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Wirtschaft und Kultur – Einblicke in das Leben der Mennoniten in Westpreußen

Von Astrid von Schlachta

1635 schrieb der hollän­dische Legations­sekretär Charles Ogier auf einer Reise durch Preußen könig­lichen Anteils: „Die Holländer sind’s, die jene Landschaften trocken­legten und die nutzlosen Sümpfe mittels gegra­bener langer Kanäle und Wasser­läufe in Ackerland, Wiesen und Gärten voller Früchte verwan­delten.“ Unter diesen Holländern waren viele Täufer, die im 16. Jahrhundert aus den verschie­densten Gründen nach Danzig, in den Marien­burger Werder sowie nach Elbing und Thorn einge­wandert waren. Obwohl, oder gerade weil die politi­schen Struk­turen aufgrund der unter­schied­lichen Herrschafts­rechte sehr verschachtelt und komplex waren, entwi­ckelten sich natür­liche Schutz­räume für die Täufer. Denn die Städte versuchten nicht selten, die Täufer zu instru­men­ta­li­sieren, um ihre Eigen­stän­digkeit gegenüber dem polni­schen König zu unter­streichen und ihre Emanzi­pation zu fördern. Der Zuzug der Täufer war, wie generell in der Frühen Neuzeit, durch Privi­legien geregelt: Tolerierung gegen Auflagen. Besonders wichtig und fast überall begleitend zu den Privi­legien festgelegt wurde das Verbot für die Täufer, Konver­titen zu machen. Doch diese Tolerierung durch Privi­legien war stets eine Tolerierung auf Zeit und auf Widerruf. Und meist war sie verbunden mit hohen Geldzah­lungen, etwa der doppelten Accise, oder Schutz- und Schirmgeld.

Danzig spielt für die täufe­rische Geschichte als eine der bedeu­tendsten Handels­städte der Ostsee­region eine besondere Rolle. Sie war vergleichbar mit jener der nieder­län­di­schen Städte oder Krefelds, wo sich die Täufer in das aufstre­bende Wirtschafts- und Handels­system der Stadt einpassten und erfolg­reiche Handwerke und Handels­un­ter­nehmen etablierten. Auch in den Vorstädten, auf bischöf­lichem Gebiet, etwa in Alt-Schottland, siedelten sich Täufer an. Nach Elbing zogen im 16. Jahrhundert ebenfalls viele Täufer, wobei sie hier auf noch günstigere Bedin­gungen trafen als in Danzig.

Integration in die Gesellschaft – Wirtschaft und Handel

Wie bereits das Zitat von Charles Ogier zum Ausdruck bringt: Den Einwan­derern kam eine bedeu­tende Rolle in der Kulti­vierung, Entwäs­serung und Eindei­chung des Weich­sel­deltas zu. In Danzig selbst stiegen die Menno­niten rasch im Gewerbe und im Handel auf. 1661 waren drei Viertel der Menno­niten Kaufleute, Spedi­teure und Faktoren, die im Auftrag hollän­di­scher Firmen den Handel lenkten. Das restliche Viertel war tätig in der Herstellung und im Vertrieb von Posamen­te­rie­waren (d. h. Borten, Litzen und Fransen) und als Spiri­tuo­sen­brenner. Zu den bekannten Produkten des letzt­ge­nannten Zweiges gehörten die Liköre und Brannt­weine der Firma Lachs, die seit 1598 im Haus Zum Lachs von Menno­niten herge­stellt wurden. Besonders erfolg­reich war das Danziger Goldwasser. Die Firma Stobbe gelangte mit ihrem Schnaps Machandel ebenfalls zu einiger Berühmtheit. Doch Menno­niten waren auch im Ingenieur- und Bauwesen tätig. So zeichnete einer von ihnen, Adam Wiebe, für die Konstruktion der ersten Schwe­be­seilbahn verant­wortlich. Wiebe (1584–1653) baute 1644 eine Materi­al­seilbahn, um die Vorstäd­tische Bastion in Danzig zu versorgen. Und der Mennonit Peter Willer (1635–ca. 1700) wirkte als Baumeister, Wasse­r­in­ge­nieur, Karto­graph und Kupferstecher.

