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„350 Jahre eher deutsch – 350 Jahre eher polnisch“:

Die Adelsfamilie von Krockow und die kaschubische Kultur- und Begegnungsstätte in Krokowa – Fünf Fragen an Ulrich Graf von Krockow

Im Oktober 2019 jährt sich zum 20. Male der Beginn der Partnerschaft zwischen der Stiftung Europäische Begegnung Kaschubisches Kulturzentrum Krokowa und der Kulturstiftung Westpreußen, die ihrerseits die Zusammenarbeit zwischen dem Westpreußischen Landesmuseum und dem Regionalmuseum in Krokowa begründet hat. Aus diesem Anlass hat Ulrich Graf von Krockow dem Westpreußen ein ausführliches Interview gegeben und dabei einerseits Einblicke in die Geschichte seiner Familie gewährt, andererseits die Struktur der Stiftung sowie die Erfolge und Chancen der beispielhaften deutsch-polnischen Kooperation erhellt, deren Bedeutung für die westpreußische Kulturarbeit schwerlich überschätzt werden kann.

Graf Kroc­kow, Kroc­kow ist – wie schon der Name zeigt – aufs engs­te mit der Geschich­te Ihrer Fami­lie ver­knüpft. Wel­che Bedeu­tung hat das gan­ze bau­li­che Ensem­ble – ein­schließ­lich der Kir­che mit der Grab­le­ge – inzwi­schen für Ihre seit 1945 in West­deutsch­land leben­de Familie ?

Das fängt ja mit einer schwe­ren Fra­ge an – pas­sen wir auf, dass ich nicht zu weit aus­ho­le. – Bei der fami­liä­ren Bedeu­tung muss ich nach den Gene­ra­tio­nen unter­schei­den. Für mei­nen Vater (1913–2007) war es 1990 eine Rück­kehr in sei­ne alte Hei­mat, die er mit sei­ner neu­en Hei­mat an der Mosel ver­band :  So ent­stan­den Part­ner­schaf­ten des Land­krei­ses Trier-Saarburg mit dem Kreis Put­zig sowie Part­ner­schaf­ten zwi­schen den Städ­ten bzw. Gemein­den Her­mes­keil und Hela, Konz und Put­zig, Schweich und Kroc­kow sowie Ruwer und Kos­s­akau (Kosa­ko­wo). Die Zahl der gegen­sei­ti­gen Besu­che, der Schü­ler­aus­tau­sche und gemein­sa­men Vor­ha­ben ist inzwi­schen kaum noch zu über­schau­en. Als ältes­ter Sohn, der 1945 auf der Flucht gebo­ren wur­de, habe ich mei­nen Vater unter­stützt, um das Schloss zu ret­ten. Vor Ort bil­de­te es durch­aus eine „sport­li­che“ Her­aus­for­de­rung für mich, das Schloss 1991/92 in Rekord­zeit und im Rah­men des Finanz­plans zu renovieren.

Ob die­se Regi­on mit ihren Bezeich­nun­gen wie „Kor­ri­dor“, „Küsten­kaschubei“, „Pom­me­rel­len“, „Put­zi­ger Land“, „West­preu­ßen“ oder „Nord­po­len“ für mei­ne Nach­kom­men noch inter­es­sant ist, weil sich dort über 700 Jah­re die Geschich­te der – als Land­wir­te zudem eng mit dem Boden ver­bun­de­nen – Fami­lie abge­spielt hat, ist schwer zu beant­wor­ten, direkt wich­tig für ihr Leben ist sie aber wohl nicht mehr. Mei­ne Toch­ter hat in Kroc­kow einen Win­zer von der Mosel gehei­ra­tet ;  so wird nur mein ältes­ter Enkel Egon an der Erde arbei­ten (der übri­gens auf­grund glück­li­cher Zufäl­le auch flie­ßend pol­nisch zu spre­chen ver­mag) ;  alle ande­ren Nach­kom­men hin­ge­gen wer­den nie­mals Kühe per Hand mel­ken oder die Qua­li­tät von Ähren prü­fen kön­nen, son­dern in „Tastatur“-Berufen auf Eng­lisch und Fran­zö­sisch (nicht auf Pol­nisch) welt­weit an wech­seln­den Wohn­or­ten und ent­fernt von Kroc­kow arbeiten.

