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Als der Krieg nach Danzig kam: Deutsche Kriegsausstellung in Danzig vom 9. September bis 9. Oktober 1916

Im September 1916 war der Krieg zu Gast in Danzig, genauer gesagt in der Reithalle an der Großen Allee: gut organi­siert und ohne – anders als an der Front – Tote zu fordern. Hier wurde am 9. September vor 100 Jahren die Deutsche Kriegs­aus­stellung Danzig eröffnet, die für einen Monat in der westpreu­ßi­schen Provinz­haupt­stadt zu sehen war.

Dieses Ereignis war im Deutschen Reich, das sich gerade im dritten Kriegsjahr befand, kein Einzelfall, sondern Teil einer syste­ma­ti­schen Propa­ganda. So fanden im gleichen Jahr entspre­chende Ausstel­lungen im Berlin, Darmstadt, Hamburg und Karlsruhe statt. Veran­staltet wurden sie vom Zentral­ko­mitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz – im »Einver­ständnis und mit Unter­stützung des Königlich Preußi­schen Kriegs­mi­nis­te­riums«, so die offizielle Formulierung.

Der für die reichsweit organi­sierten Ausstel­lungen her­ausgegebene Katalog Deutsche Kriegs­aus­stel­lungen 1916, den die DW-Redaktion vor kürzerer Zeit entdeckt hat, gibt heute noch Einblicke in diese histo­rische Schau. Ihn flankierten Zusatz­bände, die jeweils für die einzelnen lokalen Ausstel­lungen konzi­piert wurden. Denje­nigen zur Danziger Ausstellung hat die polnische Inter­net­plattform Pommersche digitale Bibliothek inzwi­schen online zugänglich gemacht (http://pbc.gda.pl/publication/11108).

Propaganda und Wohltätigkeit

Mit ihrer propa­gan­dis­ti­schen Intention hielten die Initia­toren der Ausstellung keineswegs hinter dem Berg. Sie erklärten dem Ausstel­lungs­be­sucher bzw. Leser einleitend: »Der Grund­ge­danke der Kriegs­aus­stellung ist, der Bevöl­kerung zum Bewußtsein zu bringen, wie gewaltig die Bewaffnung unserer Feinde, wie schwer der Krieg der Neuzeit ist und sie mit Dankbarkeit für die wackeren Krieger zu erfüllen, die ihr Blut für das Vaterland opfern, aber auch ihnen das Bewußtsein der Dankbarkeit wachzu­rufen für unser Herrscherhaus, das die Kriegs­tüch­tigkeit unseres Volkes von jeher zu mehren bemüht war.«

Aus diesen Zeilen spricht jedoch nicht einfach nur Kriegs­pro­pa­ganda, sondern zugleich die Notwen­digkeit, der Bevöl­kerung einen Krieg zu »erklären«, von dem die Soldaten eigentlich bis Weihnachten 1914 hätten nach Hause zurück­kehren sollen – der sich jedoch zu einer nie dagewe­senen Materi­al­schlacht entwi­ckelte, in der die Soldaten (und ihre Angehö­rigen) mit den im Wortsinn schreck­lichen Konse­quenzen einer gleich­falls neuen Form von techni­sierter Kriegs­führung konfron­tiert wurden und ihnen ausge­liefert waren.

 Neben diesem Infor­ma­ti­ons­auftrag verfolgte die Kriegs­aus­stellung letztlich das Ziel, die »Kriegswohl­tätigkeit«, vor allem die Hilfe für »Krieger­frauen«, zu unter­stützen. So wurde der Erlös der Ausstellung für den Provin­zi­al­verein des Roten Kreuzes, die »Kriegs­hilfe für Danzig« und den »Verwal­tungs­aus­schuss für Kriegs­invaliden« bestimmt.

Schanze und Schützengraben

Neben einer »Beute­ab­teilung«, die Waffen und Ausrüstung der Kriegs­gegner – und damit sowohl deren Bedrohlich­keit, als auch die Überle­genheit der siegreichen Deutschen – zur Schau stellte, und einer fotogra­fi­schen Abteilung mit Aufnahmen aus den Kriegs­ge­bieten stand die »Danziger Sonder­ab­teilung«. Diese stellte in vielfacher Weise immer wieder auch Bezüge zwischen der Stadt bzw. Provinz und der militä­ri­schen Gesamt­the­matik der Ausstellung her.

