Bei einem Spaziergang durch die Altstadt von Graudenz stößt man, direkt an der Stadtmauer, auf diese markante Fassade. Sie gehört zur St. Johannes-Kirche der Evangelisch-Augsburgischen Gemeinde (über die DW 10/2017 berichtet hat). Diese Schauseite hat es in sich : Der zur Straße ausgerichtete Giebel kommt ohne Bauzier aus, die vertikalen Linien sind betont und mit den spitzen Graten der Wandvorlagen oder den kleinen Pyramiden, die diese bekrönen, treten eindeutig Züge des sogenannten Backstein-Expressionismus hervor. Bekannte Beispiele dieses Stils – wie das zum Weltkulturerbe gehörende Chilehaus in Hamburg – entstanden um die Mitte der 1920er Jahre. Die Graudenzer Kirche aber wurde, zunächst als Heimat einer Katholisch-Apostolischen Gemeinde, schon 1916 errichtet, noch während des Ersten Weltkrieges. In das von der Backsteingotik geprägte Stadtbild fügt sich das Gotteshaus dennoch bruchlos ein : Offenbar konnte sich der überraschend frühe Übergang zur Architektur-Moderne in Graudenz erst einmal beinahe geräuschlos vollziehen.
Alexander Kleinschrodt