Wenn bei Fami­li­en­tref­fen alle zwei Jah­re in der Kryp­ta oder im Park die Fami­li­en­ge­schich­te vor Ort, die Rol­le der Lui­se von Kroc­kow oder die­je­ni­ge mei­ner Eltern und Groß­el­tern zu erläu­tern sind, –da bin ich unsi­cher, was das für die Jün­ge­ren bedeu­tet. Viel­leicht trägt Kroc­kow in der „euro­päi­schen Kul­tur­re­gi­on“ West­preu­ßen zu einer gewis­sen Erdung unse­rer Fami­lie bei, viel­leicht wird es in einer unüber­sicht­lich sich ent­wi­ckeln­den Zeit zu einem Ruhe­pol, einem Ort der Rück­be­sin­nung und einem fami­liä­ren Zen­trum. Und Anläs­se für Fami­li­en­tref­fen gibt es genug :  Mei­ne Frau orga­ni­siert bei­spiels­wei­se regel­mä­ßig Bridge- und Kul­tur­rei­sen nach Kroc­kow, wo der hier hei­mi­sche Club, der sein Spiel­lo­kal im Schloss unter­hält, beim deutsch-polnischen Bridge-Turnier meis­tens die vor­de­ren Plät­ze ergattert.

In jedem Fall gibt es die vie­len, immer und immer wie­der erzähl­ten und mit Kroc­kow ver­bun­de­nen Geschich­ten, die ich auch mit mir her­um­tra­ge und manch­mal – ger­ne – wei­ter­ge­be. Dazu gehört – um Ihnen wenigs­tens ein Bei­spiel zu nen­nen – die fol­gen­de Situa­ti­on aus einem Inter­view, das mein Vater 1999 dem pol­ni­schen Fern­se­hen gege­ben hat : Auf die Fra­ge, wie er den 1. Sep­tem­ber 1939 erlebt habe, ant­wor­te­te er :  „Ich sah ab 7 Uhr die deut­schen Flie­ger über Puck angrei­fen.“ Die Jour­na­lis­ten insis­tier­ten und woll­ten genau­er wis­sen, was mein Vater nun ange­sichts des soeben aus­ge­bro­che­nen Krie­ges denn unter­nom­men hät­te. Dar­auf sag­te er ihnen :  „Ja, was denn ?  Ich ver­ste­he die Fra­ge nicht. Ich muss­te ganz schnell aufs Feld, um zur Ern­te ein­zu­tei­len, denn wir waren spät dran in dem Jahr …“

Vor fast 30 Jah­ren wur­de die Stif­tung Euro­päi­sche Begeg­nung Kaschu­bi­sches Kul­tur­zen­trum Kro­ko­wa gegrün­det, inner­halb derer Sie auch eng mit der Gemein­de zusam­men­wir­ken. Wel­che Erfah­run­gen haben Sie bei die­ser „euro­päi­schen“ Initia­ti­ve – und zwar gera­de auch im poli­ti­schen Raum – mit den Bemü­hun­gen um deutsch-polnische Koope­ra­tio­nen gemacht ?

Die Stif­tungs­sat­zung hat das polnisch-­deutsche Konsens-Prinzip für alle Orga­ne vor­ge­se­hen ;  die­ser struk­tu­rel­le Zwang zur Koope­ra­ti­on und gemein­sa­men Ver­ant­wor­tung ver­pflich­tet zu früh­zei­ti­ger Rück­spra­che und zur Ent­wick­lung über­zeu­gen­der Argu­men­te. Wich­tig war, dass die Stif­tung 1990 ein­stim­mig durch den sich als pro­eu­ro­pä­isch ver­ste­hen­den Gemein­de­rat ange­nom­men wur­de. Er bestand zu die­ser Zeit zur Hälf­te aus pol­ni­schen Ver­trie­be­nen, die nach 1945 in der Kaschub­ei ange­sie­delt wor­den waren.

