Von Cornelia Pieper
Im Juni dieses Jahres waren wir Zeugen einer würdevollen Feier anlässlich der liturgischen Rückkehr des Altars der Heiligen Dreifaltigkeit und der dazugehörenden Predella in die Danziger Marienkirche. Dabei handelte es sich um einen herausragenden Erfolg im Gesamtbild der deutsch-polnischen Beziehungen; um einen Augenblick, der uns alle zu Recht mit Stolz erfüllen sollte. Ich war ganz besonders glücklich und dankbar dafür, dass ich diesen Moment im Rahmen meiner Tätigkeit als Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Danzig erleben durfte!
Mit der Rückkehr dieses Altars aus dem 15. Jahrhundert wurde Danzig noch schöner und die deutsch-polnischen Beziehungen wurden um eine weitere Erfahrung reicher, reifer und besser. Die Geschichte schloss hier übrigens einen schönen Kreis: In besonders schwierigen Momenten, wenn die offiziellen und staatlichen Institutionen manchmal nicht mehr weiterwissen, wenn die Standpunkte zu sehr voneinander entfernt scheinen und eine Einigung als unrealistisch bewertet wird, nehmen Kirchen den Faden des Dialoges in die Hände und führen auf den Pfad der Übereinkunft. Der Brief der polnischen Bischöfe an ihre Glaubensbrüder von 1965 ist heute ein historisches Beispiel des guten Willens, der offenen Herzen und Köpfe und des ungeheuren Großmuts von Menschen, die damals in der Lage waren weiter und breiter in die Welt hinauszublicken, auf die Vergangenheit und Zukunft. Sie riskierten massive Kritik im eigenen Land, indem sie die historische Mission dieses Briefes höherstellten. Der Brief spielte eine kolossale Rolle, goss Mut in die Herzen vieler anderer Fürsprecher der Aussöhnung, während sich das Zitat aus ihm über die gegenseitige Verzeihung für immer in unsere Geschichte eintrug.
Auch heute ist es mit der Kulturgüterrückgabe so, dass sie nicht nur Fürsprecher hat. Welch ein gutes Zeichen ist daher für die weiteren Geschehnisse die Verständigung der Kirchen in dieser Frage! Auch wenn heutzutage nicht alle Menschen religiös sind, so wird doch die Stimme der Geistlichen mit Aufmerksamkeit gehört, in Betracht gezogen und ihr wird mit Respekt begegnet. Ganz besonders bei solchen Angelegenheiten, die zwar vom Siebten Gebot »reguliert« werden, aber schließlich nicht nur eine religiöse, sondern auch eine irdische Dimension haben.
Danzig ist heute und wird für immer eine polnische Stadt bleiben. Seine Vergangenheit – und damit auch seine gegenwärtige kulturelle Identität, sein Stadtgewebe und der Geist des Ortes – wurden aber von vielen europäischen Einflüssen gestaltet. Über mehrere Jahrhunderte war Danzig Heimat von Menschen, die verschiedene Sprachen benutzten, die sich zu Gott auf verschiedene Art und Weisen bekannten, die diverse Traditionen und Bräuche pflegten. Viele von ihnen lebten hier seit Generationen, aber viele hielten sich auch nur kurz auf, um trotzdem eine deutliche Spur in der materiellen Kultur der Stadt zu hinterlassen. Die Identität des Ortes ist somit in Danzig ein gesamteuropäisches Werk, und Vertreter vieler heutiger Völker können Verbundenheit oder kulturelle Nähe zu ihr empfinden. Zudem ist Danzig, wie auch ganz Polen, wie auch Deutschland, heute Teil des vereinigten Europas, in dem wir die Grenzen zwischen Ländern aufheben. In dieser Realität brauchen Kulturgüter keine Nationalität mehr. Für sie ist der beste Ort derjenige, für den sie von den meisterhaften Künstlern alter Epochen geschaffen wurden. Und wo jeder hinkommen und sie sehen kann, der die Kultur liebt, der Danzig liebt, der von ihm fasziniert ist oder aus welchem Grund auch immer eine Verbundenheit mit der Stadt spürt.
Von der formellen Seite hergesehen, verbindet sich mit dem Prozess der Kulturgüterrückgabe aber dennoch komplizierte Materie aus den Bereichen der juristischen und historischen Forschung. Deshalb war ich sehr dankbar, dass wir auch ein Wissenschaftssymposium mit ausgezeichneten Experten organisieren konnten.
Schon am 3. und 4. November 2000 trafen in Darmstadt, auf Einladung des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt und des Deutschland- und Nordeuropa-Instituts Stettin, zwölf deutsche und polnische Experten zur Sitzung der »Kopernikus-Gruppe« zusammen. Sie berieten über das Schicksal der kriegsbedingt verbrachten Kulturgüter in Deutschland und in Polen. In ihrer Mitteilung schrieben sie u. a.:
Es wäre ein Zeichen des guten Willens beider Seiten und des gegenseitigen Vertrauens, kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter, soweit solche unabhängig von schwer verifizierbaren Listen gefunden wurden, ohne Vorbedingung und sofort zurückzugeben, um bei den Verhandlungen ein Klima des Vertrauens zu schaffen.
Unsere deutsch-polnischen Beziehungen sollten von einem ebensolchen Vertrauen geprägt sein. Wir sollten Mut fassen und bei diesem Thema zu neuen Ufern streben. Was unsere Regierungen nicht geschafft haben, ist durch die Kirchen und die Zivilgesellschaften auf den Weg gebracht worden.
Ich bin heute noch allen dankbar, die für diesen Erfolg standen: der Union Evangelischer Kirchen Berlin und der Marienkirche Danzig. Auch den Partnern des Symposiums: der Universität Danzig, der Stiftung für Entwicklung der Universität Danzig, dem Herder-Zentrum, dem Museum der Stadt Danzig und dem Danziger Kunst-Kantor!
Möge der Altar der Heiligen Dreifaltigkeit die Gläubigen von Danzig bei ihren Gebeten begleiten, möge er den Kunstfreunden viel Freude verleihen. Möge seine Rückkehr zu seinem Ursprungsort, dem Ort, der ihm bestimmt wurde, zur Weiterentwicklung der deutsch-polnischen Freundschaft beitragen!