Die Menno­niten in Danzig wurden zwar wirtschaftlich erfolg­reich, blieben rechtlich jedoch immer in einer unsicheren Lage. Sie verfügten in der Stadt bis zum Jahr 1800 nicht über das Bürger­recht, was Probleme unter anderem beim Grund­besitz und beim Vererben nach sich zog. Anders gestaltete sich die Situation in Elbing. Dort hatten einzelne Menno­niten schon im 16. Jahrhundert das Bürger­recht, auch wenn es immer wieder Debatten darüber gab. In Danzig dagegen waren Menno­niten nur „Geduldete“ und durften unter anderem auch nicht Mitglied der Zünfte sein. Somit ließen sich Strei­tig­keiten über Rechte und Pflichten gut instru­men­ta­li­sieren, denn es ging um Verdienst und Gewinn sowie um „Markt­an­teile“ – und das Argument „die Menno­niten stören“ konnte jederzeit aktiviert und reakti­viert werden.

Klagen einzelner Berufs­gruppen über die menno­ni­tische Konkurrenz gab es regel­mäßig, beispiels­weise von den Destil­lierern Danzigs. 1664 beschwerten sie sich in einer Eingabe an den Stadtrat, dass die Menno­niten in „allerlei Wollust und Üppigkeit leben“ würden, was „wir Distil­lirer insge­sambt nicht einem Menno­niten gleich thun können“. Ihr Wachstum würde vor allem, so die Destiller, daher kommen, dass sie als große Gruppe fest zuein­ander hielten und von niemandem anderen, als nur von ihren Glaubens­ge­schwistern kaufen und an sie verkaufen würden. Auch ihre Grund­zu­taten würden die Menno­niten bei Schiffs­leuten beziehen, von denen der größte Teil Menno­niten sei, die ihnen auch Zucker, Anis und „dergleichen aus Holland umb den besten preiß“ verkauften. Der Vorwurf lautete also nicht nur, die Menno­niten würden sich abseits der zünfti­schen Normen einigen Wohlstand erarbeiten, sondern bezog sich auch auf die Vormacht konfes­sio­neller Netzwerke, die bis in die menno­ni­tische Produktion und in den menno­ni­ti­schen Handel in Danzig reichen würden: eine nahezu geschlossene Gesell­schaft mit monopol­ar­tigen Ausprä­gungen, was Einkauf und Verkauf betraf. Die Stigma­ti­sierung, die Menno­niten würden als „fremde Sektierer“ den „einhei­mi­schen“ Gewer­be­trei­benden in der Stadt die „Butter vom Brot“ nehmen, war da nicht mehr fern.

Konkurrenz waren auch jene Menno­niten, die sich außerhalb Danzigs auf bischöf­lichem Gebiet, etwa in Alt-Schottland, angesiedelt hatten, von dort mit ihren Gewerben jedoch nach Danzig hinein­drückten. Die Danziger Abgeord­neten beschwerten sich 1571 beim Landtag von Thorn, dass sich viele Händler auf bischöf­lichem Gebiet nieder­ließen, die aus allerlei Nationen und aus „schäd­lichen Sekten“ seien, was ein Hinweis auf Menno­niten war. Diese Neuan­kömm­linge würden den Bürgern der Stadt Danzig zum Nachteil gereichen, und ihnen „gleich das Brodt aus dem Maul ziehen“. Deswegen sollte man sehr sorgsam und engagiert solche „schäd­liche, eigen­nützige, verdächtige und gottes­läs­ter­liche Leute aus demselben Schott­lande“, also der Danziger Vorstadt Alt-Schottland, ausweisen. Noch ein wenig schärfer klingt es 1675. Die Menno­niten würden nicht nur im Handel eine Macht darstellen, sondern auch viele Handwerke bestimmen, etwa die Borten­macher, Schneider, Schuster und ähnliche. All diese würden still­schweigend geduldet, der Bürger­schaft „fast alle Nahrung“ nehmen und „müssen der Mennisten Sklaven sein“. Darüber hinaus würden die Menno­niten in der Stadt „die beste und nahrhaf­ti­geste Örter und Wohnungen besitzen“.