Im höchs­ten Organ, dem Stif­tungs­rat, sind vier Insti­tu­tio­nen ver­tre­ten :  die Grün­der, die „Ko-Fundatoren“, und zwar die Ver­bands­ge­mein­de Kro­ko­wa und die deut­sche gemein­nüt­zi­ge Stif­tung, in der die Fami­lie mit­ar­bei­tet ;  hin­zu kom­men die Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen und das Natio­nal­mu­se­um in Dan­zig. Jeder Rats­be­schluss bedarf der Mehr­heit, in bestimm­ten Fäl­len der Ein­stim­mig­keit, so dass stets ein polnisch-deutscher Kon­sens her­ge­stellt wer­den muss. In den Vor­stand, der für den ope­ra­ti­ven Bereich zustän­dig ist, ent­sen­det jeder Ko-Fundator einen Ver­tre­ter, so dass auch in der Tages­ar­beit und im Finanz­we­sen ein gemein­schaft­li­ches Han­deln gesi­chert ist. Die­se Struk­tur war an die­je­ni­ge der gro­ßen „Stif­tung für deutsch-polnische Zusam­men­ar­beit“ (Fund­ac­ja Współpra­cy Polsko-Niemieckiej) in War­schau ange­lehnt wor­den, die die Reno­vie­rung finan­ziert hat und bis heu­te ein­zel­ne Pro­jek­te fördert.

Trotz die­ser erfolg­rei­chen gemein­sa­men Arbeit soll aller­dings auch nicht ver­schwie­gen wer­den, dass die Anfän­ge durch­aus schwie­rig waren. Zunächst galt es, Miss­ver­ständ­nis­se aus­zu­räu­men und auch lau­ter Kri­tik aus Dan­zig oder War­schau – aber auch aus Krei­sen der ver­trie­be­nen West­preu­ßen – ent­schie­den ent­ge­gen­zu­tre­ten. Die­se Pro­ble­me blie­ben bald zurück, nach­dem die Begeg­nungs­stät­te erst ein­mal ihren Betrieb auf­ge­nom­men hat­te ;  und vor Ort fand die Arbeit sowie­so von Anfang an Zustim­mung, denn da neue Woh­nun­gen ent­stan­den und wei­te­re Arbeits­plät­ze geschaf­fen wur­den, erga­ben sich hand­fes­te Vor­tei­le für die Gemein­de. Zudem fand das Pro­jekt man­nig­fa­che Unter­stüt­zung in Polen – vom Land­kreis Put­zig, von der Woi­wod­schaft oder dem War­schau­er Kul­tur­mi­nis­te­ri­um – wie auch von deut­scher Sei­te – beson­ders vom Gene­ral­kon­su­lat in Dan­zig, vom Land­kreis Trier-Saarburg und der Ver­bands­ge­mein­de Schweich.

Immer noch ist das Eis aber dünn, denn die Belas­tun­gen durch den Zwei­ten Welt­krieg, in unse­rer Regi­on vor allem die Mas­sa­ker im nahen Wald von Pias­nitz, blei­ben wei­ter­hin spür­bar. Letzt­lich ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass auf die lang­jäh­ri­ge gute deutsch-polnische Zusam­men­ar­beit in Kroc­kow neue Schat­ten fallen.

Erge­ben sich spe­zi­fi­sche Betrach­tungs­wei­sen und beson­de­re Chan­cen dar­aus, dass das Kul­tur­zen­trum sich aus­drück­lich als „kaschu­bi­sche“ Insti­tu­ti­on versteht ?

