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Unter dem Schutz von Johannes dem Täufer und dem Erzengel Michael

Porträt einer beachtenswerten Kirche in Löbau

Die St.-Johannes-Kirche, die sowohl unter dem Patro­nat von Johan­nes dem Täu­fer als auch unter dem­je­ni­gen von St. Micha­el steht, ist eine der bei­den römisch-katholischen Pfarr­kir­chen in Löbau, der ehe­mals west­preu­ßi­schen Stadt, die heu­te in der Woi­wod­schaft Ermland-Masuren liegt. Die Kir­che gehört zum Deka­nat Löbau der Thor­ner Diö­ze­se. Sie dien­te den Bern­har­di­nern bis zur Säku­la­ri­sie­rung (1820) als Klos­ter­kir­che. Zwei Jah­re spä­ter wies der preu­ßi­sche Staat sie den Pro­tes­tan­ten zu, und das Klos­ter wur­de als Schu­le – spä­ter­hin auch als Gerichts­ge­bäu­de – genutzt.

Das ursprüng­li­che, 1498 bis 1507 errich­te­te Got­tes­haus wur­de in den Jah­ren von 1603 bis 1610 als ver­putz­ter Zie­gel­bau im Renaissance-Stil erneu­ert. Wei­te­re zwei­ein­halb Jah­re nahm die Innen­aus­stat­tung in Anspruch. Zu die­ser Zeit wur­den die Decken über dem Kir­chen­schiff und dem Pres­by­te­ri­um, das Chor­ge­stühl und die Kan­zel geschaf­fen. 1613 konn­te die Kir­che geweiht wer­den. Im 18. Jahr­hun­dert erhielt der Turm einen neu­en Helm in Zwie­bel­form mit ­einer auf­ge­setz­ten Later­ne. Zwi­schen 1866 und 1887 wur­de die Kir­che gründ­lich reno­viert. Damals wur­den seit­li­che Empo­ren errich­tet und zusätz­li­che Fens­ter­öff­nun­gen her­ge­stellt. (Die­se Ver­än­de­run­gen sind 1976 aller­dings wie­der rück­gän­gig gemacht wor­den. Nur die Säu­len, die die Empo­ren stütz­ten, sind übriggeblieben.)

Nach­dem die Kir­che län­ge­re Zeit ver­nach­läs­sigt wor­den war, wur­den – mit eini­gen Unter­bre­chun­gen – von 1994 bis 2002 Sanie­rungs­ar­bei­ten durch­ge­führt. Sie bezo­gen sich vor allem auf die his­to­ri­sche Decke des Gebäu­des. Zudem konn­ten in die­sem Zusam­men­hang unter dem Kir­chen­putz Schich­ten mit bis­lang unbe­kann­ten Male­rei­en ent­deckt wer­den. – Die Initia­ti­ve zu die­ser Reno­vie­rung ging auf Rudolf Orlo­vi­us zurück, der, aus Groß Loben­stein im Kreis Löbau stam­mend, seit den frü­hen 1990er Jah­ren neue Kon­tak­te in sei­ne Hei­mat geknüpft hat­te. Über ihn konn­ten Geld­mit­tel der Stif­tung für deutsch-polnische Zusam­men­ar­beit – sowie Spen­den von Mit­glie­dern des Hei­mat­krei­ses Neu­mark – ein­ge­wor­ben werden.

Wer heu­te die Kir­che besich­tigt, wird zunächst die bei­den Rei­hen von Holz­säu­len wahr­neh­men, die den Ein­druck eines drei­schif­fi­gen Innen­raums erwe­cken. Bei genaue­rer Betrach­tung fällt dann eine Rei­he von wert­vol­len Aus­stat­tungs­ele­men­ten ins Auge :  die Kan­zel im Renaissance-Stil ;  das Kru­zi­fix aus dem 14. Jahr­hun­dert, das einst die Fran­zis­ka­ner, die Anfang des 15. Jahr­hun­derts nach Löbau gekom­men waren, mit­ge­bracht hat­ten ;  den baro­cken Altar, den Jer­zy Dąbro­wicz aus Löbau 1728 gestal­tet hat ;  sowie das Chor­ge­stühl, das zu Beginn des 17. Jahr­hun­derts in der Löbau­er Schreiner- und Schnitz­werk­statt von Seweryn Dyt­l­of ent­stand und das ober­halb der Rücken­leh­nen von dem (andern­orts nicht beleg­ten) Künst­ler Chmie­lew­ski bemalt wor­den ist. Zudem fin­det sich im Fuß­bo­den des Pres­by­te­ri­ums eine Grab­plat­te, die die Gruft von Bischof Mikołaj Chra­pi­cki, dem Stif­ter des Klos­ters, ver­schließt. Wan­dert der Blick nach oben, kann man sich in die Details der bei­den präch­ti­gen Decken ver­tie­fen. Die Fel­der­de­cke des Kir­chen­schiffs, die 262 m² misst, besteht aus neun Rei­hen mit jeweils 20 bemal­ten Kas­set­ten, die von Holz­ro­set­ten gesäumt wer­den. Sie zei­gen neben dem Leben Jesu und der Got­tes­mut­ter wei­te­re Bil­der aus dem Alten und Neu­en Tes­ta­ment. Zudem stel­len sie sym­bo­li­sche Sze­nen aus dem Wir­ken der Apos­tel, Evan­ge­lis­ten und Hei­li­gen sowie, nicht zuletzt, auch des Stif­ters dar. Wap­pen und deko­ra­ti­ver Schmuck run­den das umfang­rei­che Bild­pro­gramm ab. Auf­merk­sam­keit ver­dient aber auch die geschnitz­te und reich bemal­te Decke über dem Chor. In der Chro­nik des Klos­ters fin­det sich der Hin­weis, dass sie im Jah­re 1611 eben­falls von Dyt­l­of und Chmie­lew­ski geschaf­fen wor­den sei.