So zeigte die »Marine­ab­teilung« Modelle von Schiffen, die auf Danziger Werften gebaut worden waren, u. a. die  kleinen Kreuzer SMS Danzig (Kaiser­liche Werft Danzig) und SMS Gefion (Ferdinand Schichau, Danzig). Maritime Inter­essen befrie­digte gleich­falls eine Abteilung zur Skagerrak-­Schlacht. So sehr auch hiermit dem Ziel entsprochen wurde, über den gegen­wär­tigen Stand militä­ri­scher Bedrohung und Rüstung zu infor­mieren, war die Ausstellung zugleich bemüht, Konti­nuität zu militär­ge­schicht­lichen Tradi­tionen herzu­stellen: So zeigte eine histo­rische Sammlung ergänzend »Kupfer­stiche, Gemälde usw., See-Erinnerungen aus älterer Zeit« und in einem »Danziger Zimmer« »Origi­nal­ge­mälde und Bilder, die auf die Geschichte Danzigs als Hafen­stadt Bezug haben«.

Ähnliches gilt für die Präsen­tation des Heeres: Für Lokal­ko­lorit sorgte eine Schau der aktuellen Kriegs- und Friedens­uni­formen, in der »sämtliche westpreu­ßi­schen Regimenter« zusam­men­ge­stellt waren. Wie bereits bei der Marine wird auch hier versucht, die aktuelle mit der histo­ri­schen Kriegs­führung zu paral­le­li­sieren. So findet sich ebenso eine »mit alten Geschützen« geschmückte mittel­al­ter­liche Schanze wie ein vom Landwehr-Infanterie-Regiment 21 reali­täts­getreu erbauter moderner Schützengraben.

Gesellschaftlicher Rückhalt und wirtschaftlicher Profit

Die Ausstellung war nicht nur von der staat­lichen Obrigkeit erwünscht – den Ehren­vorsitz hatte die preußisch-deutsche Kronprin­zessin Cecilie zu Mecklenburg übernommen. Vielmehr wurde sie von weiten Kreisen der gesell­schaft­lichen Eliten in Stadt und Provinz mitge­tragen: Dem  »Ehren-­Ausschuß« der Danziger Ausstellung gehörten Vertreter des Adels, des Militärs, der Politik, Verwaltung und Wirtschaft ebenso an wie Vertreter des Presse­wesens und der Religionen – etwa Rabbiner Dr. phil. Kaelter, Konsistorial-­Präsident Peter und der Culmer Bischof Dr. Rosentreter.

Ein Stück weit ging die gesell­schaft­liche Unter­stützung für die Ausstellung einher mit keineswegs verbor­genen ökono­mi­schen Inter­essen. Das verdeut­licht der an das Verzeichnis der Ausstel­lungs­stücke anschlie­ßende Werbeteil des Katalogs: Neben Anzeigen aus unter­schied­lichen Gewerben – etwa für »Danziger Sprin­ger­likör« – wird hier auch der Krieg selbst vermarktet: Kriegs­an­leihen der Danziger Bankhäuser, Produkte der Militär-Effekten- und Uniform-Fabrik M. Kemski & Co.; und Velhagen & Klasing, der Verleger der Kataloge, hat auch »Kriegs­karten« im Programm;  das Sport-Haus Carl-Rabe bietet Militär-Ausrüstung an, Hahn & Loechel künst­liche Glieder und Bandagen – und auf einer ganzsei­tigen Anzeige raucht ein Soldat »Unsere beliebte Heimats-Zigarette« der Zigaret­ten­fabrik Stambul.

Zwar waren zu dieser Zeit die Folgen des Krieges in Danzig schon sichtbar – etwa durch Invaliden mit Prothesen von Hahn & Loechel. Die Grund­haltung der Kataloge zeigt jedoch, dass der Krieg – noch – in all seinen Konse­quenzen so fern schien, dass er nur dank einer solchen Ausstellung zu ›erfassen‹ und ›begreifen‹ war. Der Erste Weltkrieg selbst drang mit seinen Front­linien auch bis 1918 nicht mehr auf deutschen Boden und bis Danzig fort – seine bitteren politi­schen Folgen sollte dann aber gerade Danzig erfahren müssen.

Tilman Asmus Fischer