gebo­ren wur­den und woan­ders her­kom­men. Ent­schei­dend ist die Fra­ge, wie eine moder­ne, viel­fäl­ti­ge Gesell­schaft aus­se­hen kann, in der Aus­sied­ler sowie die deut­schen Hei­mat­ver­trie­be­nen und ihre Nach­fah­ren ihre Iden­ti­tät und ihre Mehr­spra­chig­keit leben kön­nen und sie gesell­schaft­li­che und sozia­le Teil­ha­be haben. Dabei geht es nicht zuletzt auch um Sicht­bar­keit – als Teil der Gesellschaft.

Seit der Ernen­nung zur Aus­sied­ler­be­auf­trag­ten hat­ten Sie bereits viel­fäl­ti­ge Gele­gen­hei­ten, ihren Blick über die russ­land­deut­sche Gemein­schaft hin­aus zu wei­ten. Wel­che Erfah­run­gen und Ein­drü­cke sind dabei von zen­tra­ler Bedeutung?

Vor mei­ner Ernen­nung hat­te ich noch kei­ne enge Zusam­men­ar­beit mit Tei­len der Lands­mann­schaf­ten oder den Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen der deut­schen Min­der­hei­ten in MOE und der Gemein­schaft unab­hän­gi­ger Staa­ten. Im Zuge mei­ner Ernen­nung habe ich aber natür­lich zeit­nah Kon­takt auf­ge­nom­men und die meis­ten Akteu­rin­nen und Akteu­re ken­nen­ge­lernt. So konn­te ich zum Bei­spiel im Rah­men des Sude­ten­deut­schen Tages wich­ti­ge Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter die­ser Grup­pe ken­nen­ler­nen, und konn­te bei­spiels­wei­se bei mei­ner Rei­se nach Polen der deut­schen Min­der­heit in Polen in ihrer Brei­te begeg­nen. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Fra­ge des Hei­mat­ver­lus­tes und das Ankom­men in einer neu­en Hei­mat ähneln den Dis­kur­sen, die ich auch aus der russ­land­deut­schen Com­mu­ni­ty ken­ne. Es gibt zahl­rei­che Gemein­sam­kei­ten zwi­schen den Grup­pen, für die ich zustän­dig bin. Gleich­wohl ist jede Grup­pe in ihrer Geschich­te, ihren Tra­di­tio­nen, ihren Arbeits­wei­sen und ihren Anlie­gen sehr indi­vi­du­ell. Das fin­de ich span­nend zu sehen. Auch mei­ne Besu­che bei den natio­na­len Min­der­hei­ten in Deutsch­land haben mei­nen Blick noch­mal neu für die Geschich­te und die Her­aus­for­de­run­gen der ein­zel­nen Grup­pen geöff­net – mit allen Unter­schie­den und Gemein­sam­kei­ten. Am Ende geht es aber doch bei allen um Sicht­bar­keit, Teil­ha­be, Chan­cen, ein Leben frei von Dis­kri­mi­nie­rung; und das ver­bin­det, nach mei­ner Ein­schät­zung, letzt­lich auch alle Grup­pen miteinander.

Sowohl für die deut­schen Hei­mat­ver­trie­be­nen als auch für die Hei­mat­ver­blie­be­nen stellt sich in die­sen Jah­ren die Her­aus­for­de­rung des Erin­ne­rungs­trans­fers. Wel­che Per­spek­ti­ven sehen Sie hier?