Seit dem Jah­re 2000 dient die Kir­che des Hei­li­gen Johan­nes und des Erz­engels Micha­el als Pfarr­kir­che einer aus zwei fusio­nier­ten Gemein­den gebil­de­ten Pfar­rei. Zu ihr gehö­ren seit­dem – wie eine Zäh­lung von 2005 aus­weist – etwa 3.200 Gemeinde­glieder. Nach der Grün­dung über­nahm die Props­tei der Pries­ter Tade­usz Bre­za, Ehren­dom­herr des Dom­ka­pi­tels vom Stifts­kol­le­gi­um Grau­denz. Sei­nen inten­si­ven Bemü­hun­gen ist es zu dan­ken, dass im Novem­ber 2003 der ehe­ma­li­ge Kir­chen­be­sitz, das Klos­ter­ge­bäu­de, resti­tu­iert wor­den ist und saniert wer­den konn­te. Im Gegen­zug über­nahm die Stadt nun das frü­he­re Pfarr­haus. – Seit 2013 ist als Nach­fol­ger der aus Posen stam­men­de Pries­ter Dr. Mar­cin Sta­ni­szew­ski im Amt. Er ist Pfar­rer der Kir­che und zugleich Lei­ter des Löbau­er Deka­nats. Über­dies hat er sich auch als Wis­sen­schaft­ler einen Namen gemacht :  Er pro­mo­vier­te (2006) über das Reli­giö­se Leben in Grau­denz wäh­rend der Zwi­schen­kriegs­zeit und lehrt an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Niko­laus Koper­ni­kus Uni­ver­si­tät und am Pries­ter­se­mi­nar von Thorn und Bromberg.

Von beson­de­rer Bedeu­tung ist für die St.-Johannes-Kirche, dass am 3. Juli 2016 der Pro­zess zur Selig­spre­chung von Mag­da­le­na Mor­tęs­ka in Gang gesetzt wor­den ist. Dafür hat­te am 18. Dezem­ber des Vor­jah­res der Bischof von Thorn, Andrzej Suski, durch ein ent­spre­chen­des Edikt die Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen. Mag­da­le­na wur­de um 1554 gebo­ren und starb im Febru­ar 1631. Sie war eine pol­ni­sche katho­li­sche Non­ne, Äbtis­sin und Refor­ma­to­rin des Bene­dik­ti­ner­or­dens, Mys­ti­ke­rin und Autorin reli­giö­ser Schrif­ten. Die Kir­chen­obe­ren hat­ten Mag­da­le­na auch schon zu frü­he­ren Zei­ten wegen ihrer stren­gen christ­li­chen Lebens­füh­rung und ihrer Ver­diens­te um den Orden in ent­spre­chen­der Wei­se ehren wol­len. Die jeweils ein­ge­lei­te­ten Ver­fah­ren zur Selig­spre­chung wur­den dann aber nicht weiterverfolgt.

Mag­da­le­nas Fami­li­en­sitz war das Dorf Mor­tung (Mor­tę­gi) bei Löbau, wo sie zwölf Jah­re lang leb­te. Heu­te ist der Ort ein Teil der St.-Johannes-Kirchengemeinde. Seit 2013 gehört das Gut den Unter­neh­mern Ali­na und Jan Szy­na­ka. Sie haben sich ent­schlos­sen, die Gebäu­de in ihrer his­to­ri­schen Gestalt zu rekon­stru­ie­ren. So wur­de im Früh­jahr 2016 die Kapel­le restau­riert, in der sich ein Abbild der Mut­ter von Mag­da­le­na Mor­tęs­ka als Patro­nin des Guts befin­det. Auch die Initi­ie­rung des Pro­zes­ses zur Selig­spre­chung ist nicht zuletzt dem gro­ßen per­sön­li­chen Enga­ge­ment der neu­en Besit­zer von Mor­tung zu verdanken.

Les­zek Chaburski