Die Sat­zung der Stif­tung selbst for­dert die Ein­rich­tung einer Kaschu­bi­schen ­Kultur- und Begeg­nungs­stät­te sowie die Erhal­tung der Tra­di­ti­on und Kul­tur der Nord­ka­schub­ei. – Kroc­kow als heu­te nörd­lichs­tes Schloss Polens liegt in der soge­nann­ten Küs­ten­ka­schub­ei, an der meer­na­hen und als sicher ange­se­he­nen Ost-West-Straße und einen Tages­marsch von Dan­zig ent­fernt :  Dort­hin führ­te die ers­te Etap­pe auf dem mit­tel­al­ter­li­chen Jakobus­weg, der von Dan­zig sei­nen Aus­gang nahm. Er führt durch eine Regi­on, in der nach dem Urteil des Dan­zi­ger His­to­ri­kers Andrzej Groth das größ­te „Durch­ein­an­der“ in Euro­pa herrsch­te :  auf der einen Sei­te eth­nisch mit Kaschub­en, Polen und Deut­schen, mit den soge­nann­ten Hol­län­dern – den „Olen­dri“, die ab 1600 die meer­na­hen ­Sümp­fe hart nörd­lich von Kroc­kow in Kar­wen­bruch (Kar­wieńs­kie Bło­ta) tro­cken­leg­ten –, aber auch Schwe­den, Schot­ten und Fran­zo­sen ;  auf der ande­ren Sei­te religiös-konfessionell mit der viel zu kurz grei­fen­den, vor­der­grün­di­gen Zuord­nung der Polen zum Katho­li­zis­mus und der Deut­schen zum Pro­tes­tan­tis­mus. Um nur ein Bei­spiel zu nen­nen :  In der Kir­che von Kroc­kow, die fast 400 Jah­re lang evan­ge­lisch gewe­sen war und 1947 wie­der katho­lisch wur­de, hat mein Vater in der Zwi­schen­kriegs­zeit noch von der Fami­li­en­em­po­re aus die Men­no­ni­ten (Olen­dri) mit ihren Bär­ten beobachtet.

Das Mosa­ik­ar­ti­ge prägt sich auch in der Spra­che aus. In Kroc­kow wur­de glei­cher­ma­ßen deutsch, pol­nisch und kaschu­bisch gespro­chen ;  und das Kaschu­bi­sche ist ein regel­rech­tes Sprach­mu­se­um mit vie­len (nieder-)deutschen Ein­spreng­seln :  „fest­me­ter“, „buk­sa“, „was­er­wa­ga“, „brot­rich­tig“ oder „dopel­de­kel“ sind noch leicht zu erken­nen, aber was bedeu­tet „galop-­kasta“? (Die­ses Wort bezeich­net die „Gang­schal­tung“.) Noch cha­rak­te­ris­ti­scher ist eine Perfekt-Bildung wie „mam kepio­ny“ (ich habe gekauft), die es in die­ser Form im Sla­wi­schen über­haupt nicht gibt.

Die Zuge­hö­rig­keit zu unter­schied­li­chen Kul­tu­ren bestimmt nicht zuletzt auch die Geschich­te mei­ner Fami­lie. Dan­zi­ger His­to­ri­ker ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass die Kroc­kows von hier (tutaj), also Hie­si­ge (tute­js­zy) und eine der ältes­ten kaschu­bi­schen Fami­li­en sei­en, die aber sowohl in pol­ni­schen wie in preußisch-­deutschen Adels­ver­zeich­nis­sen geführt wur­den. Nach den 2.000 Doku­men­ten zur Fami­li­en­ge­schich­te, die nach 1945 vom Schloss in das Natio­nal­ar­chiv Dan­zig ver­la­gert wur­den, müss­te es sich sogar um die ältes­te beleg­te kaschu­bi­sche Fami­lie han­deln. Neben dem Schloss zeigt dies die benach­bar­te Kir­che. Dort grün­de­te Peter bzw. Pjotr Kroc­kow 1300 die Pfar­rei ;  1498 errich­te­te Lorenz bzw. Wawr­zy­niec Kroc­kow, der den Bei­na­men „der Kaschu­be“ trug, einen Holz­bau. 1833 dann erfolg­te ein Umbau der Kir­che durch Karl Kroc­kow, der sich von Not­re Dame in Paris inspi­rie­ren ließ. Es ist sel­ten, dass sich eine Fami­lie über 700 Jah­re auf einem Besitz hal­ten konn­te, und von denen – ver­ein­facht gespro­chen – etwa in der Hälf­te der Zeit eher das „Pol­ni­sche“ und in wei­te­ren 350 Jah­re eher das „Deut­sche“ domi­niert haben.

