Als durchaus prominentes Fotomotiv ist der steinerne Ziehbrunnen vom Innenhof der Marienburg vielen vertraut; die Bedachung krönt eine majestätische Darstellung eines Pelikans, der im Nest seine Brut umsorgt. Der bibelkundige Betrachter wird darin unschwer das christliche Symbol für die bedingungslose Hingabe Christi erkennen und es an diesem Ort mit den neutestamentlichen Worten vom lebendigen Wasser in Verbindung setzen. Auf ganz andere Weise begegnet der Pelikan hingegen dem Besucher der Kathedrale von Pelplin: seinem Blick weit entrückt, jedoch durch die Farbigkeit augenfällig, entdeckt er hier auf einem der konstruktiv tragenden Schlusssteine im Mittelschiff – gleichsam zur Vollendung des kunstvoll entworfenen Sternengewölbes – abermals ein Abbild jenes Geschöpfes, von dem es heißt, dass es sich die Brust aufreiße, um mit dem eigenen Blut seine Jungen zu nähren. Über Jahrhunderte wurde – jenseits allen biologischen Wissens – diese Legende von der vermeintlichen Selbstopferung des Pelikans weitergetragen und auf den Tod Jesu bezogen. Bereits Thomas von Aquin betete zu seinem Heiland als dem treuen Pelikan darum, ihn mit seinem Blut von den Sünden zu reinigen. – Gerade in der vorösterlichen Zeit vermag dieses kleine Kunstwerk aus Pelplin auch heute noch als eucharistisches Sinnbild an den Kreuzestod Christi und an sein Blut zu gemahnen, das zu ewigem Leben bewahrt.
Text und Foto: Ursula Enke