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Zum guten Schluss

Wahrscheinlich werden die meisten Menschen, die nach Danzig reisen, den Langen Markt und die Langgasse besuchen. Dieses „Wohnzimmer“ der alten Hanse­stadt ist schon sehr oft in ähnlicher Weise fotogra­fiert worden. An sonnigen Abenden erscheinen die bekannten Sehens­würdigkeiten „im besten Licht“ (vgl. DW 6/2017); der Turm des Recht­städtischen Rathauses etwa entfaltet dann einen faszi­nie­renden Glanz. Was aber sieht man, wenn man auf dem Langen Markt in die Gegen­richtung blickt, in die unter­ge­hende Sonne hinein? Ist der Stand­punkt richtig gewählt, kann man Zeuge eines merkwür­digen Theaters werden. Figuren, die Later­nen­auf­sätze oder die Giebel von Patri­zi­er­häusern bekrönen, sind nur noch als Silhou­etten erkennbar. Zusammen mit zufällig im Bild gelan­deten Vögeln formieren sie sich zu einem Geschehen wie aus den Schat­ten­spielen der arabi­schen oder chine­si­schen Tradi­tionen. In Europa hatte das Schat­ten­theater seinen Höhepunkt wohl nicht zufällig während der Romantik. Blickt man so auf die Danziger Häuser, kommt einem womöglich Novalis in den Sinn: „Indem ich dem Gewöhn­lichen ein geheim­nis­volles Ansehn gebe, so roman­ti­siere ich es.“ Das sind keine absei­tigen Ideen, keine „Grillen“, wie man um 1800 gesagt hätte: Es geht lediglich um die Einsicht, dass immer noch neue Perspek­tiven möglich sind.

Text und Foto: Alexander Kleinschrodt