Der Erfolg unse­res Gesamt­pro­jekts wird wesent­lich davon mit­ge­tra­gen, dass es in Polen erfreu­li­cher­wei­se gelun­gen ist, die kaschu­bi­sche Spra­che und Kul­tur insti­tu­tio­nell dau­er­haft zu för­dern. Die Grup­pe der Kaschub­en wird mitt­ler­wei­le auf 500.000 Zuge­hö­ri­ge geschätzt, und deren Zahl scheint wei­ter zu wach­sen, da heu­ti­ge Bewoh­ner sich zuneh­mend mit der kaschu­bi­schen Spra­che, Kul­tur und Geschich­te iden­ti­fi­zie­ren. Die Wer­be­pro­spek­te selbst klei­ner Ort­schaf­ten rund um Kroc­kow zei­gen, dass alle ideo­lo­gi­schen Vor­ga­ben der kom­mu­nis­ti­schen Zeit gänz­lich über­wun­den wor­den sind. Dazu hat auch unse­re Arbeit bei­getra­gen. Kaschub­en müs­sen heu­te nicht mehr, wie Gün­ter Grass es for­mu­lier­te, immer zwei Flag­gen im Schrank haben („man weiß nie, was kommt“), und zwar weder eine pol­ni­sche noch eine deut­sche, son­dern nur noch eine kaschu­bi­sche. Auch die Flag­ge des Schlos­ses zeigt die lan­des­ty­pi­schen Far­ben Schwarz für die Erde und Gold für die Ern­te. Das ers­te Hin­weis­schild in kaschu­bi­scher Spra­che, das in Kroc­kow auf­ge­stellt wur­de, habe ich übri­gens mit ver­an­lasst :  dort wird das Wort „Begeg­nungs­stät­te“ mit „möl zind­ze­niow“ übersetzt.

Heu­te wirkt sich die Kenn­zeich­nung „kaschu­bisch“ sogar im Mar­ke­ting sehr posi­tiv aus ;  und der küs­ten­na­he Tou­ris­mus bie­tet gro­ße Chan­cen, das Leben der Bewoh­ner zu ver­bes­sern. Auch das Schloss mit sei­ner geschichts­träch­ti­gen Umge­bung bie­tet Besu­chern aus Polen und Deutsch­land attrak­ti­ve Anlaufpunkte.