Es ist sehr wich­tig, dass wir wei­ter­hin erin­nern. Des­halb sind Insti­tu­tio­nen wie das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum in Oppeln oder die ost­deut­schen Lan­des­mu­se­en wich­tig, die die Geschich­te wei­ter­tra­gen. Was ich aber auch beto­nen möch­te: In Polen habe ich eine unglaub­lich leben­di­ge Jugend der deut­schen Min­der­heit erlebt – sie ist wahn­sin­nig aktiv. Dort enga­gie­ren sich sehr vie­le jun­ge Men­schen, die sich sowohl mit der Geschich­te als auch mit der Gegen­wart beschäf­ti­gen. Das fin­de ich sehr beein­dru­ckend – und dar­um geht es eben gera­de auch: Dass wir die jun­ge Gene­ra­ti­on mit­neh­men, die dem Gan­zen eine Zukunft gibt. Die Jugend­ar­beit zu stär­ken ist mir ein wich­ti­ges Anliegen.

Umso fata­ler sind die Maß­nah­men der pol­ni­schen Regie­rung gegen die deut­sche Volks­grup­pe. Wie schät­zen Sie deren men­schen­recht­li­che Lage ein und wel­che Handlungs­möglichkeiten haben Sie?

Ich bin sehr erschro­cken dar­über, dass in Euro­pa, in Polen wie­der Dis­kri­mi­nie­run­gen einer Min­der­heit statt­fin­den – und zwar so offen­sicht­lich: Wenn ein­sei­tig bei der deut­schen Min­der­heit der mut­ter­sprach­li­che Unter­richt gekürzt wird, wer­den damit Kin­der für par­tei­po­li­ti­sche Inter­es­sen in Sip­pen­haft genom­men. Das bedeu­tet ganz kon­kret: Über 50.000 Kin­dern wird die Mög­lich­keit genom­men, in mut­ter­sprach­li­chem Deutsch­un­ter­richt Deutsch zu ler­nen. Es gehört zu unse­ren Auf­ga­ben, der deut­schen Min­der­heit in die­sen Zei­ten zur Sei­te zu ste­hen. Ich freue mich sehr, dass wir vor die­sem Hin­ter­grund 5 Mil­lio­nen Euro im Bun­des­haus­halt 2023 für die außer­schu­li­sche Sprach­för­de­rung der deut­schen Min­der­heit in Polen ver­an­kern konn­ten. Gleich­zei­tig ver­sucht die Bun­des­re­gie­rung auch, auf diplo­ma­ti­schem Wege dahin zu kom­men, dass die Kür­zun­gen zurück­ge­nom­men werden.

Bli­cken wir noch etwas wei­ter nach Osten, sind wir gegen­wär­tig mit beson­ders schwer­wie­gen­den Fra­gen kon­fron­tiert. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat der rus­si­sche Über­fall auf die Ukrai­ne auf Ihren Arbeitsbereich?

Der rus­si­sche Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne wirkt sich stark auf mei­ne Arbeit aus. Einer­seits gibt es dadurch star­ken Hand­lungs­be­darf für die Hei­mat­ver­blie­be­nen, also vor allem für die deut­sche Min­der­heit in der Ukrai­ne. Hier geht es um huma­ni­tä­re Hil­fe und die Unter­stüt­zung des Ver­bands­we­sens, aber auch um die Fra­ge: Wie schaf­fen wir es, für Men­schen, die sich für eine Umsied­lung nach Deutsch­land ent­schei­den, eine schnel­le Auf­nah­me im Rah­men eines Här­te­fall­ver­fah­rens zu ermög­li­chen? Glei­ches gilt natür­lich für die deut­sche Min­der­heit in Russ­land, die gegen­wär­tig mas­si­ven Repres­sio­nen aus­ge­setzt ist. Die Orga­ni­sa­ti­ons­kon­ten soll­ten gesperrt wer­den, und zum Teil wur­den sie als Agen­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen gehan­delt. Gleich­zei­tig stellt der Wech­sel­kurs die Finan­zie­rung von Pro­jek­ten der deut­schen Min­der­heit in Russ­land vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen. Ande­rer­seits pas­siert sehr viel inner­halb der rus­sisch­spra­chi­gen Com­mu­ni­ty hier in Deutsch­land. Es ist all­ge­mein bekannt, dass Putin ver­sucht, auch im Aus­land sei­ne Nar­ra­ti­ve und Des­in­for­ma­tio­nen zu ver­brei­ten. Bei eini­gen wirkt das nach wie vor. Daher ist es eines mei­ner zen­tra­len Anlie­gen, dar­an zu arbei­ten, dass die Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen nicht erfolg­reich sind, son­dern dass unse­re Gesell­schaft zusam­men­hält. Ich kämp­fe dafür, dass Des­in­for­ma­tio­nen ihre Wir­kung nicht ent­fal­ten kön­nen und tre­te dage­gen an, dass Men­schen völ­lig unbe­hel­ligt in Bla­sen der Des­in­for­ma­ti­on unter­wegs sind und sich dadurch von unse­rer Demo­kra­tie abkoppeln.