Einer der Kritik­punkte gegenüber den Menno­niten bezog sich auf die übliche Verbindung von Handwerk und Handel, so dass die Forderung vorge­bracht wurde, Herstellung und Vertrieb zu trennen, um die macht­volle Stellung der Menno­niten zu brechen. 1648 entschied der Stadtrat daher, im Sinne dieser Forde­rungen vorzu­gehen: „Weil Fremde mit Fremden zu handeln nicht befugt und zwischen Borten­macher und Borten­händlern ein notwen­diger Unter­schied zu halten ist.“ Menno­niten beschwerten sich daraufhin und schrieben eine Eingabe an den Rat der Stadt. Sie stellten fest, dass die Borten­wirker bereits seit „Uhralten Zeiten“ die Freiheit hätten, mit Passe­menten (Kordeln und Fransen) zu handeln. Zugleich wiesen sie darauf hin, dass diese ungerecht­fer­tigten Anschul­di­gungen schon seit längerer Zeit gegen sie verwendet würden. Das gesell­schaft­liche Klima besserte sich jedoch nicht, sondern der Wind wehte den Menno­niten nun noch etwas rauer um die Nase. In der Folge verließen einige Täufer Danzig und zogen über die Weichsel in die Nehrung sowie in den zur polni­schen Krone gehörenden Großen Werder.

Wirtschaft­liche Gründe waren auch ausschlag­gebend für die Gründung einer Menno­ni­ten­ge­meinde in Königsberg, die 1722 entstand und direkte Verbin­dungen nach Danzig hatte. Diese neue Gemeinde war zwar geduldet und mit Privi­legien ausge­stattet, aber ebenfalls nicht dauerhaft gesichert. Seit 1716 hatte es bereits private Versamm­lungen gegeben – „in aller Stille“ und „ohne rumor“, wie es im Privileg heißt. In diesem Jahr erteilte der Magistrat der Stadt Kneiphof, einer der drei 1724 verei­nigten Königs­berger Städte, dem Menno­niten Johann Peter Sprunk die Erlaubnis, sich in der inneren Vorstadt nieder­zu­lassen, um eine Brannt­wein­de­stil­lation zu eröffnen. Der Erlaubnis ging auch hier der Wunsch nach einer Erwei­terung der Gewerbe in der Stadt voraus, denn in Königsberg gab es niemanden, der den Branntwein „nach Danziger Art“ destil­lieren konnte. Das Schlupfloch für einen Menno­niten war also, ein Handwerk zu betreiben, das ein typisch menno­ni­ti­sches geworden war: die Branntweinbrennerei.

Schwan­kungen in den Lebens­mo­da­li­täten täuferisch-­menno­nitischer Existenz, die von den jewei­ligen gesell­schaft­lichen Entwick­lungen abhingen und entweder zu wohlwol­lender Aufnahme oder zu Stigma­ti­sierung führen konnten, lassen sich auch in Elbing nachver­folgen. Dort herrschte eigentlich zunächst ein sehr offenes Klima, das Täufern Chancen auf Nieder­lassung und wirtschaft­liche Entfaltung bot. Dies zeigte sich unter anderem auch daran, dass ihnen das Bürger­recht gewährt wurde und ihnen erlaubt war, ohne Eidschwur Bürger zu werden. Als sich die wirtschaft­liche Lage in Elbing jedoch verschlech­terte, wurden die Menno­niten zunehmend als unliebsame Konkurrenz wahrge­nommen. Der Rat der Stadt änderte in dieser Zeit seine Politik und instal­lierte kleine Hürden – wie die Zahlung von Schutzgeld oder neue Praktiken beim Eidschwur. Ab 1682 mussten die Menno­niten bei der Eides­leistung mit Ja oder Nein die Hand auf die Brust legen, was sie als Verletzung ihrer Gewis­sens­freiheit ansahen.

Ähnlich ambivalent gestal­teten sich Äußerungen zur Tolerierung der Täufer, die sich in den Schriften der preußi­schen Kurfürsten und Könige finden, wie etwa im Fall König Friedrich Wilhelms I. gezeigt werden kann. Waren die Täufer für die Wirtschaft wichtig, forcierte er ihre Einwan­derung. Ergaben sich Probleme oder erbrachten die Täufer nicht den erhofften Nutzen, so zog der König andere Einwan­derer vor. Im Zusam­menhang mit der Ansiedlung von Menno­niten in Preußisch-Litauen ist das Zitat überliefert: „sehr wahr ist die menon­isten schweitzer mein Ruin“. Und weiter heißt es: „Ich will von das geschmeiße nit – Ihre kinder werden nit soldahten – Ist guht solche leutte vor Parti­culier, aber nit vor groß herren.“ Über die Menno­niten in Krefeld ist dagegen folgende Aussage des preußi­schen Königs überliefert: „Die Menno­nisten wollen zwar nicht in den Krieg gehen, ich muss aber auch Leute haben, die mir Geld schaffen.“