Von beson­de­rer Bedeu­tung ist in die­sem Zusam­men­hang natür­lich das seit eini­gen Jah­ren von Gra­zi­na Patryn gelei­te­te Regio­nal­mu­se­um mit sei­nen erfolg­rei­chen Aus­stel­lun­gen und ein­drucks­vol­len Publi­ka­tio­nen. Besu­cher inter­es­sie­ren sich z. B. für die heu­te wie­der gepfleg­ten ehe­ma­li­gen evan­ge­li­schen und men­no­ni­ti­schen Fried­hö­fe oder auch für die Legen­den bzw. Geschich­ten von Kroc­kower Brü­dern, die jeweils auf ent­ge­gen­ge­setz­ten Sei­ten gekämpft haben – 1410 bei Tan­nen­berg und 1939 beim Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges. Des Wei­te­ren kön­nen die Besu­cher Rein­hold von Kroc­kow ken­nen­ler­nen, der nach 1560 mit 1.500 selbst gewor­be­nen kaschu­bi­schen Rei­tern die Huge­not­ten in Frank­reich unter­stütz­te und 1572 die­sen Glau­ben in der Kir­che in Kroc­kow ein­führ­te (seit­dem wur­de dem Fami­li­en­wap­pen die Lilie hin­zu­ge­fügt) ;  oder sie begeg­nen Lui­se von Kroc­kow, die um 1800 den damals berühm­ten weit­läu­fi­gen Park mit einer Thea­ter­büh­ne schuf, Johann Gott­lieb Fich­te für zwei Jah­re als Haus­leh­rer anstell­te und sich nach­drück­lich um die Bil­dung und Aus­bil­dung von Mäd­chen bemühte.

Ansons­ten bleibt im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis frei­lich nicht der flei­ßi­ge Land­wirt, der die Erde bear­bei­tet, son­dern vor­züg­lich der Drauf­gän­ger und Nichts­nutz :  Die bekann­tes­te Per­son der Fami­lie ist der „Wil­de Graf“ Albert, der Sohn von Lui­se, der sich um nichts küm­mer­te und in den Jah­ren um 1800 abends wild im Fackel­schein den Her­ren­berg – der heu­te auch auf Kaschu­bisch noch so heißt – , her­un­ter galop­pier­te und sich spä­ter dort oben mit Pferd und Hun­den begra­ben ließ. Die­ser Albert soll spä­ter über eine Geschich­te im Dan­zi­ger Dampf­boot (1838) Theo­dor Storm mit zur Figur des „Schim­mel­rei­ters“ inspi­riert haben ;  und noch heu­te wird den Kin­dern in der Regi­on gedroht :  „Wenn Du nicht hörst, dann kommt der Wil­de Graf (Sza­l­o­ny hrabia).“

1945 gru­ben die Rus­sen jeden­falls den Her­ren­berg auf, um an die legen­dä­ren gol­de­nen Hufe und wei­te­re Schät­ze des Gra­fen Albert zu kom­men, was aller­dings eben­so erfolg­los blieb, wie auch das Durch­su­chen der Sär­ge in der Kryp­ta nicht zu Gold­fun­den führ­te. Ent­täuscht feu­er­ten die Rot­ar­mis­ten Sal­ven in die Sar­ko­pha­ge, deren Spu­ren dort noch heu­te zu sehen sind.

Weni­ge Kilo­me­ter süd­lich von Kroc­kow fand 1462 die Schlacht bei Schwet­zin (Świe­ci­no) statt, die jetzt jedes Jahr im ­August als Event der „Living Histo­ry“ nach­ge­stellt wird und vie­le Zuschau­er anlockt. Eine inter­es­san­te Gedenk­stät­te bie­tet zudem das süd­öst­lich von Kroc­kow gele­ge­ne Dorf Zdra­da, übri­gens wohl der ein­zi­ge Ort in Kaschubi­en, der in den letz­ten 100 Jah­ren nicht (mehr­mals) umbe­nannt wor­den ist. Hier befin­det sich seit eini­ger Zeit ein Denk­mal für Anto­ni Abra­ham, der 1918 zum ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Wil­son nach Ver­sailles fuhr, um von ihm die Unab­hän­gig­keit der Kaschub­ei zu errei­chen. Dabei betei­lig­te sich das Muse­um dar­an, die geschicht­lich gesi­cher­ten Zusam­men­hän­ge die­ser von vie­len Legen­den umrank­ten Initia­ti­ve aufzuarbeiten.