Wie kann das gelingen?

Zum Bei­spiel sind vie­le jun­ge Men­schen aus den Rei­hen der Spät­aus­sied­ler zuhau­se gro­ßen Kon­flik­ten aus­ge­setzt – oft mit ihren Eltern und Groß­el­tern, die ande­re Infor­ma­tio­nen kon­su­mie­ren. Die­se Jugend­li­chen müs­sen in der Ent­wick­lung von Kom­pe­ten­zen unter­stützt wer­den, um mit den Kon­flikt­si­tua­tio­nen zurecht­zu­kom­men. Hier gilt es, ihnen im Rah­men der poli­ti­schen Bil­dung Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien an die Hand zu geben, um auch zuhau­se unse­re demo­kra­ti­schen Wer­te ver­tei­di­gen und Falsch­in­for­ma­tio­nen wider­le­gen zu kön­nen. Gleich­zei­tig ist es natür­lich auch wich­tig, dass wir die poli­ti­sche und digi­ta­le Bil­dung auch für Erwach­se­ne und älte­re Men­schen stärken.

Wel­che Bedeu­tung kommt den Orga­ni­sa­tio­nen der deut­schen Aus­sied­ler und Hei­mat­ver­trie­be­nen in der Bewäl­ti­gung der Lage zu?

Wir haben ganz vie­le Vertriebenen- und Aus­sied­ler­or­ga­ni­sa­tio­nen, die bei der Auf­nah­me und der Unter­brin­gung von Geflüch­te­ten Ünter­stüt­zung leis­ten, Hilfs­pa­ke­te und Spen­den gesam­melt und in die Ukrai­ne gebracht haben. Unter den Ver­trie­be­nen und Spät­aus­sied­lern gibt es eine gro­ße Soli­da­ri­tät und ein tief­sit­zen­des Erschre­cken dar­über, dass so etwas in Euro­pa wie­der pas­siert ist. Ganz vie­le russ­land­deut­sche Orga­ni­sa­tio­nen haben sich klar öffent­lich gegen die­sen Krieg posi­tio­niert. Ich bin davon über­zeugt, dass die­se Stim­men wich­tig sind. Gleich­zei­tig arbei­ten auch die Selbst­or­ga­ni­sa­tio­nen dar­an, dass unse­re Gesell­schaft gera­de in die­sen Zei­ten zusammenhält.

Was aber kann zuletzt getan wer­den, um den bedräng­ten Deut­schen in Putins Reich zu helfen?

Für sie öff­nen wir eben­falls das Här­te­fall­ver­fah­ren bei der Auf­nah­me. Ich bin im stän­di­gen Aus­tausch mit den Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern dort, um zu sehen, wie wir sie wei­ter­hin unter­stüt­zen kön­nen. Wir kön­nen ihnen Wege zei­gen, Russ­land sicher zu ver­las­sen. Gera­de auch im Kon­text der Mobil­ma­chung durch Putin haben wir das Här­te­fall­ver­fah­ren für Men­schen aus Russ­land geöff­net. Aber auch der deut­schen Min­der­heit ste­hen wir zur Sei­te und hel­fen, wo wir hel­fen können.