Wenn bald mit den ersten Herbststürmen vom nahegelegenen Neumarkt die Blätter herüberwehen, wird sich über jenen stillen Ort, an dem die vielleicht bemerkens-werteste Bank Danzigs steht, eine melancholische Stimmung legen. Von der Kontur einer Laube umrahmt, sitzen dort auf Abstand, aber einander zugewandt, der klein-wüchsige Romanheld Oskar aus der Blechtrommel und sein Meister, der Nobelpreisträger Günter Grass, beide aufgewachsen unmittelbar in dieser Gegend. Nur wenige Gehminuten entfernt, liegt im Labesweg das Haus, in dem der Vater des Schriftstellers einen kleinen Kolonialwarenladen führte und die vierköpfige Familie äußerst beengt lebte. Noch Jahrzehnte später bemerkte Grass, dieses Arbeiterviertel sei vom „kleinbürgerlichen Mief“ erfüllt.
Kommen Touristen heutzutage hierhin, lassen sie sich höchstwahrscheinlich von einem der empfohlenen literarischen Spaziergänge auf den Spuren dieses Ehrenbürgers von Danzig leiten. Sie sollten sich eingeladen fühlen, zwischen den beiden Bronzeskulpturen Platz zu nehmen und in Ruhe jene Kunstwerke zu betrachten, die der Bildhauer Sławoj Ostrowski einfühlsam und durchaus mit Witz gestaltet hat. Der Leser dieses Heftes könnte sich an eine andere Statue dieses Künstlers erinnern: an das Standbild Jakob Weihers in Neustadt.
Seit genau zwanzig Jahren erinnert nun die Figur Oskars an ihren literarischen Schöpfer; Grass wollte nicht, dass eine Skulptur seiner Person schon vor seinem Ableben aufgestellt würde. Und so geschah es erst im Oktober des Todesjahres 2015, dass der damalige Stadtpräsident Paweł Adamowicz während einer kleinen Feier sagen konnte: „An seinem Geburtstag haben wir ihn geholt. Günter, willkommen zurück in Danzig“.
Am 16. Oktober jährt sich der Geburtstag von Günter Grass zum 95. Male – es bliebt zu hoffen, dass der kleine Oskar zum guten Schluss sein wohl mutwillig entwendetes charakteristisches Attribut, die Trommelstöcke, wiedererhalten könnte.
Ursula Enke