Mennoniten zwischen Absonderung und Integration –  kulturelles und geistliches Leben

Das täufe­rische Leben war nicht nur von seinen äußer­lichen Rahmen­be­din­gungen immer wieder Verän­de­rungen unter­worfen, sondern auch das kultu­relle und geist­liche Leben der Gemeinden und ihrer Glieder bewegte sich stets auf einer Skala, die von Tradi­tio­na­li­sierung bis Erneuerung und Aufbruch, von der alten Praxis der Abson­derung, die als wesentlich für das Glaubens­leben gesehen wurde, bis hin zu dem Wunsch ging, als erfolg­reiche Kaufleute auch politisch mitsprechen zu wollen – und sich somit aus der Abson­derung heraus­zu­be­geben. Für die Gemeinden selbst ergaben sich aus diesen Entwick­lungen und Verän­de­rungen immer wieder spannungs­reiche Diskus­sionen und Konflikte.

Einen inter­es­santen Einblick in die Debatten, die sich um die Bewahrung des Altbe­währten und den Wunsch nach Erneuerung drehten, gibt ein sich im frühen 18. Jahrhundert abspie­lender Streit um das Tragen von Perücken. In der Zeit entsprach es dem Schön­heits­ideal, dass auch ein Mann sich eine Perücke – als Status­symbol – auf den Kopf setzte. Die Menno­niten, die man zunächst vielleicht gar nicht damit in Verbindung bringt, dem neuesten Modetrend zu folgen, blieben von dieser Entwicklung nicht unberührt. Angestoßen wurde der sich um das Perücken­tragen drehende Streit durch den Sohn bzw. den Schwie­gersohn des Danziger Bankiers Jan van Hoek. Sie waren nach einem Aufenthalt in Amsterdam in ihre Gemeinden Danzig und Markushof im Kleinen Marien­burger Werder zurück­ge­kehrt und hatten die neue Mode des Perücken-Tragens mitge­bracht, was in der tradi­tionell ausge­rich­teten menno­ni­ti­schen Gesell­schaft Danzigs für viel Zwistig­keiten sorgte. So verwei­gerte der Älteste der Menno­ni­ten­ge­meinde den Zurück­ge­kehrten das Abendmahl, denn seiner Meinung nach bedeutete das Tragen von Perücken, gegen die „alte gewohnte“ zu handeln und eine „neuerung“ einzuführen.

Der Streit zog seine Kreise bis in den Stadtrat hinein, der sich einschaltete, da die jungen Männer um Unter­stützung gegen die als unrecht­mäßig empfundene Kirchen­zucht gebeten hatten. Aus den Reihen des Stadtrats kamen denn auch Auffor­de­rungen an die Ältesten der Gemeinde, alle Maßnahmen gegen die jungen Männer zurück­zu­nehmen. Die Ältesten hielten dagegen und wiesen darauf hin, dass man gerade als Mennonit sich ruhig und unauf­fällig verhalten sollte – und dem stünde das Perücke-Tragen entgegen. Es gäbe, so hieß es, immer genug Leute, die „wünschen, dass wir aus dem Land wären“. Und die Ältesten holten noch weiter aus, indem sie bemerkten, selbst die Fürsten und großen Herren im Land würden keine Perücken aufsetzen, obwohl sie alt seien und „fast keine haar auf dem haubte“ hätten.

Auch die Kunst hatte es unter den Menno­niten des 18. Jahrhun­derts schwer, sich in den preußisch-polnischen Gebieten an der Ostsee durch­zu­setzen, was unter anderem der Maler Enoch Seemann zu spüren bekam. Seemann wurde 1697 vom Ältesten der Danziger Gemeinde, Georg Hansen, gebannt, weil er als Porträt­maler gegen das 2. Gebot gehandelt habe: Du sollst Dir kein Bild machen. Ganz generell ging es in der Ausein­an­der­setzung jedoch schnell um Malerei an sich. Denn die Ältesten brachten auch die Frage in die Diskussion ein, ob Landschaft – eigentlich ja unver­dächtig – nicht ebenfalls als „Geschöpf Gottes“ anzusehen sei, und somit gleicher­maßen als „nicht malbar“ einge­stuft werden sollte. Seemann vertei­digte seine Kunst der Porträt- und Landschafts­ma­lerei vehement und versuchte, seine Kontra­henten mit der Werbung an ihren eigenen Läden zu schlagen. Er argumen­tierte nämlich, dass die Läden der menno­ni­ti­schen Krämer auch mit Laden­schildern versehen seien, auf denen Bilder seien – und dies verstoße dann offen­kundig doch nicht gegen das Bildnisverbot.