Seit nun­mehr 20 Jah­ren koope­riert die Stif­tung Euro­päi­sche Begeg­nung mit der Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen. Auf die­ser Grund­la­ge ent­stand zugleich die Part­ner­schaft zwi­schen dem Regio­nal­mu­se­um Kroc­kow und dem West­preu­ßi­schen Lan­des­mu­se­um, das damals noch in Münster-Wolbeck behei­ma­tet war und 2013/14 nach Waren­dorf umge­zo­gen ist. Auf wel­che Wei­se wird die­ses wich­ti­ge (im Bereich des § 96 BVFG bei­spiel­haf­te) Pro­jekt einer deutsch-polnischen Zusam­men­ar­beit von der deut­schen und pol­ni­schen Poli­tik geför­dert und unter­stützt ?  Wie gestal­tet sich aus Ihrer Per­spek­ti­ve die Zusam­men­ar­beit zwi­schen den bei­den Stif­tun­gen und den Muse­en ins­ge­samt – und wel­che Poten­tia­le sehen Sie hier für die nähe­re Zukunft ?

Das Muse­um der Stif­tung in Kroc­kow wird als Außen­stel­le des West­preu­ßi­schen Lan­des­mu­se­ums über die Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen jähr­lich mit deut­schen insti­tu­tio­nel­len Mit­teln von 35.000 Euro von der Beauf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en (BKM) geför­dert. Über­dies erhält es – eben­falls von der BKM – pro­jekt­ge­bun­de­ne Zuwen­dun­gen über das Kul­tur­re­fe­rat für West­preu­ßen, das Pose­ner Land und Mit­tel­po­len. Die pol­ni­sche Sei­te för­dert das Muse­um durch Pro­jekt­zu­schüs­se und Sach­mit­tel wie z. B. den Aus­stel­lungs­raum, das Büro und das Maga­zin. Im letz­ten Jahr hat die Gemein­de über 100.000 Euro zuguns­ten der Infra­struk­tur des Gebäu­des und der Außen­an­la­gen sowie des zwi­schen dem Muse­um und dem Schloss gele­ge­nen Park­be­reichs investiert.

Für die Zusam­men­ar­beit der bei­den Muse­en sind höchst för­der­li­che Vor­aus­set­zun­gen gege­ben, weil Gra­zy­na Patryn in Polen wie in Deutsch­land her­vor­ra­gend ver­netzt ist und aus ihren bila­te­ra­len Kon­tak­ten attrak­ti­ve Aus­stel­lungs­the­men gewinnt. So wur­de bei­spiels­wei­se auf der Basis von Erin­ne­rungs­tex­ten, die das Waren­dor­fer Muse­um für eine eige­ne Aus­stel­lung zusam­men­ge­tra­gen hat­te, ein Pro­jekt ent­wi­ckelt, bei dem Ver­trie­be­ne aus Deutsch­land mit Schul­klas­sen der Gemein­de Kro­ko­wa zusam­men­ge­führt wur­den und aus ihren jewei­li­gen unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven her­aus über die Ereig­nis­se des Jah­res 1945 und der anschlie­ßen­den Jahr­zehn­te dis­ku­tier­ten. Wel­cher Erfolg die­sen Akti­vi­tä­ten beschie­den ist, zei­gen nicht zuletzt die Besu­cher­zah­len des Muse­ums und der Begeg­nungs­stät­te, die mit jähr­lich knapp 20.000 – ganz abge­se­hen vom deut­lich nied­ri­ge­ren Sub­ven­ti­ons­an­teil pro Ein­tritts­kar­te – jedem Ver­gleich mit ana­lo­gen Insti­tu­tio­nen in Deutsch­land durch­aus stand­hal­ten dürften.

Ange­sichts der viel­fäl­ti­gen Poten­tia­le wäre es äußerst wün­schens­wert, wenn die Koope­ra­ti­on zwi­schen Waren­dorf und Kroc­kow noch inten­si­viert wür­de und sich die „Außen­stel­le“ inhalt­lich und auch per­so­nell noch enger mit der Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen und dem West­preu­ßi­schen Lan­des­mu­se­um ver­zah­nen lie­ße. An der Ent­wick­lung ent­spre­chen­der Plä­ne wür­de sich auch der pol­ni­sche Part­ner im Stif­tungs­rat, das Natio­nal­mu­se­um in Dan­zig, beteiligen.

