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Zum guten Schluss

Unter dem Baldachin verewigte sich Reinhold Klein 1715 als Stifter eines der beiden luthe­ri­schen Beicht­stühle, die früher in der Domkirche zu Marien­werder für die Einzel­beichte genutzt wurden. Josef Anton Kraus schuf sie als offenen Stuhl, dessen Baldachin jeweils von zwei Engeln sowie zwei Tugenden (Liebe und Glaube bzw. Hoffnung und Geduld) getragen wird. Der Beicht­stuhl sollte mit seinem Bildpro­gramm dem Gläubigen Geschichten der Bibel vor Augen führen, in denen Menschen die Gnade Gottes erfuhren und ihnen Erlösung zuteil wurde. Auf die Absolution folgte dann die Zulassung zum hl. Abendmahl. Die Danzi­gerin Johanna Schopen­hauer (1766–1838) kannte die Beichte noch aus eigener Anschauung und schrieb: „Niemand, der sich nicht Tages vorher ihr [der Beichte] unter­worfen hatte, durfte zum hl. Abendmahl zugelassen werden. Der Ertrag derselben, bes. bei sehr beliebten Predigern, machte einen bedeu­tenden Theil der Einnahme der Geist­lichen aus.“ Doch ab Mitte des 19. Jahrhun­derts geriet die Praxis in Verges­senheit und damit auch ihr Möbel. Die luthe­ri­schen Beicht­stühle in Ost- und Westpreußen, die – anders als dieje­nigen in der römisch-katholischen Kirche – eine reiche Formen­vielfalt hervor­brachten, bilden aller­dings Relikte aus jener Zeit, die heute im Land an der unteren Weichsel sogar in katho­li­schen Kirchen überdauert haben. Mögen sie Boten der konfes­sio­nellen Verstän­digung sein.

 Text: Jutta Reisinger-Weber
Foto: Ursula Enke