Seemann fand seine Wider­sacher in der flämisch ausge­rich­teten Danziger Menno­ni­ten­ge­meinde, die als sehr konser­vativ galt. Und dies brachte eben eine wesentlich konse­quentere und strengere Gemein­de­zucht mit sich, bei der der Bann keine Seltenheit war. Der bereits zitierte Gesandt­schafts­se­kretär Charles Ogier beschrieb die flamisch geprägten Menno­niten 1636 als „stille, bescheidene, sehr geschickte Handwerker“. Sie trügen eine „gediegene, unauf­fällige, meist dunkle Tracht“; ihre Frauen hätten an ihren Kleidern, die aus feinen, gewählten Tuchs­orten (Camelot und Turquie) bestanden, „keinerlei Borten oder Zierrat“. Bestimmte Kleider­farben, Schuh­formen, Kragen­arten, Haar- und Barttrachten waren nicht geduldet; auch nicht der Besitz von Spiegeln oder Bildern und eben besonders keiner Porträts.

Simon Rues, ein luthe­ri­scher Geist­licher, beschrieb noch 1743 in seinem Werk Aufrichtige Nachrichten von dem gegen­wär­tigen Zustande der Menno­niten oder Taufge­sinnten die Einfachheit und Schlichtheit menno­ni­ti­schen Lebens. So würden es die Danziger Menno­niten als Sünde ansehen und auch den Bann aussprechen, wenn eine Familie Gemälde an den Wänden hängen hätte, Möbel mit Porzellan oder kostbaren Gläsern schmückte, – „ja, wenn man gar auf die Thorheit geriethe, wie sie sagen, um sich selbsten abmahlen zu lassen; wenn man […] vor die Obrigkeit gienge, um vor derselben Klage zu führen.“

Nach diesem Streifzug durch das wirtschaft­liche und kultu­relle Leben der Menno­niten im Land an der unteren Weichsel bleibt festzu­halten: Die täuferisch-mennonitische Landschaft war in den preußisch-polnischen Regionen an der Ostsee äußerst vielfältig, rechtlich und terri­torial sehr unter­schied­lichen Rahmen­be­din­gungen unter­worfen und von häufigen klein­räu­migen Migra­tionen, Ansied­lungs­wün­schen und ‑ableh­nungen sowie von Vertrei­bungen geprägt. Die preußisch-polnischen Gebiete an der Ostsee stehen somit exempla­risch für eine Konstante täufe­ri­scher Existenz in der Frühen Neuzeit.

Die Zuwan­derung und Duldung von Menno­niten war stets eine hochpo­li­tische Frage; ihre Existenz war prekär und nie auf Dauer gesichert. Die Klagen gegen die Übermacht der menno­ni­ti­schen Gewer­be­trei­benden zogen sich in der gesamten Frühen Neuzeit durch die politische Kommu­ni­kation der preußisch-polnischen Gebiete an der Ostsee. Und es wird deutlich, dass es jeweils nicht nur eine Moment­auf­nahme war, die in den Menno­niten eine weitgehend geschlossene Gesell­schaft und somit eine Macht am Markt sah. Die konfes­sio­nelle Kohärenz wirkte sich bis in Handwerk und Handel aus, wenngleich Tendenzen der sozio­kul­tu­rellen Entwicklung auch bis ins Innere der Gemeinden vordrangen, was die Vielfalt menno­ni­ti­schen Lebens deutlich macht.

Für die politische Obrigkeit ergab sich eine dauer­hafte Spannung zwischen dem Wunsch, die Täufer und Menno­niten zu dulden, weil man sich einen wirtschaftlich-monetären Vorteil erhoffte, und der Reaktion auf die wirtschaftlich motivierten Klagen aus den Reihen der anderen Gewer­be­trei­benden, dass die menno­ni­tische Übermacht zu groß würde und die „Einhei­mi­schen“ zu kurz kämen. Die Menno­niten waren also wirtschaftlich zwar erwünscht und aufgrund ihrer innova­tiven Handwerke gesuchte Unter­tanen, doch gleich­zeitig in einer insofern ungesi­cherten Position, als sich für sie der Wind mit der wirtschaft­lichen Großwet­terlage immer ändern konnte.