Um wenigs­tens auch ein wenig Zukunfts­mu­sik anklin­gen zu las­sen :  Ein kon­kre­tes, anspruchs­vol­les Vor­ha­ben könn­te bei­spiels­wei­se eine eige­ne Muse­ums­ab­tei­lung zur Kata­stro­phe der Wil­helm Gustl­off bil­den, die nahe Kroc­kow ver­senkt wur­de. Dazu müss­te der Nach­lass von Heinz Schön ange­kauft und wis­sen­schaft­lich aus­ge­wer­tet wer­den. Weni­ger auf­wän­dig, aber eben­so zukunfts­wei­send wäre es, gemein­sam mit der Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen in Kroc­kow eine Doku­men­ta­ti­ons­stel­le ein­zu­rich­ten, in der die Fami­li­en­do­ku­men­te tran­skri­biert, über­setzt und prä­sen­tiert wer­den könn­ten. Das Natio­nal­ar­chiv Dan­zig stün­de solch einem Unter­fan­gen durch­aus posi­tiv gegenüber.

Dabei geht es frei­lich immer auch um die Finan­zie­rung von Per­so­nal­stel­len und Sach­mit­teln. Kroc­kow böte gute Bedin­gun­gen für das Ein­wer­ben auch von EU-Mitteln, bei deren Gewäh­rung aller­dings die Ent­schei­dung letzt­lich beim Mar­schall der Woje­wod­schaft liegt – und hier wären wohl­ge­merkt auch die neue­ren poli­ti­schen Ein­flüs­se auf das pol­ni­sche Muse­ums­we­sen zu berücksichtigen.

Las­sen Sie uns zum Schluss einen Blick in die wei­te­re Zukunft wer­fen !  2039/40 wer­den in Kroc­kow das 40-jährige bzw. 50-jährige Bestehen des Regio­nal­mu­se­ums und der Stif­tung gefei­ert : Wie haben sich die­se bei­den inzwi­schen entwickelt ?

Ob es gelingt, die bis­he­ri­ge Linie über die bald erreich­ten 30 Jah­re hin­aus fort­zu­füh­ren, ist schwer vor­her­zu­sa­gen. Ein Schei­tern ist eben­so mög­lich wie eine gute Wei­ter­ent­wick­lung. Das haben die Akteu­re der Stif­tung vor Ort in der Hand ;  nur wenn sie sich inten­siv für eine Per­p­etu­ie­rung ein­set­zen, gute Arbeit leis­ten und die Minis­te­ri­en in War­schau und Berlin/Bonn über­zeu­gen, kann dies gelin­gen. Ob dabei der rich­ti­ge Gang im „galop-kasta“ ein­ge­legt bleibt, ob es vor­wärts geht oder statt „Hü“ eher „Brr“ geru­fen wird – das ist nicht vorhersehbar.

Hof­fent­lich aber wird der Engel der Kaschub­en wie­der­um ein­grei­fen, der Gott schon um Per­len aus sei­ner Schatz­tru­he bat und damit die Seen und Schön­hei­ten der Kaschub­ei ent­ste­hen ließ. – Sie, lie­ber Til­man Fischer, wer­den dies ja noch erle­ben !  Es wäre schön, Sie fän­den dann ande­re Gesprächs­part­ner, denen Sie ihre aktua­li­sier­ten Fra­gen in die­ser ansehn­li­chen Ecke der Kaschub­ei rund um Kroc­kow stel­len kön­nen. Heu­te dan­ke ich Ihnen für Ihr Interesse !

Die Fragen stellte Tilman Asmus Fischer.